Spaniolen

Spaniolen

Als Sephardim (Hebräisch: ספרדים=Sfaradim, deutsch Sepharden) bezeichnen sich die Juden und ihre Nachfahren, die bis zu ihrer Vertreibung 1492 und 1531 in Portugal und Spanien (Andalusien) lebten und die sich nach ihrer Flucht zum größten Teil im Osmanischen Reich und in Nordwestafrika (Maghreb) ansiedelten. Ein kleiner Teil siedelte sich auch in Nordeuropa, insbesondere den Seehandelsstädten der Niederlande, dort insbesondere in Amsterdam, und Norddeutschlands, dort insbesondere in Hamburg, aber auch in Amerika, Indien und Afrika an. Ihre Kultur basierte weiterhin auf der iberischen Kultur. Darin unterscheiden sich Sephardim von den kulturell deutsch geprägten Aschkenasim aus Mittel- und Osteuropa.

Inhaltsverzeichnis

Namensherkunft

Der Name Sephardim leitet sich von der in Obd 1,20 EU genannten Ort- oder Landschaft Sefarad (ספרד) ab, wo seinerzeit Angehörige der vertriebenen zehn Stämme des Nordreiches lebten. Der Name wurde im Mittelalter auf die Iberische Halbinsel und die von dort stammenden Juden übertragen.

Geschichte

Auf der Iberischen Halbinsel waren bereits vor dem 1. Jahrhundert n. Chr. Juden ansässig.

Gedenktafel in Porto zur Vertreibung der Juden

1391 kam es in Sevilla unter Ferrand Martinez zu einem Pogrom. Nach Abschluss der Reconquista Spaniens durch Ferdinand II. und Isabella I., „Los Reyes Católicos“ (die „Katholischen Könige“) begann mit dem Alhambra-Edikt vom 31. März 1492 die – unter den Mauren bis dahin nicht gekannte – erste Verfolgung von Juden, denen die Wahl zwischen Exil oder Konversion zum Christentum blieb. Nach der Vertreibung aus Spanien ließ sich der größte Teil von ihnen in Nordafrika nieder, vor allem in Marokko in den Städten Fès und Casablanca. Ein weiterer Teil zog nach Griechenland, besonders nach Thrakien und Makedonien, worauf die letztlich außerordentlich hohe Zahl von Juden in der Stadt Thessaloniki bis 1944 zurückgeht. Als Zentren des sephardischen Ritus gelten neben Fès und Thessaloniki die Städte Istanbul, Jerusalem, Safed, Kairo, Ancona, und Venedig.

Nach der Einführung der Inquisition in Portugal 1531 setzte die zweite Verfolgungswelle gegen die Juden in Portugal und Spanien ein. Außer Juden, die bei ihrem Glauben geblieben waren, wanderten auch viele Konvertiten und Marranen (zwangsweise getaufte Juden) aus. Ziele der Auswanderung waren nach wie vor Hafenstädte, da viele Flüchtlinge im Großhandel tätig waren, darunter Fès, Casablanca, Bayonne, Bordeaux, Livorno, später auch Amsterdam, Hamburg und London. Im Gegensatz zu den früheren Auswanderern sprachen sie meist Portugiesisch oder Spanisch, nicht mehr Ladino.

Die letzte große Einwanderungswelle erreichte Marokko während der Schoa im Zweiten Weltkrieg, oft als Zwischenstation ins überseeische Exil, zuweilen jedoch auch als Endpunkt der Auswanderung.

Sultan Sidi Mohammed Ben Jussuf (König Mohammed V.) weigerte sich, die „Ausnahmegesetze“ des französischen Vichy-Regimes über die „Behandlung der Israeliten“ zu unterzeichnen.

Ursprünglich sephardische Namen wie Ben-Chekroun (abgeleitet von Ben-Chocron oder Ben-Choucroun) und Ben-Jaloun kommen vor allem in „Maghreb el arabi“ / Marokko, Tunesien und Algerien häufig vor. Die Träger dieser Namen sind oft seit Jahrzehnten Muslime, verstehen sich aber als Nachkommen der sephardischen Juden.

