Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina

Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina
Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina
Zweck: Nationale Akademie der Wissenschaften
Vorsitz: Jörg Hacker (Präsident)
Gründungsdatum: 1. Januar 1652
Mitgliederzahl: ca 1.400 (Stand 11.1.2011)
Sitz: Halle (Saale), Deutschland
Website: www.leopoldina.org
Leopoldina-Gebäude
Titelblatt der von Andreas Elias Büchner verfassten Gedenkschrift zum 100. Geburtstag der Leopoldina im Jahr 1755

Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften ist mit dem heutigen Rechtsstatus eines eingetragenen Vereins die älteste naturwissenschaftlich-medizinische Gelehrtengesellschaft in Deutschland und die älteste dauerhaft existierende naturforschende Akademie der Welt.

Die später nach Kaiser Leopold I. benannte Einrichtung wurde 1652 als Academia Naturae Curiosorum in Schweinfurt gegründet.[1] Nach einem Beschluss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern aus dem Frühjahr 2008[2] nimmt die Leopoldina seit dem 14. Juli 2008 die Aufgaben der deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften wahr.

Inhaltsverzeichnis

Aufgaben

Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina wurde am 14. Juli 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften ernannt. Rechtsgrundlage war der Beschluss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder vom 18. Februar 2008. Seitdem steht die Leopoldina unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten. Sie ist unabhängig und dem Gemeinwohl verpflichtet. Idee bei der Gründung einer Nationalakademie war die Schaffung einer legitimierten Institution, die unabhängig von wirtschaftlichen oder politischen Interessen wichtige gesellschaftliche Zukunftsthemen wissenschaftlich bearbeitet, die Ergebnisse der Politik und der Öffentlichkeit vermittelt und diese Themen national wie international vertritt.[3]

Finanziert wird die Einrichtung heute zu 80 Prozent durch den Bund und zu 20 Prozent durch das Land Sachsen-Anhalt.

Nach ihrer Satzung hat die Leopoldina unter anderem folgende Aufgaben: „Ihre Aufgabe ist die Förderung der Wissenschaften durch nationale und internationale Zusammenarbeit, ihrer Tradition nach »zum Wohle des Menschen und der Natur«. Zu diesem Zweck führt sie wissenschaftliche Veranstaltungen durch, setzt Kommissionen ein und veröffentlicht die erarbeiteten Ergebnisse. Sie verleiht Auszeichnungen und Preise und fördert junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Mit der Ernennung zur Nationalen Akademie der Wissenschaften übernimmt die Leopoldina offiziell die Vertretung der deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den internationalen Gremien, in denen andere nationale Akademien der Wissenschaften vertreten sind, und sie bringt sich in die wissenschaftsbasierte Beratung von Öffentlichkeit und Politik ein.[…]“[4]

Beratung von Politik und Gesellschaft

Eine zentrale Aufgabe der Nationalen Akademie der Wissenschaften ist die Beratung von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu aktuellen wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Fragen. Ihr Ziel ist es, Stellungnahmen und Empfehlungen für die Bewältigung drängender gesellschaftlicher Herausforderungen abzugeben sowie wichtige Zukunftsfragen aufzuzeigen. Dabei sollen wichtige Entwicklungen, die sich in der Wissenschaft andeuten und möglicherweise künftig gesellschaftliche Bedeutung erlangen, frühzeitig erkannt, analysiert und entsprechend kommentiert werden.

Die Politikberatung führt die Leopoldina gemeinsam mit der Union der Akademien der Wissenschaften, einschließlich der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, sowie der acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften durch. Die Arbeit wird von einem Ständigen Ausschuss unter Federführung der Leopoldina gesteuert.

