Slowaken

Slowaken

Die Slowaken (bis zum 19. Jh. auch Slawaken; slowakisch Slováci; Singular männlich Slovák, weiblich Slovenka) sind die Titularnation der Slowakei. Sie zählen insgesamt über 6 Millionen Angehörige, wovon in der Slowakei etwa 4,6 Millionen leben.

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

Slowakische Minderheiten leben in den USA 797.764 (2000)[1], Tschechien (190.000 bis 350.000), Ungarn 17.693 (2001)[2], Kanada (50.000 bis 100.000), Serbien (59.000, davon über 56.000 in der AP Vojvodina), Polen (10.000 bis 47.000), Rumänien (18.000), der Ukraine (7.000 bis 17.000), Kroatien (vor allem in Ostslawonien), anderen EU-Ländern, Australien und in Lateinamerika.

Eine Übersicht über die offizielle und geschätzte Anzahl der Slowaken findet sich hier: [1]

Sprache

Sie gehören zu den Westslawen; ihre Sprache, das Slowakische ähnelt insbesondere der Tschechischen Sprache.

Religion

Die slowakische Bevölkerung gehört zu einem Großteil dem römisch-katholischen Glauben an. Im 16. und 17. Jahrhundert waren die Slowaken jedoch mehrheitlich Lutheraner.

Allgemeine Entwicklung

5. – 9. Jahrhundert

Die direkten slawischen Vorfahren der Slowaken lebten (nach herrschender Meinung) mindestens seit der Zeit der Völkerwanderung (seit etwa 500) im Gebiet der heutigen Slowakei. Die heute gängigsten Theorien über ihre Herkunft besagen, dass sie entweder in zwei Wellen sowohl vom Norden als auch vom Süden in die heutige Slowakei kamen, oder aber, dass sie schon vor der Völkerwanderung im Karpatenbecken ansässig waren (so bspw. laut O. N. Trubatschow oder laut der Nestorchronik). Aus der Sicht der slowakischen Sprachwissenschaftler begann mit der Ankunft der Slawen zugleich die erste Phase der Entwicklung der „urslawischen (gemeinslawischen) [3] Basis der slowakischen Sprache“ .

Im 7. Jahrhundert waren die Vorfahren der Slowaken Bestandteil des Kerns der Bevölkerung des Reiches des Samo. Archäologischen Funden zufolge besteht zum Teil Kontinuität zwischen den Funden aus der Zeit des Reiches des Samo und späteren Funden aus dem 8. und 9. Jahrhundert.

Im 8. Jahrhundert haben die Vorfahren der Slowaken das Neutraer Fürstentum gegründet, das 833 Bestandteil des Kerngebiets Großmährens wurde. Die Vorfahren der Slowaken bildeten somit gemeinsam mit den Vorfahren der heutigen Mähren die Kernbevölkerung Großmährens. Aus der Sicht einer Gruppe von Slawisten zerfiel im 8. oder 9. Jahrhundert die urslawische (gemeinslawische) sprachliche Einheit (nach Sprachwissenschaftlern entwickelte sich die slowakische Sprache direkt aus dem Urslawischen (Gemeinslawischen)). Nach herrschender Meinung der slowakischen Sprachwissenschaftler begann im 8. Jahrhundert die zweite Phase der Entwicklung der urslawischen (gemeinslawischen) Basis der slowakischen Sprache. Ein wichtiges Ereignis im 9. Jh. war die Slawenmission der beiden aus Saloniki stammenden Brüder Konstantin (Kyrill) und Method in Großmähren (seit 863/864). Der Philosoph Konstantin entwickelte eigens für die Mission das erste slawische Alphabet, die Glagolitische Schrift (Hlaholica, Glagolica), brachte das Symbol des byzantinischen Doppelkreuzes mit (das heute im slowakischen Staatswappen enthalten ist), wählte das so genannte Altkirchenslawische als die während seiner großmährischen Mission zu verwendende Sprache aus und führte die mit Method bereits vorbereiteten ersten Übersetzungen liturgischer und biblischer Texte ins Altkirchenslawische ein. Das Altkirchenslawische nahm während der großmährischen Mission viele Elemente der in diesem Gebiet gesprochenen westslawischen Dialekte an. So enthält auch die damalige Version der Glagolica einen Buchstaben (Laut dz), der damals nur in den Dialekten auf dem Gebiet der heutigen Slowakei verwendet wurde. Anderseits hat das heutige Slowakische viele religiöse Wörter (Gewissen, Glaube, Seele, Schöpfer, beten, Heiliger Geist usw.) aus dem Altkirchenslawischen übernommen. Während der Mission in Großmähren übertrugen die Brüder die ganze Bibel ins Altkirchenslawische, aber auch zum Beispiel eine Gesetzessammlung, liturgische Texte und Anderes. Sie gelten dank dieser Mission als Begründer der (gesamten) slawischen Literatur. Im März 868 wurde sogar vom Papst auf Kyrill und Metods Initiative die slawische Liturgiesprache (Altkirchenslawisch) zugelassen - als vierte Sprache in der Westkirche neben Latein, Griechisch und Hebräisch (was kein Papst bis zum 20. Jahrhundert mehr für eine andere Sprache wiederholte). Das mit lokalen Elementen versehene Altkirchenslawische wurde also in Großmähren neben Latein (zumindest) für amtliche und religiöse Zwecke verwendet. Am Hofe und von den Gebildeten wurde in Großmähren parallel eine Kulturform der lokalen Sprache verwendet.

