- Schleiden-Medaille
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Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina Zweck: Nationale Akademie der Wissenschaften Vorsitz: Volker ter Meulen (Präsident) Gründungsdatum: 1. Januar 1652 Mitgliederzahl: ca 1.300 Sitz: Halle (Saale), Deutschland Website: www.leopoldina-halle.de Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina ist die älteste naturwissenschaftlich-medizinische Gelehrtengesellschaft in Deutschland und die älteste dauerhaft existierende naturforschende Akademie der Welt.
Die nach Kaiser Leopold I. benannte Einrichtung wurde 1652 in Schweinfurt gegründet. Nach einem Beschluss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern aus dem Frühjahr 2008[1] nimmt die Leopoldina seit dem 14. Juli 2008 die Aufgaben der deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften wahr.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina wurde am 1. Januar 1652 in Schweinfurt, im Zwinger des Brückentores, von den Ärzten Johann Lorenz Bausch, Johann Michael Fehr, Balthasar Metzger und Georg Balthasar Wohlfahrt als private Gesellschaft gegründet. Ähnliche Gelehrtengesellschaften entstanden in Italien (Accademia Nazionale dei Lincei, 1603), England (Royal Society, 1660) und Frankreich (Académie des sciences, 1666).
Die Kurzform Leopoldina rührt von Kaiser Leopold I. her, der per Dekret vom 7. August 1687 den offiziellen Namen Sacri Romani Imperii Academia Caesareo-Leopoldina Naturae Curiosorum festlegte. Durch Kaiser Karl VI. (1712) und Kaiser Karl VII. (1742) wurde der Name in Sacri Romani Imperii Academia Caesarea Leopoldino-Carolina Naturae Curiosorum bzw. in Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinische Deutsche Akademie der Naturwissenschaftler geändert. Seit 1878 ist aufgrund einer Initiative des damaligen Präsidenten Hermann Knoblauch die Stadt Halle an der Saale der Sitz der Leopoldina. Zuvor war der Sitz durch den Wohnort des jeweiligen Präsidenten bestimmt. Ausschlaggebend für Halle war auch das Renommee der Martin-Luther-Universität.
Seit ihrer Gründung förderte die Leopoldina zahlreiche Wissenschaftler, darunter allein 170 Nobelpreisträger wie Marie Curie und Albert Einstein.[2]
Am 19. November 2007 gab Bundeswissenschaftsministerin Annette Schavan bekannt, dass die Leopoldina zur Deutschen Akademie der Wissenschaften ernannt werden soll. Durch ihr internationales Ansehen sei die Leopoldina prädestiniert, Deutschland im Kreis der internationalen Akademien zu vertreten.[3] Am 14. Juli 2008 wurde die Ernennung der Leopoldina zur Nationalakademie mit einem Festakt unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler begangen.[4]
Die Nationale Akademie der Wissenschaft soll die Zusammenarbeit von Politik und Wissenschaft befördern und intensivieren helfen. In ihrer neuen Funktion wird die Leopoldina je nach Themenbereich vor allem mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) zusammenarbeiten.[1] Die Leopoldina ist Mitglied in der Allianz der Wissenschaftsorganisationen.
Bibliothek
Ab 1943 begann die Bibliothek der Leopoldina ihre wertvollen Buchbestände und alte Handschriften in ein stillgelegtes Salzbergwerk in Wansleben am See auszulagern, um sie so vor alliierten Bombenangriffen zu schützen[5] — insgesamt mehr als 20.000 Bücher, darunter einzigartige Handschriften, Goethe-Briefe, wissenschaftliche Tagebücher und mehrere Privatarchive von Gelehrten.[6] Die Benutzung erfolgte nur noch stark eingeschränkt, weil die SS im Juni 1944 den Georgischacht in Wansleben besetzte. Der SS-Führungstab A6 errichtete dort das KZ Wansleben und eine geheime unterirdische Rüstungsproduktion. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschleppten 1945 die Trophäenbrigaden der Roten Armee die wertvolle Bibliothek der Leopoldina in die Sowjetunion.
Anlässlich der Wiedereröffnung der Martin-Luther-Universität Halle am 1. Februar 1946 erklärte der sowjetische General Kotikow, die Leopoldina-Bibliothek zurückgeben zu wollen[7]. Jedoch gab die Sowjetunion erst 1958 einen Teil (ca. 12.000 Bücher) an die Leopoldina zurück, und ein Großteil der wertvollsten Bücher sind heute verschwunden, darunter Schriften berühmter Gelehrter wie Avicenna (Ventiis, 1483), Giordano Bruno (Francofurti, 1591) oder Johann Kepler (Plancus, 1618). In den 1980er Jahren tauchten vereinzelt Exemplare in Auktionshäusern in New York, England und Hamburg auf.