Internationale Beziehungen

Durch die Kooperation mit Akademien anderer Länder fördert die Leopoldina den internationalen Austausch zu Themen wie Energie, Klimawandel oder Gesundheit. Dies geschieht unter anderem durch gemeinsame Symposien oder Stellungnahmen in der wissenschaftlichen Beratung der G8-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs. Zu diesem Zweck arbeitet die Leopoldina in internationalen Dachorganisationen mit, in denen auch andere nationale Akademien, wie die Royal Society in London, die Académie des Sciences in Paris, die Chinesische Akademie der Wissenschaften oder die National Academies der USA, vertreten sind.

Dies sind beispielsweise:

  • InterAcademy Council (IAC)
  • InterAcademy Panel (IAP)
  • InterAcademy Medical Panel (IAMP)
  • Federation of the European Academies of Medicine (FEAM)
  • Human Rights Committee (HRC)

Bibliothek

Die Bibliothek der Leopoldina wurde 1731 in Nürnberg gegründete und umfasst über 260.000 Bände, Monographien und Zeitschriften aus Naturwissenschaften und Medizin. Sammelschwerpunkte sind Publikationen zur Wissenschaftsgeschichte, insbesondere der Naturwissenschaften und der Medizin, sowie Schriften von wissenschaftlichen Gesellschaften und Vereinen. Die Sammlung entstand vorwiegend durch Tausch der Akademieveröffentlichungen mit Partnern in der ganzen Welt und durch Schenkungen der Akademiemitglieder.[5]

Archiv

Als eines der ältesten Akademie-Archive der Welt verwahrt das Archiv der Leopoldina ca. 1.700 laufende Meter an Unterlagen aus mehr als 350 Jahren. Der Kernbestand des Leopoldina-Archivs umfasst die Matrikel- und Protokollbücher und daneben Lebensläufe, Schriftenverzeichnisse und Porträts der Mitglieder, aber auch Korrespondenzserien und umfangreiches Verwaltungsschriftgut der Akademie. Darüber hinaus bewahrt es etwa 50 Nachlässe von bedeutenden Wissenschaftlern, mehr als 10.000 Fotografien zur Akademie- und Wissenschaftsgeschichte und verschiedene Kunstobjekte (Gemälde, Zeichnungen und Medaillen) auf.

Förderprogramm

Die Leopoldina unterstützt seit 1997 herausragende junge Postdoktoranden im Leopoldina-Förderprogramm mit Postdoc-Stipendien. Diese richten sich an deutsche Wissenschaftler, die im Ausland tätig werden wollen (sowie an Wissenschaftler aus Österreich und aus der Schweiz, die in Deutschland forschen wollen). Das Programm ermöglicht ihnen einen bis zu dreijährigen eigenständigen Forschungsaufenthalt an einer ausländischen (bzw. deutschen) Wissenschaftseinrichtung.

Die Zuerkennung der Stipendien und deren finanzielle Ausstattung orientieren sich an den Richtlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Ehrungen, Medaillen und Preise

Die Leopoldina würdigt herausragende wissenschaftliche Leistungen durch die Vergabe von Ehrungen, Medaillen und Preisen.