Bekannte sephardische Jüdinnen und Juden

  • Der bedeutendste jüdische Gelehrte des Mittelalters Mosche ben Maimon, genannt Maimonides (1135 oder 1138 - 1204), stammte aus Córdoba.
  • Baruch/Benedict de Spinoza (1632 - 1677), holländischer Philosoph, stammte aus einer Marranen-Familie aus Portugal.
  • Camille Pissarro (1830–1903), einer der wichtigsten französischen Maler des Impressionismus, war sephardischer Jude.
  • Amedeo Modigliani (1884 - 1920), italienischer Maler und Bildhauer, stammte aus einer sephardischen Familie aus Livorno.
  • Der Literaturnobelpreisträger Elias Canetti (1905 - 1994), stammte aus einer bulgarischen sephardischen Familie.
  • Rita Levi-Montalcini (* 1909), US-amerikanisch-italienische Neurologin und Neurobiologin, stammt aus einer sephardischen Familie aus Turin. 1986 bekam sie zusammen mit Stanley Cohen den Nobelpreis für Medizin und Physiologie.
  • Carl Djerassi (* 1923), österreichisch-amerikanischer Chemiker, Entdecker des Cortisons, Erfinder der Antibabypille, stammt väterlicherseits aus einer bulgarischen sephardischen Familie, mütterlicherseits aus einer aschkenasischen.
  • Vidal Sassoon (* 1928), bekannter Friseur, Unternehmer und Philanthrop, entstammt einer Londoner sephardischen Familie.
  • Der amerikanische Pianist und Dirigent Murray Perahia (*1947) entstammt einer sephardischen Familie aus New York.
  • Der christlich getaufte Benjamin Disraeli (1804 - 1881), Schriftsteller und englischer Premierminister (seit 1876 1. Earl of Beaconsfield), stammte aus einer sephardischen Familie, die aus Italien nach England eingewandert war.

Sephardisches Hebräisch

Die Hebraistik folgt in der Aussprache des masoretischen Textes hinsichtlich der Vokale der sephardischen Tradition. Die sephardische Aussprache zeichnet sich durch Realisierung des Qames als langes a aus, während man im Aschkenasischen ein kurzes o setzt.

Im gesprochenen Neuhebräisch (Ivrit) folgt die Aussprache der Vokale der sephardischen Tradition, während die Aussprache der Konsonanten stark europäisiert ist, d.h. u.a. auf die emphatischen Laute verzichtet.

Sephardim in Israel

Die religiöse Shas-Partei in Israel versteht sich insbesondere auch als Wahrer der sephardischen Glaubensausprägung. Neben den Aschkenasim stellen die Sepharden in Israel einen eigenen Oberrabbiner.

Literatur

  • Georg Bossong: Die Sepharden. Geschichte u. Kultur der spanischen Juden. München 2008. ISBN 978-3-406-56238-9
  • Sabine Kruse und Bernt Engelmann (Hrsg.): „Mein Vater war portugiesischer Jude...“  −  Die sefardische Einwanderung nach Norddeutschland um 1600 und ihre Auswirkungen auf unsere Kultur, Steidl-Verlag, Göttingen 1992, o.ISBN, 224 S. Illustrierter Katalog (s/w und color.) zur gleichnamigen Ausstellung im Jüdischen Museum in Rendsburg und im Burgkloster von Lübeck 1992/1993
  • Michael Studemund-Halévy: Biographisches Lexikon der Hamburger Sefarden. Verlag Christians, ISBN 3767212935
  • Michael Studemund-Halévy (Hrsg.): Die Sefarden in Hamburg. Zur Geschichte einer Minderheit. 2 Bände. Hamburg 2001. ISBN 3875480481 und ISBN 3875480996-
  • Schlomo Svirsky, Devorah Bernstein, Karlheinz Schneider: Sefarden in Israel. Zur sozialen und politischen Situation der Jüdisch-Orientalischen Bevölkerung. ISBN 3925031022

Siehe auch

Weblinks


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