Überraschend gab 1996 Georgien auf Initiative von Hans-Dietrich Genscher und Eduard Schewardnadse rund 100.000 einst verschleppte Beutebücher an Deutschland zurück. Darunter befanden sich jedoch nur wenige Bücher aus dem Besitz der Leopoldina, die weiterhin 6.902 wertvolle Exemplare vermisst.[8] Am 11. Juli 2008 fanden deutsche Journalisten in Tiflis ein neues "Geheim-Depot" mit weiteren 100.000 Büchern. Darunter fanden sich neben Werken mit Eigentumsstempeln aus Hamburg, Lüneburg, Bremen, Berlin, Boizenburg, Stollberg, Magdeburg, Jena, Leipzig und Dresden auch Exemplare der Leopoldina in Halle.[9]. Diese Bücher sollen im Herbst 2009 an Deutschland zurückgegeben werden.[10]
Organisation
In ihren 15 Statuten war unter anderem festgelegt, dass der Wohnort des jeweiligen Präsidenten immer auch die Geschäftsstelle der Leopoldina sein sollte. Dies wurde erst mit der Einweihung der Bibliothek der Akademie am 23. April 1904 endgültig abgeschafft. Mit diesem Datum wurde auch die Gepflogenheit aufgegeben, sich einen Gesellschaftsnamen zu geben.
Finanziert wird die Einrichtung heute zu 80 Prozent durch den Bund und zu 20 Prozent durch das Land Sachsen-Anhalt.
Zu Mitgliedern werden hervorragende Gelehrte aus aller Welt gewählt. Neben Naturwissenschaftlern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz stammt ein Drittel ihrer Mitglieder aus 27 weiteren Ländern weltweit. Während der Zeit der deutschen Teilung war die Leopoldina die einzige Wissenschaftlerorganisation, die einheitlich weiterbestand.
Nach ihrer Satzung hat die Leopoldina unter anderem folgende Aufgaben: „die Förderung der Forschung in internationaler Zusammenarbeit ihrer Tradition nach zum Wohle der Menschen und der Natur, unter anderem durch Veranstaltung wissenschaftlicher Versammlungen, Veröffentlichung der erarbeiteten Ergebnisse, Unterhaltung eines wissenschaftlichen Archivs und einer wissenschaftlichen Bibliothek, Verleihung von Auszeichnungen und Preisen unter anderem zur Förderung junger Wissenschaftler.“
Die Wahl zum Mitglied in der Leopoldina gilt für Naturwissenschaftler als eine der höchsten Auszeichnungen, die eine deutsche Institution vergibt. Daneben gab und gibt es noch verschiedene Ehrungen, welche die Leopoldina zu vergeben hatte:
- Ehrenmitglied: Dieser Titel wird seit 1922 an Mitglieder mit herausragenden Verdiensten um Wissenschaft und Akademie verliehen.
- Carus-Stiftung: Anlässlich des 50. Dienstjubiläums von Carl Gustav Carus wurde am 2. November 1864 diese mit einem Kapital von 2.000 Talern gegründet. 1896 wurde der erste Preisträger mit dem Carus-Preis ausgezeichnet.
- Carus-Medaille: Durch Krieg und Inflation verlor die Carus-Stiftung ihr Kapital. Mit Wirkung vom 15. Dezember 1937 wurde der Stiftungsauftrag geändert und ab 1938 die Carus-Medaille verliehen. Seit 1961 wird sie durch den Carus-Preis der Stadt Schweinfurt begleitet.
- Schleiden-Medaille: Diese Medaille, die das Bild von Matthias Jakob Schleiden zeigt, wird seit dem 28. April 1955 alle zwei Jahre an Wissenschaftler verliehen, welche sich in der Zellbiologie verdient gemacht haben.
- Mendel-Medaille: Mit Wirkung vom 20. Oktober 1965 wird diese Auszeichnung für Pionierleistungen in der Biologie verliehen. Benannt ist sie nach Gregor Mendel. Eine erstmalige Verleihung fand 1967 statt.
- Darwin-Plakette: Als im Mai 1959 Charles Darwins Werk On the Origin of Species den 100. Geburtstag feierte, beschloss die Leopoldina auf ihrer Jahresversammlung, einmalig 18 Persönlichkeiten zu ehren. Die Wissenschaftler hatten dazu beigetragen, Darwins Ideen weiterzuentwickeln.
- Verdienst-Medaille: Für große Verdienste um das Wohl der Leopoldina wurde 1961 diese Auszeichnung geschaffen und seit 1962 verliehen.
- Cothenius-Medaille für das Lebenswerk
- Leopoldina-Preis für junge Wissenschaftler: Dieser Preis wurde 1993 erstmals verliehen. Mit diesem Preis sind 1000 Euro verbunden, welche aus einer Schenkung von Karl Lohmann stammen. Dieser wird alle zwei Jahre verliehen; an Wissenschaftler, die in Naturwissenschaften, Medizin oder Wissenschaftsgeschichte Herausragendes leisteten und das 30. Lebensjahr noch nicht überschritten haben.
- Georg-Uschmann-Preis für Wissenschaftsgeschichte: Dieser Preis wurde 1997 Eugen Seibold gestiftet und ist mit 2000 Euro dotiert. Alle zwei Jahre wird seit 1999 die Dissertation oder die Habilitation eines Wissenschaftlers der Fächer Wissenschaft-, Medizin- oder Technikgeschichte ausgezeichnet.
