Schwerezentrum

Schwerezentrum
Erde und Mond kreisen um ihren gemeinsamen Schwerpunkt.

Mit Baryzentrum (griechisch „Schwerezentrum“) bezeichnet man in der Himmelsmechanik den Massen-Schwerpunkt eines Systems von zwei oder mehreren Himmelskörpern. Es ist der Ruhepunkt des Systems, um den die Körper sich bewegen (z. B. das Erde-Mond-System) und mit dem das System an der Bewegung in einem größeren System teilnimmt (z. B. Erde und Mond auf ihrer Bahn um die Sonne).

Inhaltsverzeichnis

Baryzentrum und Gravitationsfeld

Das Gravitationsfeld, das von den beiden (oder mehreren) Massen ausgeht, ist nicht kugelsymmetrisch auf das gemeinsame Baryzentrum ausgerichtet, da es nicht dem Schwerpunkt folgt, sondern von „nahen Massen“ dominiert wird. Daher ist das Gravitationsfeld im Nahbereich jedes Himmelskörpers auf dessen eigenes Zentrum, und nicht auf das Baryzentrum, ausgerichtet.

Baryzentrum im Zweikörpersystem

In einem Zweikörpersystem liegt das Baryzentrum auf der Verbindungsachse zwischen den beiden Körperschwerpunkten. Die Entfernung vom Schwerpunkt des Körpers 1 berechnet sich nach der Formel

r_1 = r_{\rm tot} {m_2 \over m_1 + m_2}

Die Variablen sind:

r1 — die Entfernung des Baryzentrums vom Schwerpunkt des Körpers 1
rtot — die Entfernung der beiden Körperschwerpunkte voneinander
m1 und m2 — die Massen der beiden Körper.

Baryzentrum von Erde und Mond

Das Erde-Mond-Baryzentrum liegt 4331 bis 4942 km (im Mittel: 4671 km) außerhalb des Geozentrums, also noch innerhalb der Erde in rund 1700 km Tiefe. Der Mittelwert ergibt sich aus der durchschnittlichen Mondentfernung (384.000 km) geteilt durch 82, weil die Erdmasse 81 mal so groß ist wie die Mondmasse (obige Formel mit m1 = 81 und m2 = 1).

Jeden Monat beschreibt also nicht nur der Mond eine Ellipsenbahn, sondern auch die Erde eine 81-mal kleinere. Deshalb läuft sie nicht exakt in der Ekliptik, sondern kann um bis zu 0,8" von ihr abweichen (siehe ekliptikale Breite).

Baryzentrum von Charon und Pluto

Das Baryzentrum des Pluto-Charon Systems liegt durch den geringen Masseunterschied von ca. 8/1 ca. 1200 km über Plutos Oberfläche. Dieses wird deshalb nicht nur von Charon, sondern auch von Pluto umkreist.

Baryzentrum des Sonnensystems

Das Baryzentrum des Sonnensystems hat eine noch größere Bedeutung, weil es das Bezugssystem aller Planeten-Bahnen definiert, das baryzentrische ekliptikale Koordinatensystem. Das Baryzentrum liegt meistens knapp außerhalb der Sonne und hängt vor allem von der Stellung des Jupiter und des Saturn ab. Die beiden Riesenplaneten besitzen 0,10 bzw. 0,03 Prozent der Sonnenmasse, sodass sie das Baryzentrum um dieses Maß ihrer Bahnachsen beeinflussen (um ca. 740.000 und 410.000 km). Da der Sonnenradius 696.000 km beträgt, kann das Baryzentrum langperiodisch inner- und außerhalb der Sonnenoberfläche liegen; letzteres ist häufiger.

Dieser Schwerpunkt des Sonnensystems ist für die „Temps atomique barymetrique“ (TAB) von Bedeutung, die gemeinsame Atomzeitskala für alle Planeten.

Wenn Jupiter und Saturn in einer Linie stehen, kommt das Baryzentrum um fast 2 Sonnenradien außerhalb der Sonnenmitte zu liegen. Dies kommt etwa alle 20 Jahre vor (siehe auch „Große Konjunktion“). Etwa zehnmal im Jahrtausend versammeln sich sogar alle Planeten von Merkur bis Neptun im selben Quadranten des Sonnensystems, also einem 90°-Sektor – was zuletzt 1817 geschah. Im März 1982 standen die 9 Planeten innerhalb 95 Winkelgraden, weshalb viele Astrologen düstere Prognosen stellten; man las sogar vereinzelt, die Anziehungskräfte der Planeten könnten das Sonnensystem auseinander reißen.

1990 zog das Sonnenzentrum fast exakt durch den Schwerpunkt, 1997 war es dagegen zwei Sonnenradien davon entfernt. Im Mai 2000 wiederum standen die fünf schon im Altertum bekannten Planeten auf der erdabgewandten Sonnenseite.

Doppelsterne und Exoplaneten

Simulation eines Doppelsterns. Beide Sterne umkreisen das gemeinsame Baryzentrum auf elliptischen Bahnen.

Das Baryzentrum von Doppelsternen liegt bei gleichen Massen genau in der Mitte der zwei Sterne und wird auf gleichgroßen Ellipsen umrundet. Bei unterschiedlichen Massen bewegt sich der massivere Stern auf einer entsprechend kleineren Ellipse.

Mit präzisen Methoden der Astrometrie können auch sehr kleine, im Fernrohr unsichtbare Begleiter an winzigen periodischen Bewegungen des Hauptkörpers erkannt werden – etwa in den letzten Jahren bei zahllosen Exoplaneten von Jupitergröße. Der erste derartige Erfolg war 1844 die Entdeckung von Sirius B – ein weißer Zwergstern, der von Sirius, dem hellsten Stern des Himmels um das 10.000-fache überstrahlt wird. Erst 18 Jahre nach Friedrich Wilhelm Bessels Berechnung konnte das Sternchen in 8" Winkelabstand auch wirklich gesehen werden.

Der Schwerpunkt unserer Milchstraße liegt in Richtung zum Sternbild Schütze und wird galaktisches Zentrum genannt. Es wird zwar von allen Sternen der Galaxis umkreist, aber nicht genau auf Keplerbahnen, weil die Massenverteilung der Milchstraße nicht – wie im Sonnensystem – von einer Stelle dominiert wird.

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