- Speed Run
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Unter einem Schnelldurchspielen bzw. Speedrun, auch Speed Run geschrieben, versteht man das Durchspielen eines Computerspiels innerhalb einer (angestrebten) schnellstmöglichen Zeit.[1] Der Begriff wird nur bei Spielen verwendet, deren primäres Ziel nicht Geschwindigkeit ist - bei Rennspielen wird beispielsweise nicht von Speedruns gesprochen. Das während des Durchspielens entstehende Video- und Audiomaterial wird häufig aufgenommen (als Videodatei, oder als Demo-Recording) und der Internet-Community zur Verfügung gestellt.
Inhaltsverzeichnis
Motivation und Bedeutung von Speedruns
Die Hauptmotivation eines Speedruns liegt für den Spieler meist darin die Rekordzeit in der das Spiel durchgespielt wurde zu unterbieten. Die Anforderungen an Geschicklichkeit und Kontrolle an den Speedrunner liegen weit über denen eines normalen Spielers. Die erreichten Speedrun-Zeiten liegen entsprechend unter den normalen Spielzeiten. So ist es nicht untypisch, dass in Speedruns klassischer Sidescrolling-Jump'n'Runs (wie z.B. Super Mario Bros. auf dem NES) die meiste Zeit der Vorwärts-Button auf dem digitalen Steuerkreuz gehalten wird, um mit maximalen Tempo von „links nach rechts“ durch die Levels zu laufen. Computergegner, deren Berührung in der klassischen Videospielkultur der 1980er und 1990er Jahre für den Spielecharakter Energieabzug oder das Spielende bedeutete, werden in Speedruns mit höchstmöglicher Präzision umgangen.
Obwohl ein Speedrun auch für sich alleine gespielt werden kann, sichert doch erst ein Beweis der Leistung, also ein Screenshot der erreichten Zeit oder eine Videoaufnahme der gesamten Leistung, die Anerkennung der Community und wird daher von den meisten Speedrunnern bevorzugt.[1]
Prinzipiell lassen sich Speedruns auf jeder Konsole und auch dem PC spielen, allerdings gibt es erkennbare Vorlieben für bestimmte Genres. Einerseits sind First-Person-Shooter mit Demorecording auf dem PC beliebt. Die vergleichsweise kurzen Aufnahmen ließen sich im schmalbandigen Internet der 90er leicht verbreiten. Konsolen sind zwar auf echte Videoaufnahmen angewiesen, allerdings ist deren Aufnahme deutlich einfacher und flexibler als auf dem PC. Dort reicht eine Aufnahme des Videoausgangs des Fernseher durch einen Videorecorder. Die Möglichkeit, ältere Konsolenspiele am PC zu emulieren, hat weiter zur Popularität von Speedruns von Konsolenspielen beigetragen. Hier sind Sidescroller (sowohl Shoot'em'Ups als auch Jump'n'Runs) und Adventures besonders beliebt.
Speedruns hinterfragen das eigentliche Spielkonzept vieler Computerspiele durch das Präsentieren alternativer Lösungswege. Durch die Benutzung solcher alternativen Lösungswegen, welche von einem normalen Spieler meist übersehen werden, da diese oft nicht der Geschichte des Spieles folgen, wird dem Betrachter eines Speedruns meist eine neue Perspektive für das Spiel eröffnet. So ist es in praktisch keinem Speedrun von Interesse, möglichst alle Sammelgegenstände wie zum Beispiel Münzen (Super Mario Bros.) oder Powerups (The Legend of Zelda, Metroid) zu sammeln. In vielen Speedruns ist sogar zu erkennen, dass der Spieler bewusst das Einsammeln von Collectibles vermeidet, um die zeitintensive „Punkteabrechnung“ am Ende eines Levels zu verkürzen.
Eine Ausnahme bilden sogenannte 100% Runs, bei denen es darum geht, das betreffende Spiel vollständig innerhalb der kürzestmöglichen Zeit durchzuspielen.
