Sokushinbutsu

Sokushinbutsu

Sokushinbutsu (jap. 即身仏) ist eine Praxis der Selbstmumifizierung, die ihre Wurzeln in der buddhistischen Schule des Shingon-shū hat und von deren Anhängern als ein Weg verstanden wurde, durch extreme Schmerzen und Selbstverleugnung einen Weg in das Nirwana zu finden und so Teil des Buddha zu werden. Die Selbst-Mumifizierung wurde im nördlichen Japan hauptsächlich in der Umgebung der Präfektur Yamagata praktiziert; auch heute finden sich in einigen der Klöster mumifizierte Priester. Sokushinbutsu wurde im 19. Jahrhundert verboten; 1903 verstarb der letzte bekannte Priester in der Ausübung des Rituals.

Inhaltsverzeichnis

Vorgehensweise

Der Prozess wird in 3 Abschnitte von jeweils 1000 Tagen aufgeteilt. Jeder Abschnitt ist durch mentale Veränderung gekennzeichnet, als Folge der Härten und qualvollen Schmerzen, denen der Priester ausgesetzt wird. Diese Praxis dient nicht einer mystischen Erfahrung, sondern als Vorbereitung auf das Nirwana.

Der erste Abschnitt

Innerhalb der ersten 1.000 Tage hält sich der Priester an eine spezielle Diät, die nur aus Nüssen und Samen aus der Umgebung besteht. In dieser Phase unterwirft er sich großen Härten, z.B. der stundenlangen Meditation unter eiskalten Wasserfällen. Am Ende dieses Abschnittes hat der Priester bereits stark abgenommen.

Der zweite Abschnitt

In dem zweiten tausendtägigen Abschnitt reduziert sich die Nahrungsaufnahme des Priesters auf eine kleine Menge von Rinde und Wurzeln von Nadelbäumen, was zu einer extremen Abmagerung führt. Außerdem trägt diese Diät stark zur Entwässerung des Körpers bei. Am Ende dieser Periode beginnt der Priester einen giftigen Tee zu trinken, der aus dem Saft des Urushi-Baums gemacht ist.[1] Dieser Saft wird normalerweise verwendet, um Schüsseln, Teller und Möbel zu lackieren. Der Tee verursacht Erbrechen, verstärktes Urinieren und verstärkte Transpiration, um den Körper weiter zu entwässern. Zusätzlich soll dieser Tee den Körper zu giftig machen, um nicht von Maden gefressen zu werden. Möglicherweise spielt auch die Einnahme von stark arsenhaltigem Quellwasser während des gesamten Prozesses für eine erfolgreiche Mumifizierung eine Rolle.

Der dritte Abschnitt

Schließlich wird der Priester für die letzten 1.000 Tage in einer Gruft eingeschlossen, die kaum größer ist als sein Körper, in welcher er im Lotussitz verharren muss. Seine einzige Verbindung zur Außenwelt ist eine Luftröhre und eine Glocke. Jeden Tag läutet er die Glocke, um denjenigen außerhalb mitzuteilen, dass er noch lebt. Sobald die Glocke aufhört zu klingeln, wird die Luftröhre entfernt und die Gruft versiegelt. Anschließend warten die anderen Priester im Tempel bis zum Ende der 1.000 Tage; danach wird die Grabstätte wieder geöffnet, um zu sehen, ob die Einbalsamierung erfolgreich war. Wenn der Priester erfolgreich mumifiziert worden ist, wird er als ein Buddha angesehen und zur Betrachtung im Tempel ausgestellt. Man glaubte, er habe den Weg ins Nirwana gefunden.

Gewöhnlich hat jedoch die Verwesung eingesetzt. Obwohl dieser Priester dann nicht als ein wahrer Buddha angesehen wurde, wurde auch dieser für seine Hingabe und Geist bewundert und verehrt.