  • Ehrenmitglied: Dieser Titel wird seit 1922 an Mitglieder mit herausragenden Verdiensten um Wissenschaft und Akademie verliehen und ist auf wenige Personen beschränkt.
  • Daneben ist die Cothenius-Medaille in Gold, eine Stiftung des königlich-preußischen Hof- und Leibarztes Christian Andreas Cothenius (1708–1789), die bedeutendste Auszeichnung der Leopoldina. Mit ihr wird das herausragende Lebenswerk eines Leopoldina-Mitglieds ausgezeichnet.
  • Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis: Dieser persönliche Wissenschaftspreis des Stifterverbandes gemeinsam mit der Leopoldina in der Kategorie „Wissenschaft und Gesellschaft“ wird an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder Forscherteams vergeben, die einen Beitrag zur wissenschaftlichen Bearbeitung gesellschaftlich wichtiger Problembereiche geleistet haben. Der Preis ist mit 50 000 Euro dotiert und wurde aus Mitteln des Stifterverbandes 2009 erstmals vergeben. Er wird in zweijährlichen Abständen ausgelobt.
  • Leopoldina Early Career Award der Commerzbank-Stiftung: Seit 2010 wird dieser Preis alle zwei Jahre vergeben. Er wird für herausragende Leistungen von Nachwuchswissenschaftlern auf einem in der Leopoldina vertretenen Fachgebiet alternierend zwischen den Klassen der Leopoldina vergeben und ist mit 30 000 Euro dotiert. Der Preis ersetzt den Leopoldina-Forschungspreis – ebenfalls gestiftet von der Commerzbank-Stiftung, der bis 2007 für herausragende Leistungen auf einem in der Leopoldina vertretenen Gebiet vergeben wurde.
  • Carus-Stiftung: Anlässlich des 50. Dienstjubiläums des XIII. Leopoldina-Präsidenten Carl Gustav Carus wurde am 2. November 1864 diese mit einem Kapital von 2.000 Talern gegründet. 1896 wurde der erste Preisträger mit dem Carus-Preis ausgezeichnet. Durch Krieg und Inflation verlor die Carus-Stiftung ihr Kapital. Mit Wirkung vom 15. Dezember 1937 wurde der Stiftungsauftrag geändert und ab 1938 die Carus-Medaille verliehen.
  • Carus-Medaille: Die mit 5000 Euro dotierte Carus-Medaille geht auf eine Stiftung zugunsten des XIII. Leopoldina-Präsidenten Carl Gustav Carus (1789–1869) zurück und ist seit 1961 mit dem von der Leopoldina-Gründungsstadt Schweinfurt gestifteten Carus-Preis verbunden. Beide werden für herausragende naturwissenschaftliche oder medizinische Forschungsleistungen vergeben.
  • Schleiden-Medaille: Diese Medaille, die das Bild von Matthias Jakob Schleiden zeigt, wird seit dem 28. April 1955 alle zwei Jahre für bedeutende Leistungen auf dem Gebiet der Zellforschung verliehen.
  • Mendel-Medaille: Für besondere Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Molekularbiologie und Genetik verleiht die Leopoldina seit 1965 eine dem Begründer der Genetik Gregor Mendel (1822–1884) gewidmete Mendel-Medaille.
  • Darwin-Plakette: Als im Mai 1959 Charles Darwins Werk On the Origin of Species den 100. Geburtstag feierte, beschloss die Leopoldina auf ihrer Jahresversammlung, einmalig 18 Persönlichkeiten zu ehren. Die Wissenschaftler hatten dazu beigetragen, Darwins Ideen weiterzuentwickeln. Zum 150. Geburtstag des Erscheinens von Darwins On the Origin of Species ehrte die Leopoldina zum zweiten Mal einen Evolutionsforscher mit der Darwin-Plakette: 2009 erhielt das Akademiemitglied Svante Pääbo diese Ehrung für neue Erkenntnisse in Evolutionsforschung und Anthropologie.
  • Verdienst-Medaille: Für große Verdienste um das Wohl der Leopoldina wurde 1961 diese Auszeichnung geschaffen und seit 1962 verliehen.
Cothenius-Medaille
verliehen 1971 an Friedrich Hund
  • Cothenius-Medaille für das Lebenswerk
  • Leopoldina-Preis für junge Wissenschaftler: Dieser Preis wurde 1993 erstmals verliehen. Mit diesem Preis sind 2000 Euro verbunden, welche aus einer Schenkung von Karl Lohmann stammen. Dieser wird alle zwei Jahre verliehen; an Wissenschaftler, die in Naturwissenschaften, Medizin oder Wissenschaftsgeschichte Herausragendes leisteten und das 30. Lebensjahr noch nicht überschritten haben.
  • Georg-Uschmann-Preis für Wissenschaftsgeschichte: Dieser Preis wurde 1997 Eugen Seibold gestiftet und ist mit 2000 Euro dotiert. Alle zwei Jahre wird seit 1999 die Dissertation oder die Habilitation eines Wissenschaftlers der Fächer Wissenschaft-, Medizin- oder Technikgeschichte ausgezeichnet.
  • Preis der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina: Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert und wird von der Commerzbank-Stiftung ausgelobt. Zum ersten Mal wurde er 2001 verliehen.
  • Ehrensenator der Leopoldina: Auf der Jahresversammlung am 24. April 1993 wurde Hans-Dietrich Genscher wegen seiner außen- und innenpolitischen Verdienste bei der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands dieser Ehrentitel verliehen. Am 7. Dezember 2005 wurde Berthold Beitz diese Auszeichnung in Anerkennung seiner richtungsweisenden erfolgreichen Förderung der Zusammenführung von wissenschaftlich-akademischer Kompetenz auf nationaler und internationaler Ebene ebenfalls zuteil.
  • Ehrenförderer: Die Leopoldina ehrt mit diesem Titel Nichtmitglieder, die sich um das Wohl der Akademie entscheidend verdient gemacht haben.