- Preis der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina: Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert und wird von der Commerzbank-Stiftung ausgelobt. Zum ersten Mal wurde er 2001 verliehen.
- Ehrensenator der Leopoldina: Auf der Jahresversammlung am 24. April 1993 wurde Hans-Dietrich Genscher wegen seiner außen- und innenpolitischen Verdienste bei der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands dieser Ehrentitel verliehen. Am 7. Dezember 2005 wurde Berthold Beitz diese Auszeichnung in Anerkennung seiner richtungsweisenden erfolgreichen Förderung der Zusammenführung von wissenschaftlich-akademischer Kompetenz auf nationaler und internationaler Ebene ebenfalls zuteil.
- Ehrenförderer: Die Leopoldina ehrt mit diesem Titel Nichtmitglieder, die sich um das Wohl der Akademie entscheidend verdient gemacht haben.
Präsidenten der Akademie
(mit Amtszeit und Akademienamen)
- 1652–1665 Johann Lorenz Bausch – Jason I. (Schweinfurt)
- 1666–1686 Johann Michael Fehr – Argonautoa I. (Schweinfurt)
- 1686–1693 Johann Georg Volckamer – Helianthus I. (Nürnberg)
- 1693–1730 Lukas Schröck – Celsus I. (Augsburg)
- 1730–1735 Johann Jakob Baier – Eugenianus I. (Altdorf bei Nürnberg)
- 1735–1769 Andreas Elias Büchner – Bacchius (Erfurt, Halle)
- 1770–1788 Ferdinand Jakob Baier – Eugenianus II. (Nürnberg)
- 1788–1791 Heinrich Friedrich Delius – Democedes II. (Erlangen)
- 1791–1810 Johann Christian Daniel von Schreber – Theophrastus Eresius IV. (Erlangen)
- 1811–1818 Friedrich von Wendt – Diocles Carystius IV. (Erlangen)
- 1818–1858 Christian Gottfried Daniel Nees von Esenbeck – Aristoteles III. (Erlangen, Bonn, Breslau)
- 1858–1862 Dietrich Georg Kieser – Scheuchzer I. (Jena)
- 1862–1869 Carl Gustav Carus – Cajus II. (Dresden)
- 1870–1878 Wilhelm Friedrich Behn – Marco Polo I. (Dresden)
- 1878–1895 Hermann Knoblauch – Thomas Johann Seebeck (Halle)
- 1895–1906 Karl von Fritsch (Halle)
- 1906–1921 Albert Wangerin
- 1921–1924 August Gutzmer
- 1924–1931 Johannes Walther
- 1932–1950 Emil Abderhalden
- 1952–1953 Otto Schlüter
- 1954–1974 Kurt Mothes
- 1974–1990 Heinz Bethge
- 1990–2003 Benno Parthier
- seit 2003 Volker ter Meulen
Literatur
- Johann Ferdinand Neigebaur: Geschichte der kaiserlichen leopoldino-carolinischen deutschen Akademie der Naturforscher während des zweiten Jahrhunderts ihres Bestehens. Frommann, Jena 1860 (Digitalisat)
- B. Parthier: Die Leopoldina. Bestand und Wandel der ältesten deutschen Akademie. Druck-Zuck, Halle 1994
- B. Parthier, D. von Engelhardt (Hrsg.): 350 Jahre Leopoldina. Anspruch und Wirklichkeit. Festschrift der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina 1652–2002. Druck-Zuck, Halle 2002
- Sven Röbel, Nico Wingert: Das vergessene Geheimnis. In: Der Spiegel. Ausgabe 38/2005, S. 46–50. (Artikel im pdf-Format, 380 KB)
- Volker ter Meulen (Hrsg.): Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina – Geschichte, Struktur, Aufgaben. Druck-Zuck, Halle 2006 (Broschüre im pdf-Format (2 MB))
Siehe auch
- Akademie der Wissenschaften
- Mitglieder der Leopoldina
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b „Leopoldina wird Nationale Akademie“, Pressemitteilung des BMBF, 18. Februar 2008.
- ↑ „„Leopoldina ist älteste Akademie in Europa““ www.heute.de, 14. Juli 2008
- ↑ „Die Leopoldina wird zur Deutschen Akademie der Wissenschaften“, Pressemitteilungen der Leopoldina, 16. November 2007
- ↑ „Leopoldina wird Deutsche Nationalakademie“, Deutschlandradio, 14. Juli 2008
- ↑ Sven Röbel, Nico Wingert: Das vergessene Geheimnis. In: Der Spiegel. Ausgabe 38/2005, S.46–50.
- ↑ Nico Wingert: „Beutekunst verschimmelt im Keller, 2. Teil“, www.stern.de, 13. Juli 2008
- ↑ Nico Wingert: "Die Odyssee der Bücher", www.stern.de, 15.Juli 2008
- ↑ Nico Wingert: "Die Odyssee der Bücher Teil 2", www.stern.de, 15.Juli 2008
- ↑ Nico Wingert: "Beutekunst verschimmelt im Keller", www.stern.de, 13.Juli 2008
- ↑ Nico Wingert: "Beutekunst kehrt zurück", www.stern.de, 18.Dezember 2008
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