- Schachtanlage Wittekind
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Die Schachtanlage Wittekind nahe Volpriehausen im Süden Niedersachsens ist ein stillgelegter Schachtkomplex zur Förderung von Kalisalzen. Die Anlage diente während des Zweiten Weltkriegs als Standort einer Munitionsanstalt der Wehrmacht und war in der Endphase des Krieges eine provisorische Lagerstätte für Kulturgüter.
Geschichte
Schacht Wittekind wurde 1889 zunächst unter dem Namen Justus errichtet, 1910 begannen in der Nähe die Arbeiten am Schacht Hildasglück, der unterirdisch mit Schacht Justus verbunden wurde. Die Schächte wurden zunächst von der Wittekind-Bergbau AG betrieben, die 1921 von dem Bergbaukonzern Burbach übernommen wurde, ein Teil der späteren Burbach-Kaliwerke AG. Nach der Übernahme erfolgte die Umbenennung des Schachtes Justus in Wittekind.
Bereits 1936 interessierte sich die Wehrmacht für die Doppelschachtanlage, verwarf den Standort aber zunächst als ungeeignet. Die Burbach-Kaliwerke AG bot daraufhin ihrerseits die Anlage der Wehrmacht zur Miete an, die das Angebot akzeptierte und im Juli 1937 einzog. Im Jahre 1938 begannen massive Umbauten sowie Neuerrichtungen von diversen Anlagen, mit dem Ziel eine Heeresmunitionsanstalt zu errichten. So entstand zwischen den beiden Schächten ein Industriegebiet aus 12 Werkshallen; der zu ca. 2.000 Zellen ausgebaute Untertagebau des Schachtkomplexes war für das Einlagern der Munition gedacht. Die Produktion in der Heeresmunitionsanstalt Volpriehausen begann 1940 mit der Herstellung von Infanteriegranaten. Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurden vermehrt auch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene zur Munitionsherstellung herangezogen. Darüber hinaus erfolgte der Umzug weiter Teile der Produktion in den Stollen, um die Munitionsproduktion trotz Bombardierungen durch Briten und Amerikaner aufrecht erhalten zu können. Ab 1944 kam es auch vermehrt zur notdürftigen Einlagerung von Kulturgütern in die tieferen Schachtregionen, die nicht mit Munition befüllt waren, darunter Teile der Bibliothek der nahegelegenen Universität Göttingen. In diesem Zusammenhang wird oft diskutiert, ob auch Teile des verschollenen Bernsteinzimmers im Schacht eingelagert worden sein könnten.
Nach der Befreiung der Zwangsarbeiter und Besetzung der Anlage durch die US-amerikanische Armee im April 1945 kam es zu Beschädigungen und chaotischen Plünderungen des gesamten Komplexes. Es befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch etwa 20.000 Tonnen explosives Material in den Schachtkammern, die von Plünderern teilweise beschädigt wurden. Dadurch entstand eine erhebliche Gefährdung, die den kontrollierten Abtransport der Munition, aber auch das Besichtigen und Bergen der eingelagerten Kulturschätze stark erschwerte. In der Nacht des 29. September 1945 kam es zu einer verheerenden Untertageexplosion, die den Komplex schwer beschädigte und unbefahrbar machte. Erst im nächsten Frühjahr konnte der Schacht provisorisch wieder befahren werden, eine teilweise Bergung der Kulturgüter erfolgte durch Freiwillige von August bis Oktober 1946, bevor einsickerndes Grundwasser die Stollen unter Wasser setzte und jede weitere Bergung unmöglich machte. Die im Schacht verbliebenen Kulturgüter sind damit - zumal oftmals nur provisorisch verpackt - vermutlich unwiederbringlich verloren.
51.6608333333339.7494444444444Koordinaten: 51° 39′ 39″ N, 9° 44′ 58″ O
Literatur
- Frank Baranowski: Geheime Rüstungsprojekte in Südniedersachsen und Thüringen während der NS-Zeit. Mecke, Duderstadt 1995, ISBN 3-923453-69-8.
- Arbeitsgemeinschaft Südniedersächsischer Heimatfreunde e.V. (Hrsg.): Rüstungsindustrie in Südniedersachsen während der NS-Zeit. Wagener, Mannheim 1993, ISBN 3-910085-05-9.
Weblinks
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