Sondereinsatzkommando

Sondereinsatzkommando

Ein Spezialeinsatzkommando (kurz SEK) ist eine Spezialeinheit der Polizei. In Deutschland verfügen die Polizeien aller Länder über mindestens ein SEK. Die Spezialeinheit des Bundes ist die 1972 gegründete GSG 9. Das SEK Baden-Württemberg gehört als einziges SEK dem ATLAS-Verbund europäischer Polizei-Spezialeinheiten an. Während früher auch im amtlichen Sprachgebrauch Sondereinsatzkommando verwendet wurde, wird es heute nur noch umgangssprachlich verwendet, da der Begriff wegen der gleichnamigen SS-Spezialeinheit belastet ist.

Inhaltsverzeichnis

Auftrag

SEKs sind für Terrorismusbekämpfung, Geiselbefreiung und Zugriffe ausgebildet. Sie kommen bei besonderen Gefährdungslagen sowohl präventiv (zum Beispiel zum Schutz bei Staatsbesuchen), als auch operativ (auf Anforderung regulärer Polizei) zum Einsatz und sind vergleichbar mit den SWAT-Teams der US-amerikanischen Polizei.

Organisation

Das SEK kann organisatorisch der Bereitschaftspolizei, dem Innenministerium oder auch einer großen überörtlichen Polizeidienststelle (Präsidien usw.) angegliedert sein. In den meisten Bundesländern jedoch verstärkt sich die Tendenz, die SEK den Landeskriminalämtern (LKA) organisatorisch anzugliedern, möglichst gemeinsam mit den Mobilen Einsatzkommandos (MEK). Die Struktur der SEK im Detail ist von Bundesland zu Bundesland verschieden.

Manche Bundesländer orientieren sich dabei an regionalen Kriminalitätsschwerpunkten. So haben beispielsweise Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz SEKs in mehreren größeren Städten eingerichtet, während in Bayern und Hessen zwei Einheiten existieren die jeweils für die Nord- und die Südhälfte des Landes zuständig sind. Flächenländer mit vergleichsweise geringer Gewaltkriminalität wie Brandenburg haben hingegen ein SEK zentral eingerichtet, meistens in der Landeshauptstadt.

Rekrutierung und Ausbildung

Die Mitglieder eines SEK sind speziell ausgebildete und intensiv trainierte Polizeibeamte. Beim SEK finden nur Polizeibeamte Verwendung, die bereits im regulären Polizeidienst tätig waren (i. d. R. mind. drei Jahre) und die sich einem schwierigen Auswahlverfahren stellen müssen, um in die Spezialeinheit aufgenommen zu werden. Gängig ist die Praxis einer Altersbegrenzung zwischen 23 und 34 Jahren für die Bewerber. Rein formal ist Frauen der Zugang zu den SEKs nicht verwehrt, wenngleich bisher wenige Polizistinnen in der Lage waren, das Auswahlverfahren zu meistern. Einzige Ausnahme ist hier das SEK des Stadtstaates Hamburg (in Hamburg als Mobiles Einsatzkommando (MEK) bezeichnet, da hier das MEK auch die Aufgaben eines SEK übernimmt), welches von Beginn an Frauen in allen Funktionen einschließlich den Zugriffskräften eingestellt hat. Laut den offiziellen Angaben der Einheiten selbst oder der jeweiligen Innenministerien dieser Länder gehörten oder gehören zum SEK Frankfurt am Main ebenfalls Frauen.

In der Regel wird von den Bewerbern nur ein geringer Anteil in das SEK aufgenommen. Das Anforderungsprofil setzt nicht nur auf eine überdurchschnittlich gute körperliche Kondition, sondern auch auf Charakterstärke, hohe Sozialkompetenz, Urteilsvermögen und Stressbelastbarkeit.