Zum Erzielen eines erfolgreichen Speedruns gibt es viele Möglichkeiten. Neben eher offensichtlichen Empfehlungen, wie den Run-Button gedrückt zu halten und niemals mit dem Laufen aufzuhören, gibt es auch viele andere Methoden. Dazu zählen Programmfehler („Bugs“ oder „Glitches“ genannt), „Level Warps“ oder die „Problemvermeidung“ (zum Beispiel das Umgehen von vermeidbaren Leveln oder Gegnern).
Grundsätzlich ausgeschlossen und „verboten“ ist das Verwenden von Cheats, um sich Vorteile zu verschaffen.[2]
Geschichte
Doom war das erste Spiel, zu dem sich eine Fangemeinde entwickelte, deren Ziel als Speedrunning bezeichnet werden kann.[1][3] In Newsgroups und über Webseiten und FTP-Server wurden ab etwa 1994 Doom-Demos ausgetauscht. Im 1996 erschienenen 3D-Shooter Duke Nukem 3D spielten die Entwickler von 3D Realms auf Speedruns an, indem sie am Ende jedes Levels außer der Zeit des Spielers (Your Time) auch eine meist sehr viel kürzere Zeit einblendeten (3D Realms Time). Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde Speedrunning über das 1997 veröffentlichte Quake Done Quick Project, in dem der Doom-Nachfahre Quake gespielt wurde. Später folgten Quake Done Quicker, Quake Done Quick with a Vengeance und Scourge Done Slick, in denen zusätzlich zum hervorragenden Speedrunning auch eine humorvolle Story und Kameraperspektiven aus der dritten Person genutzt wurden, wodurch die QdQ Projekte unter anderem auch zu einem Vorreiter der Machinima-Bewegung wurden.
Zu dieser Zeit wurde in einigen Spielen bereits neben dem meist vorgesehenen High-Score auch um die beste Zeit gekämpft, wenn auch weniger organisiert als die Quake-Spieler. Besonders die Metroid-Reihe, die für bessere Zeiten leicht veränderte Abspänne zeigt, verführte zur Geschwindigkeit. Legend of Zelda und die Super Mario-Spiele waren ebenfalls beliebt, auch wenn bei Konsolenspielen die Verbreitung von Aufnahmen nicht möglich war.
Ein weiteres wichtiges Datum war der 20. November 2003, an dem eine Aufnahme für das Spiel Super Mario Brothers 3 fertiggestellt wurde, die anders als die meisten bisherigen Runs an einem Emulator mit technischen Hilfen gespielt wurde. Die Zeit von 11:04 des Japaners もりもと (Morimoto) ist bis heute außerhalb der Möglichkeiten eines menschlichen Spielers, und die Aufnahme erlangte in den Folgemonaten große Bekanntheit im Internet. Schon früher gab es Quake-Runner, die auf technische Hilfsmittel zurückgriffen, allerdings wurden diese tool-assisted Quakeruns außer Konkurrenz gewertet. Morimotos Video war allerdings nicht als besonders gekennzeichnet, und so fühlten sich viele vom wahren Ursprung betrogen. In der Folge entwickelten sich aus Morimotos Video die Tool-Assisted Speedruns.
Die öffentliche Verbreitung von Speedruns ist nicht zuletzt eine Folge der Seite Speeddemosarchive, die nach langer Quake-Tradition ab November 2003 auch anderen Spielen geöffnet wurde und heute die zentrale Anlaufstelle für klassische Speedruns im englischsprachigen Raum ist.
Als Gegenpart entwickelte sich Bisqwits Seite ab 2004 zu einem Attraktor für Tool-Assisted Speedruns, und bietet sich heute als Plattform für neue Runs an.
Toolgestützte Speedruns (Tool-Assisted Speedruns)
Um näher an die theoretisch mögliche untere Grenze, unter der ein Spiel nicht durchspielbar ist, zu kommen, kamen toolgestütze Speedruns (zum Teil auch als „Time Attacks“ bezeichnet) auf. Durch die begrenzten menschlichen Reaktionen ist es nicht möglich, die richtige Eingabe exakt genau zu tätigen. So wurde beim Aufkommen von Emulatoren für die alten 8-Bit- und 16-Bit-Konsolen NES, SNES und Sega Mega Drive versucht, mit Programmen die Abläufe zu optimieren. Die Fähigkeiten dieser Emulatoren, Spiele in Zeitlupe zu spielen und dabei Aufnahmen der Steuereingaben zu machen, führten zu den Tool-Assisted Speedruns.[1] Diese verstehen sich nicht mehr als Wettstreit um den besseren Spieler, sondern widmen sich dem Ziel, die optimal mögliche Zeit zu erreichen und daraus unterhaltsame Videos zu produzieren.
