S-Prozess

S-Prozess

Der s-Prozess (s für engl. slow, dt. langsam) ist einer der Nukleosyntheseprozesse.

Er ist ein Neutroneneinfangprozess, der bei niedrigen Neutronen-Dichten und relativ niedrigen Temperaturen abläuft, im Gegensatz zum schnellen r-Prozess. Er bewirkt den Aufbau von Elementen bis zu einer Massenzahl A = 210, darunter auch besonders stabile.

Der s-Prozess läuft hauptsächlich in Sternen ab, die sich im asymptotischen Riesenast des Hertzsprung-Russell-Diagramms befinden. Dies sind Sterne mit Durchmessern vom Tausendfachen des Sonnendurchmessers, in deren Kern Wasserstoff- und Heliumbrennen bereits zum Erliegen gekommen sind und in einer Schale um den Kern Helium zu Kohlenstoff fusioniert wird, im so genannten Schalenbrennen. In ihnen kommt es auch zu Fusionsreaktionen, die Neutronen freisetzen.

Da Neutronen (Symbol n) im Gegensatz zu Protonen keine elektrische Ladung besitzen, können sie ungehindert in Atomkerne eindringen und sich dort unter Abgabe von Gammaquanten γ anlagern. Dadurch erhöhen sich Massenzahl A und Neutronenzahl N jeweils um 1 und ein neues Isotop entsteht. Neutronen werden bevorzugt von schweren Atomkernen eingefangen, daher ist das Ausgangsmaterial des s-Prozess vorrangig Eisen, das im Stern von Anfang an vorhanden war.

Wird ein Atomkern nach der Anlagerung aufgrund von relativem Neutronenüberschuss instabil, wird ein Neutron durch radioaktiven β--Zerfall, d. h. durch die Aussendung eines Elektrons e-, in ein Proton umgewandelt. Dadurch entsteht ein Atom eines anderen Elements mit gleicher Massenzahl, aber um 1 erhöhter Ordnungszahl Z (Protonenzahl) und um 1 erniedrigter Neutronenzahl N; das Atom wandert im Periodensystem. Aufgrund des langsamen Ablaufs der Neutronenanlagerung, der sich über Jahrtausende erstreckt, ist es charakteristisch für den s-Prozess, dass der β--Zerfall instabiler Isotope stattfindet, bevor ein weiteres Neutron angelagert wird. Infolgedessen können durch ihn nicht alle stabilen schweren Elemente gebildet werden.

Der s-Prozess wird mathematisch oft durch die so genannte lokale Approximation beschrieben, die ein theoretisches Modell der Elementhäufigkeiten gibt, basierend auf der Annahme eines konstanten Neutronenflusses im Stern. Damit ergibt sich das Verhältnis der Elementhäufigkeiten als umgekehrt proportional zum Verhältnis des für den Neutronenfang wirksamen Querschnitts verschiedener Isotope, denn je größer dieser Querschnitt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Neutroneneinfangs und der damit verbundenen Umwandlung in ein anderes Isotop.

Wegen des relativ geringen Neutronenflusses (in der Größenordnung von 105–1011 Neutronen pro cm² pro Sekunde), den man während des s-Prozesses erwartet, können die schweren, neutronenreichen Isotope wie Thorium und Uran nicht gebildet werden, da die benötigten Ausgangskerne vor erneuter Neutronenanlagerung dem β--Zerfall unterliegen. Diese Isotope werden im r-Prozess gebildet.

Der s-Prozess endet mit einem Zyklus, der vom Ausgangskern des Bismut-Isotops 209Bi (Wismut) wieder auf diesen zurückführt:

209Bi + n 210Bi + γ   (Neutronenanlagerung)
210Bi 210Po + e- --Zerfall)
210Po 206Pb + 4He (α-Zerfall)
206Pb + n 207Pb + γ (Neutronenanlagerung 1)
207Pb + n 208Pb + γ (Neutronenanlagerung 2)
208Pb + n 209Pb + γ (Neutronenanlagerung 3)
209Pb 209Bi + e- --Zerfall)

Durch den s-Prozess sind die Sterne des asymptotischen Riesenasts die Lieferanten der Hälfte der schweren Elementen jenseits von Eisen 56Fe. Die synthetisierten Elemente werden durch Konvektionsströme nach außen bis an die Sternoberfläche transportiert, wo sie sich spektroskopisch nachweisen lassen. 1952 wurde erstmals das radioaktive Technetium in roten Riesen beobachtet, das aufgrund seiner Halbwertszeit von wenigen Millionen Jahren erst kurz zuvor durch den s-Prozess entstanden sein konnte und damit die Theorie stützte.

Siehe auch: Atom, Nukleosynthese, r-Prozess, p-Prozess

Literatur


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