Bad Bentheim-Gildehaus

Bad Bentheim-Gildehaus
Wappen
Wappen von Gildehaus
Basisdaten
Bundesland: Niedersachsen
Kreis: Grafschaft Bentheim
Geografische Lage: 52° 18′ N, 7° 6′ O52.2947222222227.10361111111117Koordinaten: 52° 18′ N, 7° 6′ O
Höhe: 49 m ü. NN
Einwohner: 3.980
Postleitzahl: 48455
Vorwahlen: 05924
Kfz-Kennzeichen: NOH
Website: www.bad-bentheim.de
Ortsbürgermeister: Dr. Volker Pannen (SPD)

Gildehaus ist ein Ortsteil der Stadt Bad Bentheim in Niedersachsen (Deutschland) und liegt im Landkreis Grafschaft Bentheim an den Grenzen zu Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Ort war bereits 1188 eine selbstständige Pfarre, die sich von Schüttorf abgezweigt hatte und zunächst als "Nova ecclesia" (Neue Kirche) bezeichnet wurde. Seit 1292 wird der Ort urkundlich mit dem Eigennamen Nyenkerken erwähnt. Der Ort dürfte somit wesentlich älter sein, auch wenn er nicht früh beurkundet ist. Der Name Gildehaus leitet sich nicht von Handwerkergilden ab, sondern bezeichnet nach Hermann Abels ein Haus, das man in früherer Zeit in den Bauerschaften zur Aufnahme des Archidiakons (etwa Dechant) hatte. Solche Häuser (im Raum Osnabrück verbreitet) dienten ebenfalls zu Gildeversammlungen der Gemeindegenossen und wohl auch als Schul- und Armenhäuser.

Gildehaus wurde 1974 in die Stadt Bad Bentheim eingemeindet. Bad Bentheim übernahm dann die ehemalige Gildehauser Postleitzahl 4444. Zum Kirchspiel Gildehaus gehören die früher ebenfalls selbständigen Gemeinden Achterberg, Bardel, Hagelshoek, Holt und Haar, Sieringhoek, Waldseite und Westenberg.

Einer der Wiedertäufer, Bernhard Krechting, war Pastor in Gildehaus. Mit zahlreichen Gildehausern zog er nach Münster und gründete dort ein Täuferreich. Seit der Reformation ist das Dorf jedoch überwiegend streng evangelisch-reformiert. Einen zunehmend starken Anteil an der Bevölkerung stellen Niederländer, die sich wegen neuer Baugebiete in Gildehaus niederlassen.

Zu Beginn des Dritten Reichs gab es in Gildehaus zahlreiche Konflikte zwischen Eiserne Front (Reichsbanner / SPD) und der örtlichen NSDAP, besonders zwischen dem NSDAP-Kreisleiter Dr. Josef Ständer und dem Reichsbannermann Heinrich Kloppers. Kloppers wurde 1944 im KZ Neuengamme ermordet.

Politisch wird in Gildehaus überwiegend „links“ (SPD) gewählt, während im Kirchspiel Konservative und die CDU dominieren. Das Dorf Gildehaus, heute staatlich anerkannter Erholungsort und romantisch auf zwei Höhenrücken (Ausläufer Teutoburger Wald) gelegen, trägt seit 1923 den Beinamen „Perle der Grafschaft“. Die spezifische Mentalität der ortsansässigen Bevölkerung wird in der heimatkundlichen Literatur seit langem als „Gildehauser Eigenart“ umschrieben. Im Gegensatz zu anderen Stadtteilen haben sich hier viele dörfliche Traditionen bewahrt. Plattdeutsch als Alltagssprache ist weit verbreitet.

Wirtschaft

Viele Jahrhunderte stellte die Landwirtschaft in Dorf und Kirchspiel den Haupterwerb, bevor im 12. Jahrhundert die (holländischen) Steinhandelsgesellschaften in den Steinbrüchen den Gildehauser Sandstein abbauen ließen. Der Sandstein wurde vor allem zum Bau von Kirchen und Rathäusern – auch in den benachbarten Niederlanden – verwendet.

Im 18. Jahrhundert siedelten sich erste Textilbetriebe an, so dass sich die Wirtschaftsstruktur grundlegend wandelte und Gildehaus zu einem textilindustriell geprägten Arbeiterdorf wurde. Mit dem Niedergang der Textilindustrie ging ab Mitte der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts der Aufbau des von Niederländern betriebenen Unfallwagenhandels einher. Gildehaus wurde international zu einem Zentrum des Unfallwagenhandels. Zahlreiche Osteuropäer kauften und kaufen hier Unfallwagen, um sie in ihre Heimat zu importieren.