Öffentliche Veranstaltungen

Um die interdisziplinäre Diskussion zwischen Wissenschaftlern zu fördern und ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse zu verbreiten, führt die Leopoldina gemeinsam mit Universitäten, Forschungsinstituten und anderen Akademien Symposien und Meetings durch. An die breite Öffentlichkeit richten sich die Leopoldina-Lectures und die Leopoldina-Gespräche.

Wissenschaftliche Publikationen

Die Leopoldina macht ihre wissenschaftlichen Diskussionen der Öffentlichkeit zugänglich. Die Zeitschrift „Nova Acta Leopoldina“ spiegelt dabei das Spektrum der Vorträge, Meetings und Symposien der Akademie wider. Sie bildet die Fortsetzung der ersten medizinisch-naturwissenschaftlichen Zeitschrift der Welt und geht auf das Jahr 1670 zurück. Die Zeitschrift „Acta Historica Leopoldina“ widmet sich der Wissenschaftsgeschichte, insbesondere der Akademiegeschichte. Das seit 1990 erscheinende Jahrbuch der Akademie dokumentiert die Aktivitäten der Leopoldina des jeweiligen Kalenderjahres. Die historisch-kritische LA-Ausgabe „Goethe. Die Schriften zur Naturwissenschaft“ ist ein Akademienvorhaben der Leopoldina. Die Edition enthält sämtliche Texte Goethes zur Naturforschung und zeigt die Verbindungen auf, die zwischen diesen und dem literarischen Werk sowie den geistigen und wissenschaftlichen Strömungen seiner Zeit bestehen. Bisher sind 11 Text- und 13 Erläuterungsbände erschienen.

Junge Akademie

Gemeinsam mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften gründete die Leopoldina im Juni 2000 die Junge Akademie. Ihre Mitgliederzahl ist auf maximal 50 begrenzt. Zu Mitgliedern für fünf Jahre werden herausragende Vertreter aus dem promovierten wissenschaftlichen Nachwuchs gewählt. Die Junge Akademie hat vorrangig die Aufgaben, den insbesondere interdisziplinär ausgerichteten wissenschaftlichen Diskurs unter herausragenden Nachwuchswissenschaftlern zu pflegen und Initiativen an den Schnittstellen von Wissenschaft und Gesellschaft zu fördern.

Arbeitsfelder

Die Mitglieder der Leopoldina engagieren sich in Akademien- und Themengruppen. Eine Auswahl der Themen der Leopoldina:

  • Biodiversität
  • Demographie
  • Energie
  • Gentechnik
  • Gesundheit
  • Innovation und Technik
  • Klima
  • Schutz von Versuchstieren
  • Stammzellen
  • Synthetische Biologie

Organisation

Die Leopoldina wird durch drei Organe repräsentiert: die Mitgliederversammlung, das Präsidium und den Senat. Die Geschäftsstelle der Akademie befindet sich in Halle; das Hauptstadtbüro der Akademie in der Reinhardtstraße in Berlin.