10. – 15. Jahrhundert

Anfang des 10. Jahrhunderts erfolgte der Untergang Großmährens und die Ankunft der altmagyarischen Stämme in der heutigen Südslowakei. Die Slowakei wurde im 10. und 11. Jahrhundert (kleinere nördliche Gebiete erst im 14. Jahrhundert) in das Königreich Ungarn eingegliedert. Bis Anfang des 12. Jahrhunderts bestand das Neutraer Fürstentum innerhalb des Königreichs Ungarn weiter. Die Nestorchronik beschreibt die Slawen in der Slowakei als ein eigenständiges Volk der Slawen und das Gebiet an der mittleren Donau als „zemľa slovenskaja“ (11 . Jh.), der Herrscher des Neutraer Fürstentums Emmerich wird als Fürst der Slowakei („dux Sclavonie“) bezeichnet (1029), Texte unterscheiden ab dem 11. Jh. innerhalb des Königreichs Ungarn die Gebiete Slowakei + eigentliches (d. h. ethnisches) Ungarn (+ Siebenbürgen).

Aus der Sicht einer Gruppe von Slawisten (vgl. oben) zerfiel die urslawische (gemeinslawische) sprachliche Einheit erst im 10. Jahrhundert. Nach herrschender Meinung der slowakischen Sprachwissenschaftler begann sich die slowakische Sprache im 10. Jahrhundert als eine eigenständige Sprache zu entwickeln.

Aus dem 10.-13. Jahrhundert sind slowakische Orts-, Gewässer- und Personennamen sowie vereinzelt auch andere Wörter in vielen Texten belegt. So enthält die Halotti beszéd (Ende des 12. Jh.) Wörter wie bratim, milostben und die Zoborská listina von 1111, die älteste erhaltene Urkunde aus dem Gebiet der Slowakei, enthält zahlreiche slowakische Personen- und Ortsnamen aus der Umgebung von Nitra. Um 1200 unterscheidet Anonymus in dessen Gesta Hungarorum eindeutig zwischen Slowaken (Sclavi oder Nytriensis Sclavi), Böhmen und Polen.

Im Mittelalter (mindestens bis zum Spätmittelalter, teilweise aber auch viel später) erstreckte sich das Siedlungsgebiet der Slowaken noch auch ungefähr im heutigen Ungarn (neben magyarischen Siedlungen), im südöstlichen Mähren (so genannte Mährische Slowakei; bis zum Spätmittelalter gehörte dieses Gebiet teilweise zum Königreich Ungarn), im nordwestlichen Rumänien sowie kleinen Teilen Österreichs und der Ukraine. Der Verlauf der südwestlichen, südlichen und östlichen Grenze slowakischer Siedlungen kann (unter Verwendung heutiger geographischer Namen) ungefähr wie folgt beschrieben werden: Leitha/Wiener WaldGüssing – Flusslauf der RaabNagykanizsaPécsSzeged – Flusslauf des MureșDevaCluj-NapocaBorșaChustMukatschewe – Oberlauf des Flusses Usch.

Ein relativer (nicht nur für die heutige Slowakei geltender) Mangel an erhaltenen schriftlichen Quellen aus dem 11. und 12. Jahrhundert ermöglichte es einigen, vor allem ungarischen, Historikern vor dem zweiten Weltkrieg zu behaupten, die heutige Slowakei sei bis zum 12. Jahrhundert weitgehend unbesiedelt und von undurchdringbaren Wäldern bedeckt gewesen. Diese Ansicht vertrat auch der tschechische (vor dem zweiten Weltkrieg bedeutende und offen tschechoslowakistisch orientierte) Historiker Václav Chaloupecký, der allerdings im Unterschied zu ungarischen Historikern in der Südwestslowakei eine Siedlungskontinuität aus der Zeit Großmährens akzeptierte. Angefangen mit einer von Daniel Rapant durchgeführten Analyse der Besiedlung Liptaus von 1934 haben weitere Untersuchungen schriftlicher Quellen sowie archäologische Funde diese Ansichten inzwischen eindeutig widerlegt. Es wurden zahlreiche slowakische Siedlungen praktisch in der gesamten Slowakei mit Ausnahme hoher Gebirge und der Gebiete Arwa und Kysuce belegt. Um 1250 gab es in der heutigen Slowakei bereits 1600 schriftlich belegte Siedlungen. Heute gibt es in der Slowakei - zum Vergleich- fast 2900 Gemeinden.

Seit Anfang des 13. Jahrhunderts werden die Slowaken in zahlreichen Texten sehr häufig erwähnt (bis 1400 in den Formen Slovyenyn, Slowyenyny; Sclavus, Sclavi, Slavus, Slavi; Tóth; Winde, Wende, Wenden). So erwähnt zum Beispiel eine Urkunde des Königs Andreas II. von 1217 unter den Menschen, die auf dem Land des Klosters von Sankt Benedikt (Hronský Beňadik) lebten, Sachsen, Magyaren und Slowaken („quatenus cuiuscumque nationis homines, Saxones videlicet, Hungarii, Sclaui seu alii ad terram monasterii sancti Benedicti de Goron“). Aus dem Jahr 1294 ist das Adjektiv/Adverb „slowakisch“ zum ersten Mal in seiner slowakischen Form (in einem lateinischen Satz) und in einem sich unumstritten auf die Slowaken beziehenden Zusammenhang erhalten geblieben („Venit ad parvam arborem mystra, slovenski breza ubi est meta“). 1444 ist aus dem Gebiet der Slowakei zum ersten Mal das Wort Slowake in seiner heutigen Form – als „Slowak“ - nachgewiesen (in einem Text, der von zwei Hauptleuten der Stadt Bardejov spricht – „Czech et Slowak“), 1458 wird in einem lateinisch-tschechischen Wörterbuch das lateinische Wort Sclauus mit „Slowak“ übersetzt.

Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts bis etwa 1800 verwendeten die Slowaken, insbesondere die Protestanten, neben Latein und Slowakisch sehr häufig auch die tschechische Sprache – sehr oft jedoch in slowakisierter Form – als Literatur- und Rechtssprache. Diese Tatsache sowie vor allem die spätere Existenz der Tschechoslowakei sind die Ursache für die heutige Ähnlichkeit der beiden Sprachen. Näheres siehe unter slowakische Sprache.

Seit dem 14. Jahrhundert sind bereits ganze slowakischsprachige Sätze bzw. Satzgruppen in (vor allem lateinischen) Texten belegt, so zum Beispiel „Poydem na huby do lessa“ (vgl. in heutigem Slowakisch „Pôjdem na huby do lesa“, in heutigem Tschechisch „Půjdu na houby do lesa“). Auch das älteste erhaltene Gedicht, das in (je nach Sichtweise) Slowakisch oder slowakisiertem Tschechisch verfasst wurde, und zugleich das älteste slowakischsprachige Literaturdenkmal – „Maria matko“ (Mutter Maria) – ist im 14. Jahrhundert (1380) entstanden.

Aus dem Jahr 1415 stammt die älteste erhaltene (zur Gänze) tschechischsprachige Urkunde, aus dem Jahr 1422 die älteste erhaltene (zur Gänze) in slowakisiertem Tschechisch verfasste Urkunde aus dem Gebiet der Slowakei. Aus dem gleichen Jahrhundert sind auch die ersten slowakischsprachigen zusammenhängenden Texte und Urkunden erhalten. 1451 fangen slowakischsprachige (bzw. in stark slowakisiertem Tschechisch verfasste) juristische Einträge im Stadtbuch von Žilina an.

Seit dem 14. Jahrhundert, vor allem jedoch im 16. Jahrhundert, sind juristische Streitigkeiten auf ethnischer Basis zwischen Slowaken und Deutschen (später zum Teil auch Magyaren) um Rechte in der Führung der Städte in der Slowakei häufig belegt. So musste 1381 der König persönlich festlegen, dass die Slowaken und Deutschen im Stadtrat von Žilina die gleiche Vertretung haben müssen, wobei betont wurde, dass eine derartige gerechte Vertretung bereits bei der Gründung der Stadt (d. h. spätestens um 1300) vereinbart wurde.

16. und 17. Jahrhundert

Als das heutige Ungarn Anfang des 16. Jahrhunderts vom Osmanischen Reich erobert wurde, wurde die Slowakei zum Kern des nunmehr deutlich kleineren Königreichs, das bis zum Ende des 17. Jahrhunderts als Königliches Ungarn bezeichnet wurde. Pressburg, die heutige slowakische Hauptstadt Bratislava, wurde (bis 1784/1848) zur Hauptstadt des Königlichen Ungarns. Nachdem das Osmanische Reich gegen 1700 von habsburgischen Truppen geschlagen wurde, wurden Tausende Slowaken systematisch in entvölkerten Teilen des gebietsmäßig wiederhergestellten Königreichs Ungarn angesiedelt. Die Slowaken bezeichnen diese Gebiete generell als Dolná zem (das „Untere Land“). Durch diese Umsiedlungen sind die bis heute bestehenden, noch im 19. Jahrhundert sehr beträchtlichen, slowakischen Sprachinseln in den heutigen Ländern Ungarn, Rumänien, Serbien und Kroatien entstanden.

Seit dem 15. (vor allem jedoch 16. Jahrhundert) ist in der Slowakei die Existenz einer Kultursprache (Kulturkoine) schriftlich belegt (in mündlicher Form gab es sie wahrscheinlich bereits im 12. Jahrhundert). Diese hatte drei Varianten: die westslowakische, eine mittelslowakische und eine ostslowakische. Am Ende des 18. Jahrhunderts/Anfang des 19. Jahrhunderts wurde diese Kultursprache durch kodifiziertes Slowakisch ersetzt (siehe dazu slowakische Sprache).

Seit dem 16. Jahrhundert ist in Texten, die von slowakischen Gebildeten geschrieben wurden, der Begriff „natio Slavonica“ (Latein) bzw. „slovenský národ“ (Slowakisch), d. h. „slowakische Nation“, belegt. Dieser wird in Kontexten, die von wachsendem Nationalbewusstsein zeugen, verwendet. So werden die Slowaken vom Magnaten Peter Révay um 1596 in seinem Werk „De monarchia et sacra corona Hungariae“ mit besonderem Stolz beschrieben und Georg Thurzo, der Palatin des Königlichen Ungarns und ein stolzer Slowake, schreibt Anfang des 17. Jahrhunderts in seiner amtlichen Korrespondenz „nostra natio slavica“ (lat.) und übersetzt dies ins Slowakische mit „naša slovenská nácia“ (slow.), das heißt "unsere slowakische Nation". Der bekannte ungarische Dichter Bálint Balassa schrieb im 16. Jahrhundert einen Teil seiner Gedichte auch auf Slowakisch. Anfang des 16. Jahrhundert bezeichnete ein Teil des ungarischen Adels Johann Zápolya als einen „slowakischen König“ und seine Truppen als „slowakische Büttel“. In der Mitte des 16. Jahrhunderts wird ein Teil des im Königreich Ungarn bedeutendsten Gesetzbuchs Tripartitum ins Slowakische übersetzt.

Um 1600 spitzten sich ethnische Streitigkeiten zwischen Slowaken und Deutschen (nicht nur in den Städten) in der Slowakei derart zu, dass bspw. der Stadtrat von Banská Bystrica unter Androhung mit Todesstrafe den Slowaken verbot, gegen die Deutschen zu rebellieren. Eine ähnliche Situation gab es damals in den Städten Karpfen und Kremnitz. 1608 erschien im Königreich Ungarn das erste Nationalitätengesetz; es garantierte den Deutschen, Magyaren und Slowaken gleiche Rechte in den Städten.

