Schweizer Bahnhofsuhr

Schweizer Bahnhofsuhr
Schweizer Bahnhofsuhr
Sekundenstop und Minutensprung
Werk einer Schweizer Bahnhofsuhr, hergestellt von Mobatime, Modell 1947 bis 1959

Die Schweizer Bahnhofsuhr wurde 1944 vom Schweizer Ingenieur und Gestalter Hans Hilfiker für die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) entworfen. Sie zeichnet sich durch ein sehr klares, reduziertes Design mit schwarzen Skalenstrichen auf weissem Grund und balkenförmige, schwarze Stunden- und Minutenzeiger aus. Ziffern fehlen. Dieses auch aus grösserer Entfernung leicht ablesbare Layout wurde international zum Vorbild für Bahnhofsuhren.

Später ergänzte Hilfiker in Zusammenarbeit mit dem Hersteller Mobatime die Uhr um einen roten Sekundenzeiger in einer an eine Schaffnerkelle erinnernden Form aus dünnem Stab mit einer runden Scheibe am Ende. Anders als sonst bei Uhren üblich, bewegt er sich nicht sekundenweise springend, sondern kontinuierlich mit einer kleinen Pause zu jeder vollen Minute. Dieser Zeiger «bringt Ruhe in die letzte Minute und erleichtert die pünktliche Zugsabfertigung.» (Hilfiker[1]) Auch diese Ergänzung wurde von anderen Bahngesellschaften nachgeahmt.

Das Motiv der Schweizer Bahnhofuhr wurde auf der 85-Rappen-Marke der Briefmarkenserie „Designklassiker der Schweiz“ abgebildet.[2]

Inhaltsverzeichnis

Der Sekunden-Stopp

Technische Lösung

Die ungewöhnliche Pause des Sekundenzeigers hatte technische Gründe. Der Aufwand für einen von der Mutteruhr zu den Nebenuhren zusätzlich zu leitenden Sekundenimpuls sollte vermieden werden. Außerdem hätte das häufige Springen eines Sekundenzeigers solcher Grösse die Lebensdauer der Uhr beeinträchtigt. Daher wurde für dessen Antrieb ein mit Ortswechselstrom betriebener, kontinuierlich drehender Synchronmotor gewählt. Um Frequenzschwankungen zu begegnen, wurde der Antrieb so ausgelegt, dass der Zeiger bei garantierter minimaler Netz-Frequenz von etwa 48,5 Hertz eine volle Umdrehung absolviert. Der Start zu seiner nächsten Umdrehung erfolgt mit dem Minutenimpuls: «Oben angekommen wird er angehalten, bis ihn der folgende Minutenimpuls, der den grossen Zeiger vorwärtswirft, gleichzeitig für seine nächste Umdrehung wieder freigibt.» (Hilfiker[3]) Diese relativ grosse Pause (fast zwei Sekunden bei Nennfrequenz) könnte bei der inzwischen erreichten hohen Genauigkeit des 50-Hertz-Wechselstrom-Netzes verkleinert werden, ist aber bei den Schweizer Bahnhofsuhren bis heute nicht verändert worden.[4]

Das Anhalten des Sekundenzeigers ist durch Abschalten des Synchronmotors möglich.[5] Der Hersteller Mobatime wählte von Anfang an (1947) eine mechanische Lösung. In die Nut am Umfang einer Scheibe rastet ein Stift ein, der vom Magnet, der auch den Minutenzeiger minütlich bewegt, kurzzeitig herausgezogen wird. Durch das Einrasten ist gewährleistet, dass der Sekundenzeiger eine sichere Ruhelage bekommt. Der Synchronmotor dreht permanent. Während des Sekundenstopps tritt Rutschen in einer im Antriebsstrang befindlichen Reibungskupplung auf.

Literarische Vorwegnahme

„Er konnte sitzen, seine Uhr in der Hand, […] und niederblicken auf ihre […] Porzellankreisfläche, auf der […] der dünne Sekundenzeiger den geschäftig pickenden Gang um seine kleine Sphäre tat. […] Das Weiserchen tippelte seines Weges ohne der Ziffern zu achten, die es erreichte, berührte, überschritt, zurückließ, weit zurückließ, wieder anging und wieder erreichte. Es war gefühllos gegen Ziele, Abschnitte, Markierungen. Es hätte auf 60 einen Augenblick anhalten oder wenigstens sonst ein winziges Zeichen geben sollen, dass hier etwas vollendet sei.“

Thomas Mann: Der Zauberberg (1923), Siebentes Kapitel, Strandspaziergang

Siehe auch

Literatur

  • Museum für Gestaltung Zürich: Hans Hilfiker, Ingenieur und Gestalter. Reihe Schweizer Design-Pioniere 1, Wegleitung 351, Museum für Gestaltung Zürich, Zürich 1984.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hans Hilfiker in Hans Hilfiker, Ingenieur und Gestalter, Reihe Schweizer Design-Pioniere 1, Museum für Gestaltung Zürich, 1984, Seite 31, letzter Absatz
  2. Schweizerische Post: Presseerklärung vom 1. Dezember 2003 [1], abgerufen am 7. Mai 2011
  3. Hans Hilfiker in Hans Hilfiker, Ingenieur und Gestalter, Reihe Schweizer Design-Pioniere 1, Museum für Gestaltung Zürich, 1984, Seite 31, rechte Spalte, 2. Absatz
  4. Eine kleine Pause ist bei diesem Prinzip grundsätzlich nicht vermeidbar. Vor jedem Start muss es immer einen Stopp geben.
  5. Beschreibung der Aufgabe und Angabe einer elektrischen Lösung in einer Österreichischen Patentschrift [2]

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