Die Akademie ist als gemeinnützig tätiger eingetragener Verein organisiert und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (80 %) und dem Sitzland Sachsen-Anhalt (20 %) finanziert.

Struktur, Aufbau und Organe

Die Leopoldina ist eine übernationale Wissenschaftlervereinigung. Mehr als ein Viertel der Mitglieder kommt aus dem Ausland. Die Mitglieder werden auf Vorschlag von Akademiemitgliedern in einem mehrstufigen Auswahlverfahren durch das Präsidium in die Akademie gewählt. Jedes Mitglied gehört entsprechend seiner wissenschaftlichen Disziplin einer Sektion an. Jede Sektion wählt aus ihrer Mitte einen Vertreter für den Senat. Der Senat, dem weitere Persönlichkeiten aus Wissenschaftsorganisationen und der Öffentlichkeit angehören, wählt die Mitglieder des Präsidiums, prüft die Rechenschaftsberichte und bestimmt die Wissenschaftsstrategie der Akademie. Den Vorstand im Sinne des Gesetzes bilden der Präsident und vier Vizepräsidenten. Das durch weitere Mitglieder ergänzte Präsidium verantwortet die Aktivitäten der Leopoldina.

Das Präsidium

Die Akademie wird durch ein Präsidium geleitet. Die Mitglieder des Präsidiums werden vom Senat gewählt. Ihre Amtzeit beträgt fünf Jahre, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Das Präsidium trifft sich in der Regel einmal im Monat und bereitet alle wichtigen Entscheidungen der Akademie vor.

Mitglieder, Sektionen und Klassen

Seit ihrer Gründung förderte die Leopoldina zahlreiche Wissenschaftler, darunter allein 170 Nobelpreisträger wie Marie Curie und Albert Einstein. Die Wahl zum Mitglied in der Leopoldina gilt als eine der höchsten wissenschaftlichen Auszeichnungen, die eine deutsche Institution vergibt. Die Zahl der Mitglieder unter 75 Jahren ist auf 1000 begrenzt. Zu Mitgliedern werden hervorragende Gelehrte aus aller Welt gewählt. Neben Naturwissenschaftlern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz stammt ein Drittel ihrer Mitglieder aus 27 weiteren Ländern weltweit. Mit den gegenwärtig rund 1.400 Mitgliedern (Stand Februar 2011) in mehr als 30 Ländern ist die Leopoldina die mitgliederstärkste Akademie in Deutschland. Die Mitglieder sind in Fachsektionen organisiert, die wiederum vier Klassen zugeordnet sind. Die im Jahr 2009 neu eingeführten Klassen sollen die Mitglieder stärker als zuvor in die Erarbeitung von Stellungnahmen und Empfehlungen einbinden und den interdisziplinären Austausch verstärken. Die Klassen haben ihre Schwerpunkte in den Naturwissenschaften, den Lebenswissenschaften, der Medizin und den Verhaltens-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Sie bilden außerdem die Plattform für den internationalen Austausch und für die Wahl neuer Mitglieder.

Geschichte

Von der Gründung bis Sesshaftwerdung in Halle

Die Leopoldina wurde am 1. Januar 1652 in der Freien Reichsstadt Schweinfurt, im Zwinger des Brückentores, von den Ärzten Johann Lorenz Bausch, Johann Michael Fehr, Georg Balthasar Metzger und Georg Balthasar Wohlfahrt (1607–1674) als private Gesellschaft Academia Naturae Curiosorum gegründet. Sie hatten die Vertiefung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und die Verbesserung der Kommunikation zwischen den Naturforschern jener Zeit zum Ziel. Ähnliche Gelehrtengesellschaften entstanden in Italien (Accademia Nazionale dei Lincei, 1603), England (Royal Society, 1660) und Frankreich (Académie des sciences, 1666). Die Leopoldina ist die älteste naturwissenschaftlich-medizinische Akademie; später öffnete sie sich auch für die empirischen Geistes-, Sozial-und Verhaltenswissenschaft. „Nunquam otiosus“ = „Niemals müßig“ ist ihr Wahlspruch.