18. - 21. Jahrhundert

Aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammt die älteste erhaltene Übersetzung der gesamten Bibel ins Slowakische (sgn. Kamaldulská Biblia). Vorher wurden tschechische und polnische (bzw. noch früher altkirschenslawische) Übersetzungen verwendet.

Im 18. Jahrhundert begannen die Slowaken – ähnlich wie die Magyaren, Tschechen etc. – sich zu einer modernen Nation zu entwickeln – siehe dazu Nationale Wiedergeburt der Slowaken. Parallel dazu mussten die Slowaken die Bestrebungen der ungarischen Hegemonialmacht, sie zu magyarisieren, bekämpfen – siehe dazu Magyarisierung.

Nach der österreichischen Volkszählung von 1785 lebten auf dem Gebiet der heutigen Slowakei über 2 Millionen Einwohner, davon rund 80 % Slowaken. Der Anteil der Slowakischsprachigen in den insgesamt 11379 Gemeinden im gesamten Königreich Ungarn, einschließlich Kroatien-Slawonien, betrug 24,2 % (magyarisch 32,2 %, kroatisch und „illyro-dalmatinisch“ 20,23 %, rumänisch 9,04 %, deutsch 7,8 %, ruthenisch 6,16 % und 18 Gemeinden serbisch). Spätere (nicht unbedingt miteinander kompatiblen) Volkszählungen in Österreich-Ungarn ergaben für das Königreich Ungarn ohne Kroatien-Slawonien folgende Anteile und Zahlen für die Slowaken und Magyaren:

  • 1850 – Slw.: 14,1 % (1 738 741) ; Mag.: 39 % (4 812 438)
  • 1857 - 12,7 % (1 628 542); 37,9 % (4 858 044)
  • 1880 - 13,5 % (1 855 451); 46,6 % (6 404 070)
  • 1890 – 12,5 % (1 896 665); 48,5 % (7 357 936)
  • 1900 – 11,9 % (2 002 165); 51,4 % (8 651 520)
  • 1910 – 10,7 % (1 946 357); 54,5 % (9 944 627)

Nach der Verlegung der Hauptstadt des Königreichs nach Ofen/Pest (später Budapest), wo im Laufe des 19. Jahrhunderts zahlreiche Zentralisierungs- und Magyarisierungsanstrengungen eingeleitet wurden, wurden die Slowaken im Laufe des Jahrhunderts sukzessive praktisch überwiegend zu einem Bauern- und Arbeitervolk ohne nennenswerte Vertretung im Parlament degradiert. Die Magyarisierungsbestrebungen führten im Königreich Ungarn bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs zu einem überwiegenden Abbau der slowakischsprachigen Schulen. Ohne die spätere Entstehung der Tschechoslowakei nach dem Ersten Weltkrieg wären die Slowaken Anfang des 20. Jahrhunderts zumindest sprachlich gesehen langfristig vom Aussterben bedroht gewesen. Die wirtschaftlich und politisch äußerst ungünstige Situation der Slowaken im Königreich Ungarn führte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis etwa zur Zwischenkriegszeit zu einer Massenauswanderung in die USA und Kanada, wo bis heute mehrere bedeutende US-amerikanische Persönlichkeiten slowakische Vorfahren haben. Details siehe unter Geschichte der Slowakei.

1918 wurde die Slowakei Bestandteil der Tschechoslowakei. 1939-45 bestand die Erste Slowakische Republik, ein von NS-Deutschland abhängiger Marionettenstaat. 1993 erfolgte die Aufteilung der Tschechoslowakei in Tschechien und die Slowakei. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zehntausende Slowaken (neben Tschechen und einigen Magyaren) systematisch im damals durch die Vertreibung der dortigen deutschen Bevölkerung entvölkerten Sudetenland angesiedelt; diese Slowaken wurden inzwischen größtenteils tschechisiert. Außerdem fand nach dem Zweiten Weltkrieg ein teilweiser Bevölkerungsaustausch mit Ungarn statt (etwa 70.000 ungarische Slowaken gegen slowakische Ungarn). Weitere bedeutende Auswanderungswellen fanden nach der Machtübernahme der Kommunisten in der Tschechoslowakei (1948) sowie nach dem Fehlschlagen des Prager Frühlings (1968) statt. In beiden Fällen gingen die Auswanderer in der Regel nach Amerika oder nach Westeuropa. Eine neue – diesmal meist rein wirtschaftlich bedingte – Auswanderungswelle bahnt sich Anfang des 21. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Grenzöffnung nach dem Zusammenbruch des Kommunismus (1989) und insbesondere nach dem EU-Beitritt der Slowakei (2004) an.

Ethnonym

Die Bezeichnung der Slowaken ist vom slawischen Wort (transkribiert) „Slověne“ abgeleitet (Sg. meistens „Slověnin“; heute slowakisch im Plural meist mit Slovieni oder Sloveni übersetzt - im Gegensatz zu Slovinci für Slowenen und Slovania für Slawen). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Wort „Slověne“ in der Selbstbezeichnung der Slowaken (wie auch übrigens in jener der Slowenen) bis heute enthalten ist – vgl. Slovák (Slowake), aber: Slovenka (Slowakin) – slovenský (slowakisch, Adjektiv) – slovensky (slowakisch, Adverb) – Slovensko (Slowakei). Die Slowaken und die Slowenen sind damit die einzigen Slawen, in deren Namen bis heute die vermutete ursprüngliche Bezeichnung der Slawen enthalten blieb.