Vergleiche mit anderen Kulturen

Es sollte vermieden werden, diese Vorgehensweise ausschließlich vor dem Hintergrund der westlichen Kultur zu sehen. Während Selbstbestrafung im Christentum (Askese, Flagellation, etc.) oft als Versuch von Bereinigung von Sünde gesehen wird, ist Sokushinbutsu etwas völlig anderes. Auch Selbstmord wird im Buddhismus nicht grundsätzlich wie im Christentum verurteilt, solange die Motivation gut und nicht selbstsüchtig ist.[2] Um Sokushinbutsu zu verstehen, muss man die buddhistische Ansicht berücksichtigen, dass alles Leben dem Samsara unterliegt, dem konstanten Kreislauf aus Leben, Tod und Wiedergeburt. Wer aus diesem Kreislauf ausbrechen will, muss einen Weg in das Nirwana finden. Über diesen Weg gibt es viele verschiedene Ansichten, aber allen gemein ist, dass er einen enormen persönlichen Aufwand voraussetzt.[3] Forschungen dazu werden von Wissenschaftlern seit Jahren betrieben.[4][5]

Einzelnachweise

  1. Ferdinand Dupuis-Panther: Braunschweig, Naturhistorisches Museum: Mumien, aber keine „Körperwelten“ – und das ist auch gut so. Reisemagazin Schwarzaufweiss, abgerufen am 10. Dezember 2009.
  2. Lisette Gebhardt: „Bis ich zur Mumie werde“: Shimada Masahiko und die Tradition der Verweigerung – japanische Texte und Inszenierungen wider die moderne Gesellschaft. Abgerufen am 10. Dezember 2009 (pdf-Datei).
  3. Chris Mathews: Sokushinbutsu: Esoteric Buddhism and the Ethics of Altruistic Suicide. Abgerufen am 10. Dezember 2009 (pdf-Datei).
  4. Die Mumie - das Geheimnis der tibetischen Mönche. spiegel.de, abgerufen am 10. Dezember 2009.
  5. Mumienkult in Tibet - Das Geheimnis der Mönche. Doku.cc, abgerufen am 10. Dezember 2009.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Sokushinbutsu — (linktext|即|身|仏) were Buddhist monks or priests who allegedly caused their own deaths in a way that resulted in their being mummified. This practice reportedly took place almost exclusively in northern Japan around the Yamagata Prefecture. It is… …   Wikipedia

  • Sokushinbutsu — Los Sokushinbutsu (即身仏, literalmente, Consecución de la budeidad en vida ) fueron monjes budistas de la forma del Budismo Shugendō quienes, de forma diseminada en el Norte de Japón (principalmente la prefectura de Yamagata) durante el siglo XV se …   Wikipedia Español

  • Sokushinbutsu — Le concept de Sokushinbutsu (即身仏, Sokushinbutsu?), popularisé par Kobo Daishi, fondateur du bouddhisme Shingon, signifiait devenir bouddha en une vie avec ce corps. A sa mort, il entra dans une caverne du mont Kōya pour y passer ses derniers… …   Wikipédia en Français

  • Mummy — For other uses, see Mummy (disambiguation). An Egyptian mummy kept in the Vatican Museums. A mummy is a body, human or animal, whose skin and organs have been preserved by either intentional or incidental exposure to chemicals, extreme coldness… …   Wikipedia

  • Anchorite — (male)/anchoress (female), (adj. anchoritic; from the Greek polytonic|ἀναχωρέω anachōreō, signifying to withdraw , to depart into the rural countryside ), denotes someone who, for religious reasons, withdraws from secular society so as to be able …   Wikipedia

  • Incorruptibility — The body of Saint Virginia Centurione, found to be incorrupt by the Catholic Church. Incorruptibility is a Roman Catholic and Eastern Orthodox believe that supernatural (or Godly) intervention allows some human bodies (specifically saints) to… …   Wikipedia

  • Luang Pho Daeng — (also: Loung Por Daeng) was a Buddhist monk who died in mid meditation. His mummified body is on display in Wat Khun Aram, Ko Samui, Thailand. See also *Sokushinbutsu *Self mummificationReferences* [http://www.gothailand.com/samui/temples.htm Go… …   Wikipedia

  • List of InuYasha episodes — The episodes of the Japanese anime series InuYasha are based on the first 36 volumes of the manga series of the same title by Rumiko Takahashi.[1] Produced by Sunrise, the series premiered in Japan on Animax on October 16, 2000 and ran for 167… …   Wikipedia

  • Mumie — Menschliche Mumie aus dem 16. Jahrhundert, Venzone, Norditalien …   Deutsch Wikipedia

  • Mumifizierung — Die Mumifizierung ist eine künstlich vom Menschen betriebene Technik zur Konservierung eines Körpers, Körperteils eines Lebewesens unter bestimmten, meist trockenen Bedingungen. Wird ein ganzer Körper mumifiziert, spricht man von einer Mumie.… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”