Tzimtzum

Tzimtzum
Tzimtzum: En Sof kontrahiert sich in der Mitte seines Lichts

Tzimtzum, häufig auch Zimzum (heb. צמצום, wörtlich Konzentration oder Kontraktion)[1] ist nach der kabbalistischen Mystik in der Tradition Lurias die Selbstkontraktion Gottes aus seiner eigenen Mitte. Es entsteht ein mystischer Hohlraum, durch den die Existenz des Weltalls überhaupt erst möglich gemacht wird. Der Zohar kannte das Konzept des Tzimtzum noch nicht.

Inhaltsverzeichnis

Kontraktion

Gerade in der Einschränkung Gottes liegt seine Macht als Schöpfer. Im Anfang war alles von dem einfachen Licht des En Sof erfüllt. Dieses kontrahierte sich in der Mitte seines Lichts. Dadurch entstand ein absolut gleichförmiger leerer Raum, eine sphärische Kugel in der Mitte der Unendlichkeit. Ohne den Tzimtzum hätte es keinerlei Raum für die Schöpfung gegeben. Nach dem Maggid Devaraw [2] ist Gott als Einschränkung, das heißt als Tzimtzum, in der Welt zugegen. Durch diese Einschränkung hat er die Welt erschaffen. Zugleich ist diese Selbsteinschränkung die Weisheit Gottes. Mit dem Tzimtzum hat sich das En Sof in der Mitte seines Lichts eingeschränkt, um einen leeren Hohlraum übrig zu lassen. Dies geschah

„ […] um den Aspekt der Gefäße zu erzeugen. Denn durch einen Zimzum des Lichtes und seine Verringerung war die Möglichkeit für die Entstehung und Offenbarung des Gefäßes geschaffen. Denn wenn das Licht überhand nimmt, wird das Gefäß wegen seiner geringen Kraft, das starke und große Licht aufzunehmen, aufgelöst. Es bedarf also zuerst eines Zimzum und einer Verringerung des Lichtes, und dadurch wird die Existenz des Gefäßes offenbart.“

Ez ha-Hajjim, Scha´ar I, Anaf III[3]

Das unendliche Licht kontrahiert sich, um einen leeren Raum zu schaffen, der von den Gefäßen (kəlīm) der zehn Sefirot umkreist wird, und die allmählich vom unendlichen Licht durchdrungen werden. Da die inneren sechs Gefäße jedoch der Gewalt des unendlichen Lichtes nicht standhalten, zerbrechen sie (Schwirat ha-Kelim), bleiben aber als „Scherben“ (qlīpōt) und Ursache des Bösen in der Welt erhalten. In einem zweiten Schöpfungsakt werden daher fünf „Gestalten“ (parṣūfīm) als Behältnis für die Sefirot in diesem leeren Raum geschaffen.

Nichts und Weisheit

Darüber hinaus wird der Tzimtzum teilweise auch als das kreative Nichts der göttlichen Einheit gedeutet. Das Nichts ist die Weisheit und die Weisheit ist der Tzimtzum. Gott hat die Welt aus dem Tzimtzum, bzw. dem Nichts erschaffen. Dieses Nichts ist damit nicht der Gegensatz zum Sein. Es ist vielmehr die im Tzimtzum präsente Gottheit. Dieses Nichts ist also Tag für Tag die Lebenskraft der Welt.[4] Dem Tzimtzum auf der göttlichen Seite entspricht auf der Seite des Menschen das Loslassen von der materiellen Welt. Die Gottheit steigt in das Nichts herab und der Mensch steigt in einem Akt der Einswerdung zu der göttlichen Weisheit (Ḥochmā) des Nichts hinauf im Sinne einer unio mystica. Ziel ist die kontemplative Nichtung des Materiellen und des menschlichen Selbstbewusstseins.[5]

Literatur

  • Karl Erich Grözinger: Jüdisches Denken. Theologie – Philosophie – Mystik. Band 2: Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus. Campus-Verlag, Frankfurt am Main u. a. 2004, ISBN 3-593-37513-3.
  • Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen. Metzner, Frankfurt am Main 1957, (Neuauflage: Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-518-27930-0).
  • Gerschom Scholem: Schöpfung aus Nichts und Selbstverschränkung Gottes, in: Scholem, Über einige Grundbegriffe des Judentums, Frankfurt/M. 1970.

Einzelnachweise

  1. Scholem, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, S. 285
  2. Maggid Devaraw § 1, S. 9; vgl. Grözinger S. 813
  3. Ez ha-Hajjim, Scha´ar I, Anaf III, Jerusalem 2003, S. 10; Grözinger, S. 813
  4. Grözinger, S. 818
  5. Grözinger, S. 849

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