Das Wort „Slověne“ wird heute in der deutschen Literatur meistens irreführend als Slowenen/Slovenen wiedergegeben. Es war ursprünglich wohl der Name aller Slawen oder einiger Gruppen davon oder zumindest der Slawen im Karpatenbecken und der Umgebung. Slawische Quellen bezeichnen so für das 9. Jahrhundert vor allem die Bewohner Großmährens (oder nach manchen Ansichten den östlichen Teil dieser Bewohner, siehe weiter unten „Bewohner Großmährens“) und der Region um Saloniki (Mazedonische Slawen). Im Hochmittelalter war es (zumindest in der fraglichen Region) der Name der Slowaken, der heutigen Slowenen sowie einiger Slawen in Kroatien (die heutigen Slawonier), andere Slawen trugen damals jedenfalls bereits andere Namen (Polen, Tschechen, Bulgaren usw.). Die Nestorchronik (für das 11. Jh.) bezeichnet so die Slawen überhaupt, aber speziell auch die (Vorfahren der) Slowaken und die Slawen von Nowgorod; und das Wort ist auch als Bezeichnung der Slawen an der unteren Elbe und an der heutigen Nordseeküste belegt. Varianten der Bezeichnung „Slověnin“ (Slowenyny u. ä.) für die Slowaken sind bis zum 15. Jahrhundert (im 15. Jahrhundert parallel zu Varianten der Bezeichnung „Slovák“) belegt. Seit Anfang des 15. Jahrhunderts sind nur noch Varianten der heutigen Form „Slovák“ belegt; im 15. Jahrhundert waren diese bereits auch im deutschsprachigen Raum sowie in Böhmen, Mähren und Polen verbreitet. Die neue Form „Slovák“ wurde allerdings in den westslawischen Sprachen – ähnlich wie das Wort Slověnin – bis zum 18. Jahrhundert seltener auch in der Bedeutung „Slawen, die (keinen eigenen Staat besitzen, weswegen sie) sich selbst als Slawen bezeichnen“, das heißt die heutigen Slowaken, Slawonier, Slowenen u. ä., verwendet.

Die lateinische Entsprechung des Wortes Slověnin war ursprünglich Slavus, Sclavus u. ä., allerdings mit dem Unterschied, dass sie auch noch bis zum 19. Jahrhundert seltener auch in der Bedeutung Slawe verwendet wurde. Die lateinische Entsprechung ist wichtig, da im Königreich Ungarn Latein (als eine Art „lingua franca“) bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts als Amtssprache und vor der Renaissance als die Sprache auch der meisten anderen Texte verwendet wurde. In ungarischen Chroniken aus dem Hochmittelalter findet man auch die Bezeichnungen Nytriensis Sclavi oder Nitrienses, das heißt "Neutraer Slawen" oder "Neutraer" (zu Neutraer Fürstentum bzw. Neutra). Vom 16.(?) Jahrhundert bis Anfang des 19. Jahrhunderts wird wiederum vereinzelt auch die Bezeichnung „Bohemo-Slavi“ verwendet. Im Königreich Ungarn bezeichnete man damit vor allem jene Slowaken, die in der Liturgie und beim Schreiben Tschechisch verwendeten, d. h. vor allem Protestanten.

Die ungarische Entsprechung „tót“ wurde ursprünglich für alle Slawen im Königreich Ungarn verwendet, später vor allem für Slowaken, aber auch für Slawonier und zum Teil ungarische Slowenen; im 19. Jahrhundert bezog sich das Wort tót nur noch auf die Slowaken. Hier ist jedoch zu beachten, dass im 16. und 17. Jahrhundert von den fraglichen Ethnien aufgrund türkischer Eroberungen nur die Slowaken Bestandteil des Königreichs Ungarn (damals Königliches Ungarn genannt) waren, sodass die Bezeichnung „tót“ auch für diese Zeit meist eindeutig abgegrenzt ist. Die Bezeichnung „szlovák“ kommt im ungarischen erst seit etwa 1815 vor und häufiger erst seit der Entstehung der Tschechoslowakei, vor allem jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg vor.

Deutschsprachige Texte verwenden im Hochmittelalter für die Slowaken die Bezeichnung Wenden, ab dem 15. Jahrhundert sind Varianten der Form „Slowake“ belegt. (Zumindest) im 19. Jahrhundert wurde auch die Form "Slawake" verwendet.