1677 wurde die unabhängige Akademie von Kaiser Leopold I., der bekannt für sein lebhaftes Interesse an Künsten und Wissenschaften seiner Zeit war, offiziell bestätigt und am 7. August 1687 per Dekret mit Privilegien einer Reichsakademie ausgestattet. Seitdem trägt sie die Bezeichnung Sacri Romani Imperii Academia Caesareo-Leopoldina Naturae Curiosorum, von der sich die heutige Kurzform Leopoldina ableitet. Durch Kaiser Karl VI. (1712) und Kaiser Karl VII. (1742) wurde der Name in Sacri Romani Imperii Academia Caesarea Leopoldino-Carolina Naturae Curiosorum bzw. in Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinische Deutsche Akademie der Naturwissenschaftler geändert.

Seit 1878 hat die Akademie, aufgrund einer Initiative des damaligen Präsidenten Hermann Knoblauch, ihren Sitz in Halle an der Saale. Zuvor war der Sitz durch den Wohnort des jeweiligen Präsidenten bestimmt, somit befand sich die Leopoldina während der ersten 200 Jahre in Nürnberg, Augsburg, Altdorf, Erfurt, Halle und Bonn, dann Halle an der Saale, wo sie fortan blieb. Ausschlaggebend für Halle war auch das Renommee der Martin-Luther-Universität.

In den 15 Statuten der Leopoldina war unter anderem festgelegt, dass der Wohnort des jeweiligen Präsidenten immer auch die Geschäftsstelle der Akademie sein sollte. Dies wurde erst mit der Einweihung der Bibliothek der Akademie am 23. April 1904 endgültig abgeschafft. Mit diesem Datum wurde auch die Gepflogenheit aufgegeben, sich einen Gesellschaftsnamen zu geben.

Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg

Siehe auch Akademien der Wissenschaften in der NS-Zeit

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme von 1933 setzte die Akademieleitung unter Emil Abderhalden die verbrecherische Rassenideologie der neuen Regierung konsequent um und strich zahlreiche jüdische Akademieangehörige von der Mitgliederliste. Albert Einstein wurde bereits Anfang 1933 ausgeschlossen, über 70 folgten. Auch der nichtjüdische Pädiater Ernst Freudenberg wurde gestrichen, da er sich nicht von seiner jüdischen Ehefrau trennen wollte. Im November 1938, zwei Wochen nach der Reichspogromnacht, beschloss der Vorstand unter Abderhalden, „den Rest der jüdischen Mitglieder auszumerzen“. Dem örtlichen Gauleiter meldete er dann, dass die Leopoldina judenfrei sei. Neun Mitglieder der Leopoldina verloren durch die NS-Gewaltherrschaft ihr Leben:

Mit Ausnahme von Wachholz waren alle jüdischer Herkunft.[6]

1939 veröffentlichte Abderhalden in der Akademiepublikation Nova Acta Leopoldina einen Beitrag zur Rasse und Vererbung vom Standpunkt der Feinstruktur von blut- und zelleigenen Eiweißstoffen aus betrachtet, in dem er unter anderem behauptete, dass die Eiweißstoffe des Gewebes und Blutes Rassenmerkmale enthielten, sodass „die einzelnen Rassen … scharf unterschieden werden können“.[7]

1943 lagerte die Leopoldina ihre wertvollen Bibliotheksbestände zum Schutz vor Bombenangriffen in ein stillgelegtes Salzbergwerk in Wansleben am See aus[8] – über 20.000 Bände, darunter einzigartige Handschriften, Goethe-Briefe, wissenschaftliche Tagebücher und mehrere Privatarchive von Gelehrten.[9] Die Benutzung erfolgte nur noch stark eingeschränkt, weil die SS im Juni 1944 dort ein Außenlager des KZ Buchenwald zur unterirdischen Rüstungsproduktion errichtete.

