Slawisten

Slawisten

Die Slawistik oder slawische Philologie (in wissenschaftlicher Literatur auch Slavistik bzw. slavische Philologie) ist die Wissenschaft von den slawischen Sprachen und Literaturen. Sie gliedert sich also in Sprach- und Literaturwissenschaft, „während Historiker, Theologen, Archäologen, Kunsthistoriker, Pädagogen, Geographen, Wirtschaftswissenschaftler, Juristen, Politologen, Soziologen, die sich mit den slawischen Ländern befassen, nicht zur ‚Slavistik‘ im Sinne der deutschen Hochschulsystematik gerechnet werden.“[1] All diese Disziplinen werden mit der Slawistik zur Osteuropakunde zusammengefasst (so z. B. im Namen des Dachverbandes DGO).

Innerhalb der Slawistik unterscheidet man zwischen den ostslawischen, westslawischen und südslawischen Sprachen bzw. Literaturen. Nach den behandelten Sprachen lässt sich die Slawistik weiter gliedern in Belorussistik (Weißrussisch), Bohemistik (Tschechisch), Bulgaristik, Kaschubologie, Kroatistik, Polonistik (Polnisch), Russistik, Serbistik, Serbokroatistik, Slowakistik, Slowenistik, Sorabistik (sorbische Sprachen) und Ukrainistik. Außerdem werden für die Erforschung des Altkirchenslawischen und des Urslawischen bisweilen Ausdrücke wie Altslawistik, Paläoslawistik oder Kirchenslawistik gebraucht.

Der Dachverband der weltweiten Slawistik ist das Internationale Slawistenkomitee, das fünfjährlich den alle Fachgebiete umfassenden Internationalen Slawistenkongress durchführt. Der deutsche Dachverband ist der Deutsche Slavistenverband, der dreijährlich den Deutschen Slavistentag veranstaltet, in Österreich gibt es den Österreichischen Slawistenverband und in der Schweiz die Schweizerische Akademische Gesellschaft der Slavisten.

Einen umfassenden Überblick über die Sprachen, ihre Klassifikation, geographische Verbreitung und Sprecherzahlen bietet der Artikel Slawische Sprachen.

Inhaltsverzeichnis

Die slawische Sprachwissenschaft

Die slawische Sprachwissenschaft erforscht, dokumentiert und vermittelt die Entwicklung der slawischen Sprachen von den Anfängen bis zur Gegenwart. Zu den sprachwissenschaftlichen Untersuchungsbereichen der Slawistik gehören die üblichen linguistischen Teildisziplinen, wie Phonetik, Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik (Wort- und Satzbedeutungslehre), Pragmatik, Etymologie, Dialektologie, Historische Linguistik und Soziolinguistik.

Die slawistische Sprachwissenschaft dient den sprachhistorischen, sprachgeographischen und sprachkulturellen Studien der slawischen Völker. Dabei berücksichtigt werden nicht nur wechselseitige sprachliche Einflüsse der Slawen untereinander, sondern auch Wechselwirkungen mit den benachbarten nichtslawischen Völker- und Sprachgruppen (romanische, germanische Sprachen).

Zum Gegenstandsbereich der Slawistik gehören neben den heute gesprochenen auch die ausgestorbenen slawischen Sprachen, wie z.B. Altkirchenslawisch, Kirchenslawisch, Slowinzisch und das Polabische.

Die slawische Literaturwissenschaft

Die slawische Literaturwissenschaft ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit den slawischen Literaturen. Sie setzt sich im Wesentlichen aus den Teilgebieten Literaturgeschichte, Literaturtheorie, Literaturinterpretation und Literaturkritik zusammen und gliedert sich nach inhaltlichen Kategorien wie Gattungen, Formen, Stoffen, Motiven; historischen Epochen und Autoren. Weitere Gebiete bilden die Wirkungsgeschichte und Rezeptionsgeschichte.

Die deutschsprachige, slawistische Literaturwissenschaft hat sich, wie die Literaturwissenschaft im Allgemeinen, zunehmend neueren theoretischen Feldern wie den Gender Studies und der Postkolonialen Kritik geöffnet. Die slawische Literaturwissenschaft hat in der literaturwissenschaftlichen Theorieentwicklung eine prominente Rolle gespielt: siehe dazu insbesondere Russischer Formalismus, Strukturalismus, Poststrukturalismus.

Zu den meisterforschten Bereichen der slawischen Literaturwissenschaft in Deutschland gehören die russische, polnische, tschechische, kroatische und die serbische Literatur. Die Literaturen anderer slawischer Völker sind dagegen erst in den letzten Jahren in das Blickfeld der deutschen Forschung gelangt.

Forschung und Lehre

Im deutschsprachigen Raum hat das Fach eine reiche Tradition und ist zurzeit folgendermaßen an Universitäten vertreten.