Mitte der 1920er Jahre erhielt Gildehaus, nicht zuletzt durch den auf einem Höhenrücken (Ausläufer Teutoburger Wald) angelegten „Bürgergarten“, den Beinamen „Perle der Grafschaft“. 1985 wurde das Dorf staatlich anerkannter Erholungsort. Die „weiße Industrie“, d.h. der Ausbau des Fremdenverkehrs durch Hotels, Veranstaltungen usw., ist z.Z. jedoch eher bescheiden.

Große Bedeutung kommt dem stark von niederländischen Gewerbetreibenden genutzten Gewerbegebiet „K 26 / Westenberg“ zu. Hier, in unmittelbarer Autobahnnähe (A 30) auf deutscher Seite, haben sich viele deutsche und niederländische Firmen angesiedelt. Größter Arbeitgeber im Dorf ist derzeit das Eylarduswerk, eine evangelische Diakonieeinrichtung der Jugendhilfe mit ca. 280 Beschäftigten.

Kunstgeschichte

Der abseits von der gotischen Hallenkirche stehende Kirchturm war mehrfach Motiv in Bildern des niederländischen Landschaftsmalers Jacob van Ruisdael (1648-1682). Ruisdael hat in den 50er Jahren des 17. Jahrhunderts Reisen in das deutsch-niederländische Grenzgebiet unternommen. Bekannter als das „Gildehaus Motiv“ sind seine Ansichten der Burg Bentheim.

Das „Alte Rathaus“ aus dem Jahre 1656 ist ein denkmalgeschützter Bau. Er wurde ursprünglich als Schule errichtet. Bis zur Gebietsreform in den 1970er Jahren wurde das Gebäude als Rathaus und Schule genutzt. Seit dem 20. Oktober 1996 beherbergt es das Otto-Pankok-Museum Gildehaus.

Der in der NS-Zeit als entartet eingestufte Künstler Otto Pankok (1893–1966) hat im Sommer 1936 in Gildehaus gelebt und gearbeitet. Er schuf hier bei ausgedehnten Streifzügen durch das Dorf und seine Umgebung über 100 seiner typischen Kohlebilder.

Friedrich Hartmann, ein zeitgenössischer Künstler, arbeitete bis zu seinem Tode im Jahre 2000 in einem als Atelier ausgebauten Mühlenstumpf auf dem Gildehauser Mühlenberg. Seine Arbeiten sind geprägt durch „Suche nach dem Licht“. Seine zur Perfektion gebrachte Technik des Holzbeizens, haben Hartmann über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht. Sein ehemaliges Atelier beherbergt heute das Friedrich-Hartmann-Museum.

Schulen

  • Eylardusschule (Rektor Reinhard Pöhlker), Förderschule für Lern- und Verhaltensauffällige
  • Grund- und Hauptschule Gildehaus. Eine Schulreform sieht z.Z. vor, alle Hauptschüler der Stadt (> 400) in Gildehaus zu konzentrieren.
  • Missionsgymnasium St. Antonius Bardel (Franziskaner) (Direktor Ulrich Oettel)

Persönlichkeiten

  • Ernst Buermeyer (* 1883), Bürgermeister 1920-1933, von den Nazis vertrieben, † 1945.
  • Heinrich Kloppers (* 1893), Textilarbeiter, Gewerkschafts- und Kirchenfunktionär, Reichsbannermann, Bürgervorsteher, 1944 verhaftet und im KZ Neuengamme bei Hamburg ermordet.
  • Dr. Josef Ständer (* 1894), Arzt und NSDAP-Kreisleiter

Literatur

  • Helmut Schönrock: Ein Gildehaus-Motiv in Gemälden von Ruisdael, in: Bentheimer Jahrbuch 2000 (Das Bentheimer Land Band 147), Bad Bentheim 1999, S.79 ff.
  • Heinrich Voort: 700 Jahre Gildehaus 1292-1992, Bad Bentheim 1992.
  • Heinrich Voort (Schriftleitung): Otto Pankok in Gildehaus (Ausstellungskatalog), Bad Bentheim 1994.
  • Herbert Wagner: Die Gestapo war nicht allein... Politische Sozialkontrolle und Staatsterror im deutsch - niederländischen Grenzgebiet 1929-1945. LIT-Verlag Münster 2004 (enthält u.a.: Gildehaus im Dritten Reich / Der Gildehauser Widerstandskämpfer Heinrich Kloppers).
  • Hermann Abels: Die Ortsnamen des Emslandes, in ihrer sprachlichen und kulturgeschichtlichen Bedeutung. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 1929

Weblinks


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