Sowjetische Besatzung und Deutsche Demokratische Republik

Bei Kriegsende wurde die wertvolle Bibliothek in die Sowjetunion verbracht. Sowjetgeneral Kotikow kündigte deren Rückgabe anlässlich der Wiedereröffnung der Universität Halle am 1. Februar 1946 an[10], doch erst 1958 kam ein Teil (rund 12.000 Bücher) zurück, ein Großteil der wertvollsten Bücher blieb verschwunden, darunter Schriften von Avicenna, Giordano Bruno oder Johannes Kepler. In den 1980er Jahren tauchten vereinzelt Exemplare in Auktionshäusern in New York, England und Hamburg auf.

Zugleich wurde um die Wiederzulassung der auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone bzw. DDR formal weiterbestehenden Akademie gerungen. Die von anderer Seite geforderte Anbindung an die staatliche Akademie der Wissenschaften der DDR (damals „Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin“) konnte verhindert werden; die Leopoldina blieb als gesamtdeutsche Vereinigung bestehen.

Nach der Wiedervereinigung: Ernennung zur Nationalen Akademie der Wissenschaften

Seit 1991 hat die Leopoldina den privatrechtlichen Status eines eingetragenen Vereins

Unter den 1996 von Georgien zurückgegebenen 100.000 Beutebüchern befanden sich auch einige aus dem Besitz der Leopoldina, die aber noch 6.902 Exemplare vermisst.[11] Am 11. Juli 2008 fanden deutsche Journalisten in Tiflis weitere 100.000 Bücher, darunter auch Exemplare der Leopoldina.[12] Diese sollten im Herbst 2009 zurückgegeben werden.[13]

2008 wurde die Leopoldina zur Nationalen Akademie der Wissenschaft erhoben. Als solche soll sie die Zusammenarbeit von Politik und Wissenschaft fördern und dabei je nach Themenbereich vor allem mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) zusammenarbeiten.[2] Die Leopoldina ist Mitglied in der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen.

Benno Parthier hatte sich als Präsident der Leopoldina, für diese zwar wiederholt für die Verstrickungen von Mitgliedern der Akademie „in das inhumane Vernichtungswerk des nationalsozialistischen Regimes“ entschuldigt,[14] Akademiepräsident Volker ter Meulen weihte am 1. Oktober 2009 eine Gedenkstele für die NS-Opfer der Leopoldina in Anwesenheit des Landesrabbiners Flonemann ein und legte in seiner Ansprache dabei auch das Ausmaß von Abderhaldens Mittäterschaft offen.[6]

Das Logenhaus Zu den drei Degen im Januar 2011

Am 22. September 2009 erwarb die Leopoldina das ehemalige Logenhaus Zu den drei Degen, das bis Ende 2011 saniert und danach als Hauptsitz genutzt werden soll. Am 9. November 2010 fand die Grundsteinlegung statt. Seit Juli 2009 ist die Leopoldina mit einem Hauptstadtbüro in der Reinhardtstraße in Berlin vertreten.

Am 1. Oktober 2009 wählte der Senat der Leopoldina Jörg Hacker in geheimer Abstimmung zum hauptamtlichen Präsidenten. Am 26. Februar 2010 wurde ihm feierlich das Amt übergeben, das er zum 1. März 2010 antrat.