Prinzipiell werden „klassische Speedruns“ in der Speedrun-Community höher angesehen, da hier das Können des Spielers präsentiert wird, gegenüber Tool-Assisted Speedruns, die eher in einem künstlichen Umfeld erstellt werden.
Es hat Versuche gegeben, suboptimale Tool-Assisted Runs als echte Speedruns einzureichen, doch dadurch grenzt sich die betreffende Person von beiden Teilen der Community aus. Bei entsprechender Begutachtung lässt sich aus dem resultierenden Video feststellen, ob Hilfsprogramme verwendet wurden.
Unterschiedliche Facetten von Speedruns
Speedruns lassen sich kategorisieren. Im Folgenden eine Anzahl an Attributen die einem Speedrun zugeschrieben werden können. Da die meisten Speedruns in internationaler Gemeinschaft erstellt werden, werden hier die Originalbezeichnungen in Englisch verwendet:
- Perfect: Kommt nur bei klassischen Speedruns auf Konsole oder PC vor. In einem „Perfect Speedrun“ versucht man, ohne Energieverlust des Spiele-Helden von Anfang bis zum Ende zu spielen.[1]
- Single Segment: Ebenfalls nur bei klassischen Speedruns. In diesen wird die Möglichkeit des Speichern komplett ignoriert und das Spiel in einer einzigen Sitzung durchgespielt. Bei Spielen mit einer minimalen Spieldauer von über 2–4 Stunden eine gewaltige Herausforderung [4][1].
- No Damage: In vielen Spielen ist es möglich die Spielfigur absichtlich treffen zu lassen (und dadurch die Sanktionen des Spiels, normalerweise Energieverlust, in Kauf zu nehmen) und trotzdem Zeit zu sparen, sei es durch die geschickte Ausnutzung der folgenden Unverwundbarkeitsphase, oder durch Ausnutzung des Rückstoßes („damage boost“). Ein Run, der dieses Ziel nicht verfolgt, kann auch mit „takes damage to save time“ markiert sein, zu deutsch „nimmt Schaden um Zeit zu sparen“. Der Unterschied zum Perfect Run ist hier, dass No Damage als Restriktion aufgefasst wird, die sich nachteilig auf die erreichte Zeit auswirkt, während Perfect Run eher bei Spielen auftaucht, wo es sehr schwierig ist überhaupt nicht getroffen zu werden.
- No Death: Ähnlich „No Damage“ kann es schneller sein, die Spielfigur sterben zu lassen. Sollte ein Run von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch machen, wird er als „No Death“ („kein Tod“) bezeichnet.
- Manipulates Luck: Computer kennen keine Zufallszahlen. Um trotzdem den Eindruck von Zufälligkeit in einem Computerspiel zu erzeugen, wird häufig aus den vorhergehenden Eingaben des Spielers auf komplexe Weise eine Zahl errechnet, die im Nachhinein zufällig aussieht, es aber trotzdem nicht ist. In einigen Spielen ist jedoch ein Muster in dieser Generierung bekannt, und kann ausgenutzt werden (Beispiel: Setzers „Joker Death“ Angriff in Final Fantasy VI). In einigen „Tool Assisted Speedruns“ kann man durch beliebiges Wiederholen mit anderen Eingaben einen ähnlichen Effekt erzeugen um Zufallszahlen in einer für den Spieler positiven Weise zu beeinflussen.
- Warpless: Ein Run wird „Warpless“, frei übersetzt „ohne Warps“, genannt, wenn bekannte Abkürzungen im Spiel ignoriert werden und der Spieler tatsächlich den natürlichen Weg nimmt, auch wenn dieser Weg langsamer ist als ein optimaler Pfad.[1] Als „Warps“ werden vom Designer beabsichtigte, meist schwer zu findende Abkürzungen bezeichnet, die das Spiel zum Teil auf einen Bruchteil seiner Länge reduzieren.