Der heutige Landesname

Abgesehen von frühen Erwähnungen, in denen sowohl das Gebiet der Slowakei, als auch ein slawisches Gebiet gemeint sein kann, ist die Bezeichnung des Gebietes der Slowakei als Slowakei (ausnahmsweise) zum ersten Mal 1029 belegt - der Herrscher des Neutraer Fürstentums Emmerich wird als Fürst der Slowakei („dux Sclavonie“) bezeichnet. Die nächste erhaltene Erwähnung ist erst aus dem 15. Jahrhundert belegt (Schlabatia (lat.), Slováky (tschech.?), Slowenská zem (slow.), slowakische Land (dt.)) – die meisten Belege stammen zunächst aus deutschem Sprachraum - und seit dem 16. Jahrhundert ist der Begriff häufig belegt (Slovakia (lat./dt.), Slowakei/Slowakey (dt.), Slowiaky, S(c)lavonia (lat.), Sclavonic (lat.), tót vijálet (türkisch) u. ä.). So wird zum Beispiel 1490 in einem in Leipzig gedruckten Text des Autors Niavius die Slowakei („Schlabatia“) als ein „wundeschönes Land, das Überfluss in Honig und Milch hat“ beschrieben. 1586 ist in einem in Prag erschienen deutschsprachigen Text, in dem beschrieben wird, wie bei Sankt Nikolaus (Liptovský Mikuláš) das Manna vom Himmel fiel, zu lesen: In Liptau, bei der Stadt Sankt Nikolaus in der Slovakia... Der Autor hielt es nicht für notwendig den Begriff "Slovakia" im Text näher zu erläutern, er war damals also auch für Deutsche allgemein verständlich. Im 17. Jahrhundert war die Bezeichnung Slavonia (lat.) für die Slowakei üblich. Interessanterweise wurde im 17. Jahrhundert aber auch die Bezeichnung Pannonien (Panónia) für die Slowakei verwendet, und zwar nur für die Slowakei, nicht für das gesamte Königreich Ungarn. 1704 bezeichnete Franz II. Rákóczi im Rahmen seines Aufstands gegen die Habsburger das von ihm beherrschte Gebiet als „Tótság, Tót impérium“ (Slowakei, Slowakisches Reich). Die heutige slowakische Form des Namens Slowakei – „Slovensko“ – ist schließlich 1685 zum ersten Mal belegt. Die heute von einigen Autoren wiederholte Behauptung, die Bezeichnung Slowakei sei (in welcher Form auch immer) erst im 19. Jahrhundert entstanden, ist also schlicht falsch. (Zumindest) im 19. Jahrhundert und am Anfang des 20. Jahrhunderts umfasste der Begriff Slowakei auch die Mährische Slowakei (siehe z. B. Ottův slovník naučný – Einträge: Slovensko, Slovácko, Slováci sowie [4]).

Vgl. auch: Oberungarn

Ethnogenese

Slowaken ab dem 10. Jahrhundert

Nach der heute herrschenden Meinung kann man von Slowaken seit dem 10./11. Jahrhundert sprechen, das heißt zu diesem Zeitpunkt war die Ethnogenese der Slowaken abgeschlossen. Dies wird vor allem damit begründet, dass:

  • im 10. Jahrhundert das Urslawische (Gemeinslawische) endgültig in die einzelnen slawischen Sprachen zerfiel und sich speziell auch das Slowakische als eine eigenständige Sprache zu entwickeln begann
  • die Ankunft der Magyaren im Karpatenbecken (um 900) dazu beitrug, dass zum einen die Slowaken nunmehr in einem anderen Staat als die sprachlich verwandten Tschechen und Polen lebten, zum anderen dass sie zum Teil physisch von den Südslawen getrennt wurden, an die sie bis dato unmittelbar grenzten und die sich von da an von den Westslawen getrennt entwickelten

Diese Ansicht vertritt zum Beispiel Marsina 2001 (10. Jh. spätestens 12. Jh.), Lukačka 2007 (10. Jh.), Kováč 2008 (10. Jh.), Čaplovič 1998 (um 900? [nicht klar formuliert]), Steinhübel 2004 („seit sie in einem gemeinsamen Staat mit den nichtslawischen Magyaren waren“), Bartl 2002 („spätestens am Anfang des 10. Jahrhunderts“) oder die Malá encyklopédia Slovenska 1987 („entwickelten sich …im 10.-11. Jahrhundert aus dem großmährischen Substrat“). Die Archäologin Štefanovičová behauptet 2000, die Sprachwissenschaftler hätten sich „vor zwei Jahren“ geeinigt, von Slowaken könne man seit dem 11. Jahrhundert sprechen.

Ein Teil der Autoren aus dieser Gruppe (zum Beispiel Marsina, Lukačka, Bartl, Ruttkay) setzt sich für die Zeit im 9. (und 10. Jahrhundert), das heißt für die großmährische Zeit - gegebenenfalls auch früher - für die Verwendung der Bezeichnung „starí Slováci“ (Altslowaken) oder „Sloveni“ (die slowakische Variante von Slověne ohne –i- in Namensstamm, die dem heutigen Sloven(sko), Sloven(ka) usw. näher steht) oder älter auch „Slovieni“ ein. Begründungen lauten üblicherweise wie folgt:

  • Es ist auch üblich bspw. von Tschechen, Deutschen und Magyaren (in der Slowakei und Tschechien „Altmagyaren“ genannt) ab dem 9. Jahrhundert zu sprechen, wobei die Tschechen und Magyaren in Wirklichkeit bis zum späten 10. Jahrhundert nur lose „Konglomerate“ von Stämmen waren, wobei bei den Tschechen und Magyaren jeweils nur ein Stamm des Konglomerats Tschechen und Magyaren hieß.
  • Die Verwendung des Begriffs Altslowaken wird zusätzlich dadurch begründet, dass die Übersetzung des slowakischen Wortes Sloveni (d. h. des altslawischen Slověne) in die meisten anderen Sprachen das Wort Slowenen (slowakisch Slovinci) ergibt, was zu Missverständnissen führt.
  • Aus der Sicht einer Gruppe von Slawisten zerfiel die urslawische (gemeinslawische) sprachliche Einheit bereits im 8./9. Jahrhundert, daher muss die Entwicklung der slowakischen Sprache bereits zu diesem Zeitpunkt begonnen haben.
  • Die Vorfahren der Slowaken lebten im 9. Jahrhundert bereits in einem eigenen Staat (Neutraer Fürstentum bzw. Großmähren) und für die Vorfahren der Slowaken und Mährer sind im Gegensatz zu den Tschechen, Polen und Magyaren keine Stammesnamen erhalten, was von einem höheren Integrationsgrad zeugt.

