Seelenbinder

Seelenbinder

Werner Seelenbinder (* 2. August 1904 in Stettin; † 24. Oktober 1944 in Brandenburg an der Havel) war ein deutscher Ringer und Kommunist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Werner Seelenbinder auf einer Briefmarke der DDR

Werner Seelenbinder stand politisch der KPD nahe; bei der Spartakiade 1928 in Moskau gewann er als einziger deutscher Arbeitersportler seinen Wettbewerb. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und deren Zerschlagung der Arbeitersportvereine 1933 trat er der Sportvereinigung Ost Berlin bei, arbeitete bis 1939 bei der AEG, engagierte sich heimlich in der Roten Hilfe und wurde 1933 von der KPD-Organisation seines Berliner Heimatbezirks Neukölln beauftragt, sich sportlich für internationale Wettkämpfe zu qualifizieren und die dadurch möglichen Auslandskontakte für die kommunistische Untergrundarbeit zu nutzen.

1933 gewann er den ersten von insgesamt sechs Titeln als Deutscher Meister im Ringen des Halbschwergewichts und wurde kurz darauf erstmals auch von der Gestapo verhört.

Als Seelenbinder 1936 die Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele in Berlin gelang, hatte er vor, als Zeichen des Protests bei der Siegerehrung den erwarteten Hitlergruß zu verweigern. Nach zwei Niederlagen belegte Seelenbinder jedoch nur Platz 4 im olympischen Wettkampf, so dass die beabsichtigte politische Geste nicht zur Ausführung gelangte.

1937 und 1938 wurde er bei den Ringer-Europameisterschaften jeweils Dritter in seiner Gewichtsklasse und nutzte seine Sportreisen dazu, Informations- und Propagandamaterial nach Deutschland zu bringen. In jener Zeit intensivierte Seelenbinder seinen Kontakt zu den Mitgliedern der kommunistischen Widerstandsgruppe um Robert Uhrig; als diese Gruppe zerschlagen wurde, nahm man auch Seelenbinder am 4. Februar 1942 fest. Nach über zwei Jahren Haft (unter anderem in Landsberg an der Warthe) wurde er vom Volksgerichtshof in Potsdam zum Tode verurteilt und am 24. Oktober 1944 im Zuchthaus Brandenburg enthauptet.

Unter diesem Datum ist Seelenbinders folgender Abschiedsbrief überliefert:
Die Stunde des Abschieds ist nun für mich gekommen. Ich habe in der Zeit meiner Haft wohl alles durchgemacht, was ein Mensch so durchmachen kann. Krankheit und körperliche und seelische Qualen, nichts ist mir erspart geblieben. Ich hätte gerne gemeinsam mit Euch, mit meinen Freunden und Sportkameraden, die Köstlichkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens, die ich jetzt doppelt zu schätzen weiß, nach dem Krieg mit Euch erlebt. Es waren schöne Stunden, die ich mit Euch verlebt habe, und ich habe in meiner Haftzeit davon gezehrt und mir diese herrliche Zeit zurück gewünscht. Das Schicksal hat es nun leider nach langer Leidenszeit anders bestimmt. Ich weiß aber, daß ich in den Herzen von Euch und auch bei vielen Sportanhängern einen Platz gefunden habe, den ich immer darin behaupten werde. Dieses Bewußtsein macht mich stolz und stark und wird mich in letzter Stunde nicht schwach sehen.

Sportlicher Werdegang

Berliner Gedenktafel am Haus Thomasstraße 39, in Berlin-Neukölln
Gedenkstätte im Sportpark Berlin-Neukölln an der Oderstraße

Werner Seelenbinder begann 1917 beim Athletenclub „Eiche“ Berlin mit dem Ringen und Gewichtheben. Später startete er beim Sportclub „Berolina“ Neukölln und konzentrierte sich auf das Ringen. Diese Vereine gehörten dem Deutschen Arbeiter-Athleten-Bund an. Zwischen 1918 und 1932 wurde er vielfacher Berliner Meister der Arbeiterringer vom Federgewicht bis zum Halbschwergewicht.

