Silomat

Silomat
Strukturformel
Allgemeines
Freiname Clobutinol
Andere Namen
  • (±)-1-(4-Chlorphenyl)-4- dimethylamino-2,3- dimethylbutan-2-ol
  • (RS)-1-(4-Chlorphenyl)-4- dimethylamino-2,3- dimethylbutan-2-ol
Summenformel C14H22ClNO
CAS-Nummer 14860-49-2
PubChem 26937
ATC-Code

R05DB03

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antitussivum

Fertigpräparate

Silomat®

Eigenschaften
Molare Masse 255,78 g·mol−1
Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung

unbekannt
R- und S-Sätze R: ?
S: ?
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Clobutinol (ursprünglicher Handelsname: Silomat®; Hersteller: Boehringer Ingelheim) ist ein Arzneistoff, der in verschiedenen Hustenmitteln (Antitussiva) eingesetzt wurde. Es hemmt das Hustenzentrum des Gehirns und linderte starken Reizhusten (trockenen Husten). Seite Mitte 2007 befinden sich Clobutinol-haltige Arzneimittel nicht mehr im Handel (siehe »Geschichtliches«)

Inhaltsverzeichnis

Klinische Angaben

Anwendungsgebiete

Clobutinol wurde bei trockenem Reizhusten eingesetzt.

Unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)

Clobutinol galt bis zu seinem Rückruf als sehr gut verträgliches und sicheres Arzneimittel.

In einer bislang nicht vollständig publizierten Studie bei gesunden Probanden führte Clobutinol dosisabhängig zu einer erheblichen Verlängerung des QT-Intervalls im EKG, die die gegenwärtig akzeptierten Grenzwerte überschreitet.[1] Durch eine QT-Verlängerung können potenziell lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen (»Torsade-Arrhythmien«) verursacht werden. In der Literatur findet sich bislang ein Fall einer Torsade-Arrhythmie.[2] Auch ein Fall eines Grand-mal-Anfalls nach Überdosierung könnte theoretisch mit den Wirkungen auf das EKG in Verbindung gebracht werden.[2][3]

Weiterhin wurden auch Einzelfälle von allergischen Reaktionen bekannt.[4]

Pharmakologische Eigenschaften

Wirkungsmechanismus (Pharmakodynamik)

Clobutinol hemmt das Hustenzentrum im verlängerten Rückenmark (Medulla oblongata) und verringert so die Häufigkeit und Intensität von Hustenstößen. Bei produktivem bzw. verschleimtem Husten könnte das erwünschte Abhusten des Schleims unterdrückt werden. Daher wurde Clobutinol nur zur Anwendung bei trockenem Reizhusten empfohlen.

Sonstige Informationen

Geschichtliches

Clobutinol wurde in den 1950er Jahren bei der Dr. Karl Thomae GmbH (heute Teil von Boehringer Ingelheim) entwickelt und 1960/61 zum Patent angemeldet.[5] Es wurde 1961 in Deutschland als Arzneimittel eingeführt.[6]

Nach Angaben des Herstellers haben mehr als 200 Mio. Patienten den oft rezeptfrei verfügbaren Wirkstoff über 40 Jahre hinweg eingenommen.[6] Auch unter Experten galt der Wirkstoff als sicher.[7] Nach Bekanntwerden des Falls einer Torsade-Arrhythmie bei einem kleinen Jungen[2] forderte das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) den Hersteller auf, Clobutinol auf mögliche Wirkungen auf die elektrische Reizleitung des Herzes zu untersuchen.