Bartl 2002 verwendet die Formulierung, dass die Ethnogenese der Slowaken im 8. Jahrhundert begonnen habe und spätestens Anfang des 10. Jahrhunderts abgeschlossen gewesen sei. Analog behauptet die Encyklopédia Slovenska 1981, ab der Entstehung des Neutraer Fürstentums (d. h. um 800) "könne man von der ersten Phase der Existenz und Entwicklung der slowakischen Nationalität" sprechen und ab der Eingliederung der heutigen Slowakei in das Königreich Ungarn im 10. und 11. Jahrhundert sei die slowakische Nationalität "fertig formiert" gewesen. Siehe auch weiter unten unter „Bewohner Großmährens“.

Die restlichen Autoren aus dieser Gruppe sprechen vom 6. bis zum 10./11. Jahrhundert einfach nur von den „Vorfahren der Slowaken“ (es ist archäologisch nachgewiesen, dass es sich um die Vorfahren der Slowaken handelt) oder – insbesondere Archäologen - von „Slawen“.

Slowaken ab dem 7. Jahrhundert

Eine eher kleine Gruppe von Autoren bezeichnet die Vorfahren der Slowaken ab dem 7. Jahrhundert, das heißt ab der Entstehung des Reichs des Samo oder sogar bereits ab dem 6. Jahrhundert als „Slowaken“ (Ďurica 2003, Doruľa 1996, Kučera 2001, Chropovský 2001; Kučera lässt für die Zeit vor dem 11. Jh. neuerdings die Bezeichnung Altslowaken zu). Mögliche Begründungen:

  • Das Reich des Samo war das erste staatsähnliche Gebilde der Vorfahren der Slowaken, in dem sie „integriert“ wurden, und Staaten waren im Mittelalter der wichtigste Faktor für die Ethnogenese
  • Es handelte sich um direkte Vorfahren der heutigen Slowaken.
  • Es ist in vielen westeuropäischen Quellen heute üblich, slawische und andere Ethnien/Stämme bereits im (beispielsweise) 6. Jahrhundert mit ihren heutigen Namen zu bezeichnen, obwohl sie meistens schriftlich erst im 9. Jahrhundert o. ä. belegt sind. So wird zum Beispiel von „tschechischen Stämmen“ (Tschechen) und „mährischen Stämmen“ (Mährer) gesprochen, obwohl ihre Namen erst im 9. Jahrhundert zum ersten Mal schriftlich belegt sind.

Das Problem hat aber auch eine politische Dimension: Mehrere slowakische Historiker haben vor der Samtenen Revolution von 1989 offiziell eine andere Meinung vertreten (müssen) als danach. So spricht Chropovský 1989 in seinem Buch The Slavs für die Zeit Sventopluks (9. Jahrhundert) noch von „den Tschechen, Serben, slawischen Stämmen im Donaugebiet und jenen entlang der Theiß“, zehn Jahre später bezeichnet er aber „slawischen Stämme des Donaugebiets“ sogar für das 6. Jahrhundert als Slowaken. Auch Kučera betrachtete bis 1990 Großmähren als einen „gemeinsamen Staat der Tschechen und Slowaken“, was in der sozialistischen Tschechoslowakei eine sehr häufige Formulierung war. Heute spricht er von Mährern und Slowaken (oder Altmährern und Altslowaken).

Bewohner Großmährens

Ein spezifisches Problem stellt die sich in auf Großmähren beziehenden Texten belegte Bezeichnung Slověne (ausgesprochen [slowene] oder [slowäne]; auf Slowakisch heute Sloveni oder Slovieni), aus der später die Form Slowake entstanden ist, für die Bewohner Großmährens. Ein Mal wird in den Quellen alternativ die Bezeichnung „moravskije ljudi“ (d. h. mährische Völker) verwendet. Die lateinischen Quellen hingegen bezeichnen die Bevölkerung des Staates als „Sclavi/Winidi“ (d. h. Slověne/Slawen), „Sclavi Marahenses/Sclavi Margenses“ (d. h. mährische Slověne/mährische Slawen) oder „Maravi/Maravani/Maroaro“ (d. h. Mährer).

Es gibt drei Grundinterpretationen der (in diesem Zusammenhang verwendeten) Bezeichnung Slověne:

  • Nach einer Gruppe von Autoren bezeichnete das Wort Slověne alle Slawen oder vor allem die Slawen südlich der Karpaten und das Wort Mährer bezog sich nur auf den Staatsnamen oder aber es bezeichnete nur die Oberschicht im Staat. Letzteres war wohl die herrschende Meinung in den 80er Jahren (Encyklopédia Slovenska, Marsina in: Dejiny Slovenska I.)
  • Nach anderen Autoren ist das Wort eher als eine Bezeichnung für die (Vorfahren der) Slowaken aufzufassen - im Gegensatz zur damals ebenfalls verwendeten Bezeichnung Mährer, die sich eher auf die (Vorfahren der) Mährer beziehen soll (z. B. Čaplovič 1998 spricht von Slověne und Mährern)
  • Nach einer dritten Gruppe von Autoren bezeichnete der Begriff Slověne sämtliche Bewohner (des Kerns) Großmährens und Mähren sei nur eine rein geographische, vom Flussnamen abgeleitete Bezeichnung gewesen (Morava bedeutet im Slowakischen und Tschechischen sowohl Mähren, als auch March). Patriotisch orientierte Autoren (so z. B. Milan Stanislav Ďurica) interpretieren dann zusätzlich all diese Bewohner, das heißt auch die Vorfahren der heutigen Mährer, als Slowaken. Diese Ansicht wurde in der Vergangenheit vereinzelt auch von älteren tschechischen Forschern vertreten (Inocenc Ladislav Červinka); indirekt selbst von Josef Dobrovský, der 1825 schrieb: „die heutige Slowakei in Oberungarn ist das ursprüngliche Großmähren“. In der Sprachwissenschaft findet diese Ansicht insofern „Unterstützung“, als es bis zum zweiten Weltkrieg zum Teil üblich war zu behaupten und bis heute von einigen (auch tschechischen) Sprachwissenschaftlern immer noch behauptet wird, dass die (zumindest ost-) mährischen Dialekte auch heute noch der slowakischen Sprache zuzurechnen sind (vgl. Jagic 1913, S. 10,19; [5];Slovenský náučný slovník; Ottův slovník naučný; heute z. B. Machek 1997, S. 8 und siehe auch [6]). In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die Grenzgebiete Ostmährens bis zum Hochmittelalter offiziell zum Königreich Ungarn gehörten. Entsprechend der Ansicht, die Bewohner seien Slowaken, bezeichnen dann einige dieser Autoren Großmähren als das „Slowakische Reich“, das Altkirchenslawische (bzw. seine großmährische Variante) als „Altslowakisch“ und die Erwähnung einer „Slougenzin Marcha“ in einer Urkunde Ludwig des Deutschen von 860 wird mit „Slowakische Mark“ übersetzt (was somit die erste erhaltene geographische Bezeichnung der Slowakei und der ältesten Beleg der slowakischen Sprache wäre).