Bei erfolgreich bestandenem Aufnahmetest, der sich in physische und psychische Tests sowie ein Stressbelastungsgespräch des Bewerbers mit einem Gremium der Einheit, vielerortens bestehend aus dem Kommandeur, seinem Stellvertreter, einen Psychologen und einem erfahrenen Mitglied der Einheit, gliedert, erfolgt eine mehrmonatige Spezialausbildung, in der vor allem körperliche und psychische Belastbarkeit, aber auch das Eindringen in Gebäude, Fahr- und Klettertraining, Kampfsport (Ju-Jutsu) sowie umfassende Schießfertigkeit trainiert werden. Hierbei werden die SEK-Anwärter gezielt an die Grenzen ihrer körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit gebracht.

Mitglieder eines SEK bekommen einen Gefahrenzuschlag von 150 € pro Monat zu ihrem Gehalt, wenngleich für sie oftmals andere Zulagen wegfallen können.

Je nach Bundesland müssen die Beamten die Zugriffskräfte eines SEK beim Erreichen einer Altersgrenze, die bei etwa 45 Jahren liegt, wieder verlassen.

Ausrüstung

SEK-Kräfte tragen schwere ballistische Westen und Helme, standardmäßig Pistolen und je nach Einsatzlage Maschinenpistolen, sowie Präzisionsschützen entsprechend Präzisionsgewehre verschiedener Ausführungen.

Außerdem benutzen SEK-Kräfte zivile, meist stark motorisierte Einsatzfahrzeuge verschiedenster Fahrzeughersteller mit Tarnkennzeichen um im Alltagsverkehr nicht erkannt zu werden und um schnell zum Einsatzort gelangen zu können. Die hohe Motorleistung ist höchstwahrscheinlich auch darauf zurückzuführen, dass das SEK ggf. an Verfolgungsjagden der Polizei teilnimmt (z.B. um im Rahmen einer mobilen Geiselnahme in einem Kraftfahrzeug dieses gewaltsam zu stoppen). Weiterhin zeichnen sich SEK-Einsatzfahrzeuge durch spezielle Umbauten (z.B. zwei Magnetblaulichter statt eines um besser erkannt zu werden) aus. Hierzu werden aber aus Geheimhaltungsgründen keine weiteren Details genannt.

Die Ausrüstung der SEKs kann von den Einheiten selbst ausgewählt werden (siehe Fahrzeuge) und ist nicht an die Beschaffungspolitik der übergeordneten Landespolizei gebunden. Allgemein aber haben sich im Bereich der Schusswaffen die Pistolen Glock 17 und Sig Sauer P228 und die Maschinenpistole Heckler & Koch MP5 durchgesetzt, im Bereich der Präzisionsgewehre das Heckler & Koch PSG1 und das Blaser R 93. Die Schutzausrüstung kann variieren und ist je nach Einsatzzweck bis zu 30 Kilogramm schwer. Seit Mitte der 1990er Jahre setzen immer mehr SEKs auch auf Kampfflinten zur Abwehr von Kampfhunden. Weiterhin wurden von einigen der Einheiten auch Sonderwaffen angeschafft wie Präzisionsgewehre im übergroßen Kaliber .50 BMG, welche bei Einsatzlagen auf großen Freiflächen wie Flughäfen und Hafenanlagen aber auch auf Seen, bei Einsätzen im Hochgebirge (SEK Südbayern) und in Städten mit hohen Gebäuden wie Frankfurt am Main zum Einsatz kommen könnten.

Um ihre Identität zu verbergen, tragen Beamte des SEK außerdem Sturmhauben. Die offizielle Begründung für diese Praxis ist der Schutz der Beamten und ihrer Angehörigen vor Racheakten und dem bei Enttarnung allgemein höherem öffentlichen Interesse des sozialen Umfelds und ferner die Erhaltung der Einsatzfähigkeit bei verdeckten Observationen bei denen die Beamten nicht im vorhinein erkannt werden sollen. Außerdem dient die Maske psychologischen Zwecken (Einschüchterung des Täters). Das SEK tritt sowohl in oben beschriebener „voller Kampfmontur“ als auch zivil in Aktion, um bei Zugriffen auf Schwerkriminelle nicht von vorneherein erkannt zu werden oder aber wenn Beamte in ihrer Freizeit zu einem Einsatz beordert werden.