Bisherige Präsidenten der Akademie

(mit Amtszeit und Akademienamen)

Berühmte Mitglieder der Leopoldina

Berühmte Mitglieder der Leopoldina waren unter vielen anderen:

Literatur

  • Johann Ferdinand Neigebaur: Geschichte der kaiserlichen leopoldino-carolinischen deutschen Akademie der Naturforscher während des zweiten Jahrhunderts ihres Bestehens. Frommann, Jena 1860 (Digitalisat)
  • B. Parthier: Die Leopoldina. Bestand und Wandel der ältesten deutschen Akademie. Druck-Zuck, Halle 1994
  • B. Parthier, D. von Engelhardt (Hrsg.): 350 Jahre Leopoldina. Anspruch und Wirklichkeit. Festschrift der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina 1652–2002. Druck-Zuck, Halle 2002
  • Sven Röbel, Nico Wingert: Das vergessene Geheimnis. In: Der Spiegel. Ausgabe 38/2005, S. 46–50. (Artikel im pdf-Format, 380 KB)
  • Volker ter Meulen (Hrsg.): Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina – Geschichte, Struktur, Aufgaben. Druck-Zuck, Halle 2006 (Broschüre im pdf-Format (2 MB))
  • Georg Uschmann: Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina 1652–1977, Halle an der Saale, Die Akademie, 1977, Acta historica Leopoldina, Supplementum, 1
  • Georg Uschmann: Das kasierliche Privileg der Leopoldina vom 7. August 1687, Acta historica Leopoldina, Nr. 17, Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, Halle an der Saale, 1987
  • Leopoldina: Ein Rundgang durch die Deutsche Akademie der Naturforscher – Nationale Akademie der Wissenschaften, Halle 2001 (PDF)
  • Sybille Gerstengarbe, Heidrun Hallmann, Wieland Berg: Die Leopoldina im Dritten Reich. In: Christoph J. Scriba (Hg.), Die Elite der Nation im Dritten Reich. Das Verhältnis von Akademien und ihrem wissenschaftlichen Umfeld zum Nationalsozialismus (Acta historica Leopoldina; 22). Halle/Saale 1995, S. 167–212.
  • Michael Kaasch und Jochim Kaasch: „Für das Leben der Akademie ist ihr Zentrum hier im engeren mitteldeutschen Raum von größter Bedeutung“ - Die Leopoldina und ihre Mitglieder in Halle, Jena und Leipzig von 1945 bis 1961. In: Uwe Hoßfeld, Tobias Kaiser, Heinz Mestrup (Hg.), Hochschule im Sozialismus: Studien zur Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena (1945–1990) Bd.1, Köln 2007, S. 762-806 ([1])

Siehe auch

  • Mitglieder der Leopoldina

Weblinks

 Commons: Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Werner E. Gerabek: Enzyklopädie Medizingeschichte, S.23 online bei Google Bücher
  2. a b „Leopoldina wird Nationale Akademie“, Pressemitteilung des BMBF, 18. Februar 2008.
  3. Jörg Hacker (Hrg.): Ein Rundgang durch die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften
  4. Satzung der Leopoldina
  5. Jörg Hacker (Hrg.): Ein Rundgang durch die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften
  6. a b Leopoldina-Präsident Volker ter Meulen, Rede bei der Einweihung der Gedenkstele am 1. Oktober 2009
  7. Andreas Frewer: Medizin und Moral in Weimarer Republik und Nationalsozialismus. Die Zeitschrift »Ethik« unter Emil Abderhalden. Campus, Frankfurt am Main 2000, ISBN 978-3-593-3658-2-4, S. 192 (Google bücher).
  8. Sven Röbel, Nico Wingert: Das vergessene Geheimnis. In: Der Spiegel. Ausgabe 38/2005, S.46–50.
  9. Nico Wingert: „Beutekunst verschimmelt im Keller, 2. Teil“, www.stern.de, 13. Juli 2008
  10. Nico Wingert: „Die Odyssee der Bücher“, www.stern.de, 15.Juli 2008
  11. Nico Wingert: „Die Odyssee der Bücher Teil 2“, www.stern.de, 15.Juli 2008
  12. Nico Wingert: „Beutekunst verschimmelt im Keller“, www.stern.de, 13.Juli 2008
  13. Nico Wingert: „Beutekunst kehrt zurück“, www.stern.de, 18. Dezember 2008
  14. Broschüre der Leopoldina zu Geschichte, Struktur und Aufgaben (2007), abgerufen am 13. Januar 2008

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