Nach Vorlage der Probandenstudie[1] ordnete das BfArM am 31. August 2007 das Ruhen der Zulassung für alle Clobutinol-haltigen Arzneimittel an. Die Entscheidung des BfArMs beruhte auf einer Nutzen-Risiko-Abwägung: obwohl das Risiko potentiell lebensbedrohliche Nebenwirkungen als gering einzuschätzen ist, stehen andere Arzneimittel für die Behandlung der eher leichten Erkrankung Reizhusten zur Verfügung.[8] Am gleichen Tag zog Boehringer Ingelheim alle eigenen Clobutinol-haltigen Arzneimittel weltweit aus dem Handel zurück.[6]

Das CHMP (Committee for Medicinal Products for Human Use) der Europäischen Arzneimittelagentur empfahl am 18. Oktober 2007, die Zulassung für alle Clobutinol-haltigen Arzneimittel in der EU zu widerrufen. Eine entsprechende Entscheidung der Europäischen Kommission vom 10. Januar 2008 wurde inzwischen vom BfArM umgesetzt.[9]

Handelsnamen und Darreichungsformen

Wichtiger Hinweis: Handelsnamen und Darreichungsformen von Arzneistoffen unterliegen keiner Standardisierung. Sie können sich daher in einzelnen Ländern unterscheiden.

In Deutschland befand sich Clobutinol neben Silomat als Warenzeichen von Boehringer Ingelheim auch unter den Bezeichnungen Hustenstiller Stada, Hustenstiller ratiopharm, Nullatuss, Rofatuss, Stas Hustenstiller und Tussed im Handel. Es wird angenommen, dass bereits verkaufte Hustenmittel mit Clobutinol noch zu mehreren hunderttausenden unentdeckt in Hausapotheken »schlummern«.

Boehringer Ingelheim vertreibt auch heute noch ein Hustenmittel unter dem Warenzeichen Silomat DMP. Als Wirkstoff enthält es das Opioid Dextromethorphan.

Kritik

Nach dem Rückruf von Clobutinol wurde spekuliert, dass es - statistisch gesehen - feststehe, dass zahlreiche Patienten an Clobutinol gestorben sind. Niemand habe das als sicher geltende Hustenmittel verdächtigt, Zwischenfälle auszulösen.[7] Dieses Risiko wurde jedoch von den Erstbeschreibern der Nebenwirkung als gering eingeschätzt.[2] Der Junge, der an der Arrythmie-Nebenwirkung erkrankte, überlebte die Torsade-Arrhythmie trotz einer vorbestehenden Herzschädigung.[2]

Einzelnachweise

  1. a b Europäische Kommission (10. Januar 2008). Entscheidung der Kommission vom 10-I-2008 betreffend die Zulassung(en) eines Humanarzneimittels (von Humanarzneimitteln) mit dem Wirkstoff „Clobutinol“ gemäß Artikel 107 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates. Anhang 2. Zugegriffen am 28. September 2008.
  2. a b c d e Bellocq C, Wilders R, Schott JJ et al. A common antitussive drug, clobutinol, precipitates the long QT syndrome 2. Mol Pharmacol. 2004;66:1093-102. PMID 15280442
  3. Ramirez MS, Rojas AM, Perez LA, Arias IA, Calles M, Aranguren A. Grand mal seizure and clobutinol overdose. Vet Hum Toxicol. 1993;35:444. PMID 8249270
  4. Seitz CS, Bröcker EB, Trautmann A. Allergy evaluation after emergency treatment: anaphylaxis to the over-the-counter medication clobutinol. Emerg Med J. 2007;24:e19. PMID 17351213
  5. Dr. Karl Thomae GmbH (1961). US Patent 3121087. Amino-substituted butanols as cough-depressants. Zugegriffen am 28. September 2008.]
  6. a b c Boehringer Ingelheim GmbH. Presseerklärung vom 31. August 2007. Zugegriffen am 28. September 2008.
  7. a b Kekulé AS. Tödlicher Hustensaft. Tagesspiegel vom 5. September 2007. Zugegriffen am 28. September 2008.
  8. Pressemitteilung BfArM 20/07
  9. Informationen des BfArM zum Widerruf der Zulassung Clobutinol-haltiger Arzneimitteln
Gesundheitshinweis
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