Im Alltag auf der Dienststelle tragen die SEK-Beamten Einsatzoveralls, die in den meisten Bundesländern mit einem SEK-internen Abzeichen, der sog. „SEK-Schwinge“, versehen sind.

In puncto Einsatzhäufigkeit gibt es zwischen den Bundesländern durchaus Unterschiede; so sind die SEKs in Berlin, Frankfurt sowie im Ruhrgebiet am meisten mit Einsätzen belastet. Das SEK Berlin und Frankfurt bringen es seit Jahren auf Spitzenwerte von ca. 500 Einsätzen pro Jahr, die SEKs in NRW zusammen auf etwa 900 Einsätze.

Insgesamt haben die einzelnen SEKs seit ihrer Aufstellung in den frühen 1970er Jahren bis zu mehrere tausend Einsätze bewältigt. In der Regel wurde nur bei einem verschwindend geringen Anteil dieser Einsätze von der Schusswaffe Gebrauch gemacht. In keinem Bundesland übersteigt die Zahl des Schusswaffengebrauchs gegen Menschen (den Finalen Rettungsschuss mit eingeschlossen) die Marke von 10 Fällen.

In manchen Bundesländern zählen zu den Spezialeinheiten auch die Mobilen Einsatzkommandos (MEK) und die Verhandlungsgruppen, die sich aus speziell als Unterhändler geschulten Beamten zusammensetzen. Die MEKs arbeiten sehr eng mit dem SEK zusammen und sind spezialisiert auf Observationen sowie Einsätze zwischen wechselnden Orten (z. B. Omnibusentführungen), sog. mobile Lagen.

Geschichte und Einsätze

SEKs sind, wie auch die GSG 9 der Bundespolizei, nach dem terroristischen Anschlag während der Olympischen Spiele 1972 in München gegründet worden. In der Folge dieser Ereignisse beschloss die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren 1974 das „Konzept für die Aufstellung und den Einsatz von Spezialeinheiten der Länder und des Bundes für die Bekämpfung von Terroristen“. Dieser Beschluss kann als die Geburtsstunde der Spezialeinheiten in Deutschland angesehen werden.

Spezialeinsatzkommandos stehen insbesondere bei Geiselnahmen, aber auch bei brisanten Entführungsfällen im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Beispiele hierfür waren das Gladbecker Geiseldrama im August 1988 oder die Kaperung eines Touristikbusses in Köln 1995, Geiselnahmen in Gefängnissen und ähnliches. Obwohl öffentlich viel beachtet, machen derartige Einsätze nur einen geringen Teil des SEK-Alltags aus. Die meisten SEK-Einsätze finden in den Medien und der Tagespresse kaum Erwähnung und haben auch die Vollstreckung von Haftbefehlen, die Reaktion auf Selbstmordversuche, die Begleitung von Gefangenentransporten oder den Einsatz gegen verbarrikadierte Personen zum Inhalt, allerdings werden auch Razzien im Bereich der organisierten Kriminalität (beispielsweise „Türsteherszene“ oder illegales Glücksspiel) durchgeführt. Zum Aufgabengebiet gehören weiterhin Personen- und Zeugenschutz-Maßnahmen. Früher wurden SEKs auch bei besonders gewalttätig verlaufenden Demonstrationen eingesetzt, allerdings haben sich seit den Auseinandersetzungen an der Baustelle der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf in den späten 1980er Jahren in diesem Bereich die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten, in Bayern auch Unterstützungskommando (USK) genannt, etabliert.

Ähnliche Organisationen im Ausland

  • SWAT, die Spezialeinheit für Sondereinsätze der USA

Verweise

Interne Verweise

Literatur

  • Reinhard Scholzen: SEK, Spezialeinsatzkommandos der deutschen Polizei. 1. Auflage. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-613-02016-5

Weblinks


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