Siehe auch

Literatur

  • Bartl, J.: Národné dejiny in: Bartl, J.- Kamenický, M. – Valachovič, P.: Dejepis pre 1. ročník gymnázií, 2002 [slowakisch]
  • Blanár, V.: Slovakische Sprache und Literatur, in: Lexikon des Mittelalters 1977-1999
  • Čaplovič, D.: Včasnostredoveké osídlenie Slovenska, 1998 [slowakisch]
  • Chropovský, B.: The Slavs, 1989 [englisch]
  • Dejiny Slovenska I.- V., 1986 – 1992 [slowakisch]
  • Doruľa, J.: Jazykovo-historické etapy vývinu slovenskej identity, in:Seminár integračný šok. Bratislava 1996 [slowakisch]
  • Ďurica, M.:
  • Encyklopédia Slovenska I- VI, 1977-1992 [slowakisch]
  • Historický slovník slovenského jazyka I - VI (A - V), 1991 – 2005 [slowakisch]
  • Hochberger, E.: Das große Buch der Slowakei, 2003
  • Hoensch, J. K.: Studia Slovaca: Studien zur Geschichte der Slowaken und der Slowakei, 2002
  • Jagic, V.: Entstehungsgeschichte der Kirchenslavischen Sprache, 1913
  • Lukačka J. in: Honzák, F.: Dejiny Slovenska - Dátumy, udalosti, osobnosti, 2007 [slowakisch]
  • Kováč, D. et al.: Kronika Slovenska I, 1998
  • Krajčovič, R.: Pôvod a vývin slovenského jazyka, 1981 [slowakisch]
  • Kučera – Steinhübel – Chropovský – Ruttkay – Marsina – Šalkovský – Hanuliak – Sedlák – Lukačka – Krajčovič – Žeňuch – Doruľa: Slovaks in the Central Danubian Region, 2001: http://www.snm.sk/old/zbornik/zbornik_contents.htm [englisch]
  • Machek, V.: Etymologický slovník jazyka českého, 1997 [tschechisch]
  • Malá encyklopédia Slovenska, 1987 [slowakisch]
  • Marsina, R.:
  • Marsina, R. (ed.): Etnogenéza Slovákov, 2009
  • Mesároš, J.: Zložité hľadanie pravdy o slovenských dejinách, 2004 [slowakisch]
  • Mistrík et al.: Encyklopédia jazykovedy, 1993 [slowakisch]
  • Mrva, I.: http://www.kultura-fb.sk/new/old/archive/2-3-6.htm 2001 [slowakisch]
  • Ratkoš, P.: Otázky vývoja slovenskej národnosti do začiatku 17. storočia, in: Historický časopis 20, 1972 [slowakisch]
  • Slováci, Slovensko in: Ottův slovník naučný, nach 1900 [tschechisch]:[2],[3],[4],[5],[6],[7],[8],[9],[10],[11],[12]
  • Slovenský jazyk-slovenské nárečia in: Slovenský náučný slovník, 1932 [slowakisch]
  • Stanislav, J.: Slovenský juh v stredoveku I, II, 1999 und 2004 [slowakisch]
  • Steinhübel, J.: Nitrianske kniežatstvo, 2004 [slowakisch]
  • Štefanovičová, T.:
    • Osudy starých Slovanov, 1989 [slowakisch]
  • Varsik, B.: Kontinuita medzi veľkomoravskými Slovienmi a stredovekými severouhorskými Slovanmi (Slovákmi). Výber štúdií a článkov z rokov 1969 – 1992, 1994 [slowakisch]
  • Vykoupil, S.: Slowakei, 1999: http://www.vykoupil.de/homeslowlit_beck_frame.htm
  • Wlachovský, K.:

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Slowaken – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Fußnoten

  1. Volkszählung in USA, 2000
  2. Volkszählung in Ungarn (auf Ungarisch), 2001, Volkszählung in Ungarn (auf Englisch), 2001
  3. In deutschen (nicht jedoch in slawischen) Texten ist es heute üblich die zweite Phase der Entwicklung des Urslawischen als Gemeinslawisch zu bezeichnen
  4. http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Slow%C4%81ken?hl=slowaken 1905 Slowaken. In: Heinrich August Pierer, Julius Löbe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. 4. Auflage. Bd. 16, Altenburg 1863, S. 215–216 (Online bei zeno.org).
  5. http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Slow%C4%81ken?hl=slowaken 1905, http://www.zeno.org/Pierer-1857/A/Slowaken?hl=slowaken
  6. http://www.fphil.uniba.sk/index.php?id=3558

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