Selbdritt

Selbdritt
Anna selbdritt, Glasmalerei, Kölner Werkstatt, 1510–1530, Wilhelm-Hack-Museum

Anna selbdritt bezeichnet in der christlichen Kunst eine Darstellung der heiligen Anna mit ihrer Tochter Maria und dem Jesusknaben. Der Bildtyp gehört zu den Andachtsbildern, die sich im späten Mittelalter und besonders häufig und vielgestaltig in Deutschland herausgebildet haben. Andachtsbilder dienten als Anregung und ausdrückliche Aufforderung des Mitleidens und Mitfühlens, die sich bis zu einer mystischen Identifikation steigern konnte.[1]

Der Begriff selbdritt ist ein veraltetes Wort für zu dritt, entsprechend selbander für einer Zweiergruppe und selbviert für eine um eine weitere Person erweiterte Gruppe.

Inhaltsverzeichnis

Ikonographie

Als ältestes bekanntes Bild der Mutter Marias ist die Wandmalerei in der sog. „Drei-Mütter-Nische“ in Santa Maria Antiqua (8. Jh.) auf dem Forum in Rom erhalten. Dargestellt sind die Madonna mit dem Jesuskind in einer Mandorla, auf ihrer linken Seiten Elisabeth mit dem Johannesknaben und an ihrer Rechten Anna mit ihrer Tochter Maria. Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts lassen sich vermehrt Beispiele bildlicher Anna-selbdritt-Darstellungen finden wie beispielsweise in der Nikolaikirche von Stralsund. Im 15. und 16. Jahrhundert hat die Darstellung der Heiligen Anna selbdritt ihre Blütezeit. Ein besonders berühmtes Gemälde ist eine Darstellung Leonardo da Vincis, die zwischen 1500 und 1510 während seines Aufenthaltes in Florenz entstanden ist.

Beginnend mit Sigmund Freud, war die Anna selbdritt von Leonardo da Vinci wiederholt der Ausgangspunkt psychologischer Betrachtungen.

Insgesamt sind sehr viele Skulpturen, Gemälde und Altarbilder der Heiligen Anna selbdritt von vielen, mehr oder weniger bekannten Künstlern in den Kirchen ganz Europas erhalten, die heute auch zum Teil mit großem Aufwand restauriert werden. Das Motiv ist ebenfalls auf diversen Münzen und Siegeln zu finden, die Stadt Annaberg-Buchholz im Erzgebirge trägt eine Anna selbdritt im Wappen.

Annenkult

Entstanden ist der Bildtyp einer Anna selbdritt aus dem Annenkult des Mittelalters.

Giotto Opferung Marias im Tempel; mit Nimbus Anna und Joachim; Scrovegni-Kapelle, Padua

Da es aber keine biblischen Quellen gibt über die Existenz der Eltern Marias, Mutter Anna und Vater Joachim, zu denen später noch die Mutter Annas mit Namen Emerantia kam, bezogen sich die Künstler bei vielen Themen des Marienlebens, zu denen auch Anna selbdritt gehört, auf apokryphe Evangelien und auf die populäre Legenda aurea des Jacobus de Voragine.

Im apokryphen Evangelium des Jacobus wird über einen betagten Tempelpriester mit Namen Joachim berichtet, der nach langer Ehe mit seiner Frau Anna immer noch kinderlos war, und dessen Opfer im Tempel von seinem vorgesetzten Priester aus diesem Grund abgelehnt worden war. Daraufhin erschien sowohl Joachim als auch Anna ein Engel, der ihnen die Geburt einer Tochter, Maria, weissagte. Die Opferung Marias im Tempel durch ihre Eltern wurde ebenfalls zu einem beliebten Thema in der abendländischen Kunst.

Aufschwung erhielt der Annenkult in der Folge der Einführung des Anna-Tages in den römischen Heiligenkalender durch Papst Sixtus IV. und die Einführung des Anna-Festes durch Papst Gregor XIII..

Viele der zahlreichen Bruderschaften vor allem in Deutschland wählten Anna zur Schutzpatronin und stifteten Kapellen und Altäre, auf denen häufig Statuen der Anna selbdritt aufgestellt wurden. Indiz für den in Europa verbreiteten Annekult ist die große Anzahl der Anna-Patrozinien in West, Mittel-und Osteuropa. Die große Rolle die dort die Annealtäre in der Volksfrömmigkeit spielten, spiegeln sich in der Vielzahl der dort angebrachten Ex voto -Tafeln und Bilder.

Einzelnachweise

  1. Adolf Reinle: Das stellvertretende Bildnis. Plastiken und Gemälde von der Antike bis ins 19. Jahrhundert. Zürich, München 1984.

Literatur

  • Marlies Buchholz: Anna selbdritt. Bilder einer wirkungsmächtigen Heiligen, Königstein i. Ts. 2005, ISBN 3-7845-2113-4 [1].
  • J. H. Emminghaus: Anna Selbdritt. In: Lexikon der christlichen Ikonographie (LCI). Bd. 5. Sp. 185-190.
  • Sigmund Freud: Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci. [1910]. Frankfurt 1982. ISBN 978-3518015148
  • Meyer Schapiro: Leonardo and Freud: An Art-Historical Study. In: Journal of the History of Ideas. Bd 17. 1056. S. 147-178.

Weblinks


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