Im Einzelnen sind folgende Erfolge und Wettkämpfe bekannt:

  • 1925, 1. Platz bei der Arbeiter-Olympiade in Wien im Ringen, griechisch-römischen Stil (GR), Halbschwergewicht (Hs)
  • 1926, Sieger in einem Ländervergleichskampf der deutschen Arbeiterringer gegen die Sowjetunion in Berlin im GR, Hs
  • 1926, 1. Platz beim internationalen Ringerturnier anlässlich des Arbeiter- Turn- und Sportfestes in Berlin, GR, Mittelgewicht (Mi)
  • 1927, Teilnahme an einer Wettkampfreise einer Mannschaft des Arbeiter-Athleten-Bundes in die Sowjetunion. Einzelne Ergebnisse sind nicht bekannt
  • 1927, 3. Platz, Turnier des finnischen Arbeiter-Sportverbandes TUL in Helsinki, GR, Hs, hinter Juha Juhola u. Timo Aalto, bde. Finnland u. vor Viljo Lindquist, Paavo Oksa u. H. Rönkas, alle Finnland
  • 1928, 1. Platz bei der internationalen Arbeiter-Spartakiade in Moskau, GR, Hs (kam einer Weltmeisterschaft der Arbeiterringer gleich)
  • 1930, 1. Platz beim internationalen Turnier der Arbeiterringer in Moskau, GR, Hs
  • 1931, 2. Platz, Weltmeisterschaft der Arbeiterringer in Oslo, GR, Hs

1933 erfolgte die Zwangseingliederung der Ringer des Arbeiter-Athleten-Bundes in den Deutschen- Amateur-Schwerathletik-Verband DASV von 1891. Werner Seelenbinder setzte seine Ringerkarriere bei der Sportvereinigung Berlin-Ost, die diesem Verband angehörte, fort und erzielte dabei folgende herausragende Ergebnisse:

Bei den deutschen Meisterschaften im DASV erzielte er folgende Ergebnisse:

  • 1933, 1. Platz, GR, Hs, vor Karl Engelhardt, Freising und Heinrich Heitmann, Dortmund-Hörde
  • 1935, 1. Platz, GR, Hs, vor Karl Engelhardt und Paul Böhmer, Bad Reichenhall
  • 1936, 1. Platz, GR, Hs, vor Erich Siebert, Mainz und Karl Ehret, Ludwigshafen
  • 1937, 1. Platz, GR, Hs, vor Paul Böhmer und Josef Litters, Mannheim-Sandhofen
  • 1938, 1. Platz, GR, Hs, vor Karl Ehret und Karl Engelgardt
  • 1941, 1. Platz, GR, Hs, vor Gerhard Strumpf und Hans Brönnigmann, beide Berlin

Zwischen 1937 und 1941 vertrat er Deutschland in sieben Länderkämpfen, wobei er zwei Siege erzielte.

Siehe auch: Arbeitersport in Deutschland

Ehrungen

Ihm zu Ehren wurden in der DDR zahlreiche Schulen, Straßen und Sportstätten auf seinen Namen getauft, so die Werner-Seelenbinder-Halle im Osten Berlins, in der von 1950 bis zur deutschen Vereinigung sowohl zahlreiche große Sportveranstaltungen als auch SED-Parteikongresse stattfanden, und auf deren Gelände nach ihrem Abriss das Velodrom entstand.

Am 24. Oktober 2004, dem 60. Jahrestag seiner Ermordung, wurde das Stadion Neukölln in Berlin, das von 1945–1949 schon einmal „Werner-Seelenbinder-Kampfbahn“ hieß und auf dessen Gelände seine Urne beigesetzt ist, in „Werner-Seelenbinder-Sportpark“ umbenannt. Unweit davon steht auch eine weitere Trainingsstätte von Werner Seelenbinder, die Konrad-Agahd-Grundschule, heute weist eine Berliner Gedenktafel darauf hin.

Literatur

  • Rote Sportler im antifaschistischen Widerstand. Band 1. Biografisches über Ernst Grube, Bernhard Almstadt, Werner Seelenbinder, Fritz Lesch und Paul Zobel. Bundesvorstand des DTSB der DDR (Hrsg.); Berlin 1978
  • Heinz Bergschicker: Deutsche Chronik 1933-1945. Ein Zeitbild der faschistischen Diktatur /Wiss. Beratung: Olaf Groehler. Verlag der Nation, Berlin 1981, 2. dgs. Aufl. 1982 (Abb. S. 175)
  • Walter Radetz, Der Stärkere, Verlag Neuer Weg, 1981. ISBN 3-88021-035-7
  • Karl Heinz Jahnke: Ermordet und ausgelöscht. Zwölf deutsche Antifaschisten. Ahriman, Freiburg i. Br. 1995, ISBN 978-3-89484-553-7, S. 106–114.

Weblinks


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