Selbstkontraktion

Selbstkontraktion

Ein Insichgeschäft (Selbstkontraktion) liegt vor, wenn jemand ein Rechtsgeschäft entweder im eigenen Namen oder im Namen eines von ihm Vertretenen mit sich selbst als Vertreter eines Dritten abschließt. Gemäß § 181 BGB sind derartige Geschäfte nur zulässig, wenn die beteiligten Vertragspartner dem Vertreter das Selbstkontarhieren gestattet haben oder aber das Rechtsgeschäft ausschliesslich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

Beispiel: Der (Gesellschafter-)Geschäftsführer einer GmbH kauft für die GmbH sich selbst ein Grundstück ab. Hier wird ein zweiseitiges Rechtsgeschäft abgeschlossen, obwohl lediglich eine Person, einmal freilich als Organ einer Kapitalgesellschaft, handelt. Kapitalgesellschaften befreien den die Gesellschaftbeherrschenden Geschäftsführer regelmäßig bereits aus steuerlichen Gründen vom Verbot der Selbstkontraktion.

Es liegt auf der Hand, dass mit derartigen Insichgeschäften eine große Gefahr des Missbrauchs einhergeht. Der in der beschriebenen Weise Handelnde kann beispielsweise das Vermögen des von ihm Vertretenen an sich selbst verschenken oder sonst sich selbst durch das Geschäft begünstigen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Für den Fall der Vormundschaft (heute im dt. Recht: "Betreuung") galt deswegen schon im Römischen Recht die Regel: tutor rem pupilli emere non potest (Der Vormund kann Sachen des Mündels nicht kaufen).

Deutsches Recht

Auch Eltern als gesetzliche Vertreter dürfen nicht Geschäfte für sich und in Vertretung (§§ 164 Abs. 1, § 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 181 BGB) ihres Kindes vornehmen (wie z. B. eine Schenkung zu Lasten des Kindes an die Eltern). Ist das Geschäft für das Kind aber rechtlich lediglich vorteilhaft (Schenkung der Eltern zu Gunsten des Kindes), so wird das Verbot der Selbstkontraktion teleologisch reduziert: Der Schutzzweck der Norm wird durch die Handlung nicht unterlaufen. In anderen Fällen sieht das deutsche Recht die Möglichkeit zur Bestellung eines Ergänzungspflegers oder die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts.

Auch das geltende deutsche Zivilrecht untersagt die Vornahme von Insichgeschäften (§ 181 BGB). Hierbei handelt es sich jedoch um dispositives Recht, das heißt, soweit die Stellvertretung ihrerseits durch ein Rechtsgeschäft begründet wurde, kann der Vertreter von dieser Vorschrift befreit werden.

Die Befreiung eines Bevollmächtigten vom Verbot des Insich-Geschäftes (Selbstkontrahierung) nach § (§ 181 führt zur ausnahmsweisen Formbedürftigkeit der Vollmacht. Für den Fall, dass eine Formvorschrift durch die Einschaltung eines Stellvertreters umgangen wird, muss die Vollmacht entgegen des Wortlauts aus § 167 Abs. 2 BGB in der Form des Hauptgeschäfts erteilt werden (vgl. Röseler, Formbedürftigkeit der Vollmacht, NJW 1999, 1150). Die alleinige Befreiung vom Verbot des Insich-Geschäftes reicht alleine noch nicht aus, dass die Vollmacht notariell beurkundet sein muss (BGH NJW 1979, 2306 = DNotZ 1979, 684). Auch das Datum des Vertragsabschlusses muss zeitlich so nah an der Vollmachtserteilung liegen, dass eine etwaige Widerrufsmöglichkeit völlig theoretisch ist (OLG Schleswig DNotZ 2000, 775 = MDR 2000, 1125).

Ausgenommen vom Verbot der Selbstkontraktion ist in § 181 der Fall, dass das Geschäft ausschließlich zur Erfüllung einer Verbindlichkeit (das betrifft regelmäßig das dingliche Geschäft) vorgenommen wurde. So darf sich z.B. ein gesetzlicher Vertreter oder ein Bevollmächtigter den ihm gesetzlich zustehenden Aufwendungsersatz (§ 670 BGB, § 1835 BGB) aus dem vom ihm verwalteten Vermögen des Vertretenen entnehmen.