In Deutschland gibt es ca. 100 Lehrstühle für Slawistik an 39 Instituten[2], an denen insgesamt rund 12 000 Studierende für slawistische Studiengänge eingeschrieben sind[3]: In Baden-Württemberg ist Slawistik an den Universitäten Freiburg (2 slawistische Lehrstühle im Sommersemester 2008[4]), Heidelberg (3 Lehrstühle), Konstanz (2) und Tübingen (3) vertreten, während die Slawistik in Mannheim (0) gestrichen ist. In Bayern werden slawistische Studien an den Universitäten Bamberg (3), München (3), Passau (1), Regensburg (4) und Würzburg (2) betrieben; die Slawistik in Erlangen (0) wurde gestrichen. In Berlin wurde nach der Wiedervereinigung die Slawistik der Freien Universität (1) an die Humboldt-Universität (9) verlegt, wo der älteste Lehrstuhl auf dem Territorium der Bundesrepublik (Berufung Vatroslav Jagićs 1874) und heute die personalmäßig größte Slawistik im deutschsprachigen Raum besteht. In Brandenburg gibt es eine Vollslawistik in Potsdam (3) sowie Polonistik an der Frankfurter Viadrina (2). An der Universität Bremen (2) wird ein slawistischer Masterstudiengang in Kooperation mit der Universität Oldenburg angeboten. Eine Vollslawistik gibt es hingegen an der Universität (4) in Hamburg. In Hessen wurden alle Slawistiken in Gießen (4) konzentriert und dafür die traditionsreiche Slawistik in Marburg (0) sowie diejenige in Frankfurt (1) aufgegeben. Mecklenburg-Vorpommern hat Slawistiken in Greifswald (3) und Rostock (2). In Niedersachsen wird Slawistik an den Universitäten Göttingen (2) und Oldenburg (2) gelehrt. Von den ehemals fünf Slawistiken in Nordrhein-Westfalen ist für Bielefeld (0), Bonn (1) und Münster (1) die Auflösung beschlossen, während diejenigen in Bochum (3) und Köln (2) anscheinend weitergeführt werden. Rheinland-Pfalz bietet Slawistik in Mainz (6) und Trier (2) an. An der Universität des Saarlandes gibt es nur noch 1 slawistischen Lehrstuhl. Das Land Sachsen verfügt in Leipzig (9) über die zweitgrößte Slawistik Deutschlands und außerdem neben der Slawistik in Dresden (3) über ein eigenständiges Sorbisches Institut (1) in Bautzen (obersorbisch Budyšin) mit einer niedersorbischen Abteilung im brandenburgischen Cottbus (niedersorbisch Chóśebuz). In Sachsen-Anhalt wird Slawistik in Halle (3) und Magdeburg (3) gelehrt. In Schleswig-Holstein gibt es Slawistik in Kiel (2), in Thüringen in Erfurt (1) und Jena (3).

In Österreich gibt es sechs slawistische Institute, davon gleich zwei in Wien (an der Universität[5] und an der der Wirtschaftsuniversität[6]), wo 1849 Franc Miklošič auf den ältesten slawistischen Lehrstuhl im deutschsprachigen Raum berufen wurde, sowie weitere in Graz[7], Salzburg[8], Innsbruck[9] und Klagenfurt[10] (slowenisch Celovec).

In der Schweiz gibt es drei deutschsprachige Slawistiken in Basel[11], Bern[12] und Zürich[13], eine zweisprachig deutsch-französische in Freiburg[14] sowie zwei französischsprachige in Lausanne[15] und Genf[16].

Darüber hinaus existieren slawistische Lehreinrichtungen an diversen Hochschulen auch im nichtslawischen Ausland.

Einige bekannte Slawisten

Hinter den Namen in Klammern stehen die Tätigkeitsfelder und die Universität, an der Slawistik studiert wurde.

Berufsslawisten

In anderen Wissenschaften bekannt gewordene Slawisten

Bibliothekare und Archivare

Übersetzer

Schriftsteller

Andere Künstler

Journalisten und Publizisten

Diplomaten

Politiker

Negativbeispiele

Literatur

  • Slawistik in Deutschland von den Anfängen bis 1945. Ein biographisches Lexikon. Hrsg. von Ernst Eichler u.a. Bautzen: Domowina 1993. ISBN 3-7420-1538-9.
  • Norbert Franz: Einführung in das Studium der slavischen Philologie: Geschichte - Inhalte - Methoden. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1994, ISBN 3-534-12007-8.
  • Werner Lehfeldt: Einführung in die Sprachwissenschaft für Slavisten. (=Slavistische Beiträge , Studienhilfen, 324, Band 3). Verlag Otto Sagner, 2. Auflage München 1996, ISBN 3-87690-606-7.
  • Peter Rehder: Einführung in die slavischen Sprachen. (Mit einer Einführung in die Balkanphilologie - von Wilfried Fiedler). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 5. Auflage 2006, ISBN 978-3-534-19711-8, ISBN 3-534-19711-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Kasack. Der Verband der Hochschullehrer für Slavistik an den Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West): Ein Beitrag zur Geschichte der Slavistik 1945–1980. In: Materialien zur Geschichte der Slavistik in Deutschland. Teil 1. Wiesbaden 1982. S. 3–9, hier S. 3.
  2. Vgl. die entsprechende Information des Deutschen Slavistenverbandes
  3. „Studierendenstatistik WS 2007/08“, internes Papier des Deutschen Slavistenverbandes vom 2. Oktober 2008.
  4. Die Informationen über die Zahl der Lehrstühle sind entnommen aus: Norbert Franz, „Who’s Where an den Slavistischen Seminaren und Instituten und auf anderen slavistischen Professuren der Bundesrepublik Deutschland. Stand: Sommersemester 2008“, in: Bulletin der deutschen Slavistik 14 (2008), S. 13–20.
  5. http://www.univie.ac.at/slawistik/
  6. http://www.wu-wien.ac.at/slawisch/
  7. http://www-gewi.uni-graz.at/slaw/
  8. http://www.sbg.ac.at/sla/home.html
  9. http://www.uibk.ac.at/slawistik/html/start/index_ie.html
  10. http://www.uni-klu.ac.at/slawistik/
  11. http://osteuropa.unibas.ch/institute/slavisches-seminar/
  12. http://www.slavistik-fribourg-bern.unibe.ch/
  13. http://www.slav.uzh.ch/index.html
  14. http://www.slavistik-fribourg-bern.unibe.ch/
  15. http://www.unil.ch/slav
  16. http://www.unige.ch/lettres/meslo/russe/index.html

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