Schweizerisches Recht

Bei der Selbstkontrahierung schließt ein Vertreter (Art. 32 ff. OR) einen Vertrag mit sich selbst.

Das Bundesgericht hat in ständiger Rechtsprechung das Selbstkontrahieren als grundsätzlich unzulässig erklärt, weil es „regelmässig zu Interessenkollisionen führt und somit vom Gesellschaftszweck nicht erfasst wird“ [1]. Nur ausnahmsweise soll das Kontrahieren des Vertreters mit sich selbst Rechtswirkungen entfalten können, namentlich wenn entweder die Gefahr einer Benachteiligung des Vertretenen nach der Natur des Rechtsgeschäfts ausgeschlossen ist (z.B. „Kauf von Waren mit klar definierten Markt oder Börsenkursen“[2]), oder wenn der Vertretene den Vertreter „zum Vertragsschluss mit sich selbst besonders ermächtigt (wobei diese Ermächtigung laut BGE 93 II 461, E. 6a unter Umständen auch stillschweigend sein kann) oder das Geschäft nachträglich genehmigt“[3].

Dieselben Voraussetzungen will das Bundesgericht auch für die gesetzliche Vertretung juristischer Personen durch deren Organe angewandt sehen (wobei der Begriff „Vertretung“ irreführend ist, da die Organe nach der Realitätstheorie Teil der juristischen Personen selbst gelten).[4] Hierbei stellt das Bundesgericht fest, dass es für das Zustandekommen des Vertrages der „Genehmigung durch ein über- oder nebengeordnetes Organ“[5] bedarf, sofern die Gefahr einer Benachteiligung für die juristische Person besteht.[6]

Die Gefahr der Benachteiligung (und damit auch die Pflicht zur Genehmigung durch ein über- oder nebengeordnetes Organ) entfällt allerdings, wenn in der AG neben dem Organ, welches durch Selbstkontrahieren ein Insichgeschäft abgeschlossen hat, keine weiteren Aktionäre vorhanden sind.[7] Das zusätzliche Erfordernis, wonach neben dem Fehlen weiterer Aktionäre auch keine Gesellschaftsgläubiger vorhanden sein dürfen, hat das Bundesgericht in BGE 126 III 361 verworfen.[8] Alleinaktionären steht es also frei, Insichgeschäfte abzuschliessen.

Auch bei Eigengeschäften sollen die Regeln des Selbstkontrahierens analog angewandt werden, und zwar in all jenen Fällen, wo der Dritte den Interessenkonflikt erkannt hat bzw. hätte erkennen sollen.[9] In diesen Fällen spielt es keine Rolle, ob sich der Interessenkonflikt im konkreten Fall auch wirklich zum Nachteil der vertretenen Person ausgewirkt hat.[10] Die analoge Anwendung bezieht sich also nur auf bestimmte Fälle; eine generelle analoge Anwendung wird also klar abgelehnt.[11]

Quellen

  1. BGE 126 III 361, E. 3a.
  2. Honsell Heinrich/Vogt Nedim Peter/Wiegand Wolfgang/Watter Rolf (Hrsg.), Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, Art. 1-529 OR, 3. Auflage, Basel 2004, N. 19 zu Art. 33 OR (zit. BSK-AT).
  3. BGE 126 III 361, E. 3a.
  4. vgl. BGE 126 III 361, E. 3a; Art. 718 ff. OR.
  5. BGE 126 III 361, E. 3a.
  6. vgl. BGE 126 III 361, E. 3a.
  7. vgl. BGE 126 III 361, E. 5a. Vgl. zur Ein- Mann- AG anstatt vieler: Meier-Hayoz Arthur/Forstmoser Peter, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 9., vollständig neu bearbeitete Auflage, Bern 2004, N. 25 zu § 16.
  8. vgl. BGE 126 III 361, E. 5a; 50 II 168, E. 5.
  9. vgl. BGE 126 III 361, E. 3a.
  10. vgl. BGE 126 III 361, E. 3a; Schott Ansgar, Insichgeschäft und Interessenkonflikt, Diss., Zürich 2002 , S. 92.
  11. Vgl. Schott (a.a.O), S. 92.
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