- Glitchless: In einem Glitchless Speedrun oder Clean Speedrun wird der Speedrun ohne Ausnutzen von Programmierfehlern (Programmierfehler wie z.B. durch Wände laufen, Warp des Charakters in eine andere Stelle des Levels, plötzliche für immer währende Unverwundbarkeit) durchgeführt.[1] Was in einem Spiel ein erlaubter Trick ist, und was bereits ein Glitch ist, ist häufig Gegenstand heftiger Diskussionen.
- 100%: Diese Modifikation hat Ihren Ursprung im ersten Teil von Doom. Das Spiel zeigte dem Spieler beim Abschließen des Levels an wie viel Prozent der Secrets (versteckten Extras) er gefunden und wie viel Prozent der Gegner er besiegt hatte. In beidem 100% zu erreichen etablierte sich als eigene Kategorie. Was bei einem Spiel in einem 100%-Run alles erreicht werden sollte ist allerdings nicht immer eindeutig wenn das Spiel keine eigene Definition davon mitbringt.
- Low%: Im Gegensatz zum 100% kann der Spieler aber auch versuchen nur das absolute Minimum einzusammeln. In einigen Spielen ist das deutlich weniger als man beim ersten Durchspielen vermuten würde. So ist es zum Beispiel möglich Metroid Fusion (Game Boy Advance) mit 0% durchzuspielen.[1]
- Pacifist: Zu deutsch Pazifist. In Spielen die nicht als Hauptziel haben Gegner zu besiegen kann man auf derlei Gewalt komplett verzichten. Dadurch wird das Spiel natürlich enorm schwieriger da die Gegner diese friedliche Haltung nicht teilen werden …
Speedruns für den PC
Bei PC-Spielen ergibt sich die Problematik, dass es Patches gibt, die Programmierfehler älterer Vorgängerversionen ausbessern. Dadurch gehen auch Programmierfehler verloren, durch die vorher schnellere Speedruns möglich waren
Ein anderer Aspekt bei PC-Spielen ist, dass diese zum Teil deutlich offener gestaltet sind, und eventuell das Aufnehmen von Demos direkt in der Engine erlauben. Besonders First Person Shooter und Multiplayerstrategiespiele bieten oft diese Möglichkeit. Dies vereinfacht das Aufnehmen von Runs bei deutlich kleinerer Demogröße, setzt allerdings voraus, dass der Betrachter das Spiel selbst installiert hat.
Speedruns für Spielekonsolen
Generell lässt sich sagen, dass Speedruns auf Spielekonsolen, insbesondere den alten Spielekonsolen der 8-Bit- und 16-Bit-Ära, beliebter sind als jene für PC-Spiele. Dies erklärt sich durch standardisierte Hardware, standardisierte Spiele ohne Patchmöglichkeit und die Verfügbarkeit von Emulatoren.
Durch den Einsatz von Emulatoren ist es einfach, Speicherstände zu erstellen und Steuereingaben „aufzunehmen“, sodass es sogar möglich ist, den eigenen Speedrun vor- und zurückzuspulen, und missglückte Steuereingaben rückgängig zu machen, ohne von Beginn anfangen zu müssen. Der gesamte Demo-Record besitzt somit perfekte Steuereingaben.
Techniken
Routenplanung
Routenplanung ist vor allem bei nichtlinearen Spielen wichtig. Oft gibt es keine offensichtliche schnellste Route und manchmal ist die kürzeste Route langsamer als eine längere. Eine an sich kürzere Route kann so komplex sein, dass ein menschlicher Spieler sie praktisch unmöglich spielen kann, und der Runner muss einen Kompromiss zwischen Geschwindigkeit und Machbarkeit finden. [4].
Die günstigsten Routen sind allerdings oft so nicht von den Programmieren vorgesehen worden. Erfahrene Spieler finden oft Wege, Teile des Spiels in anderer Reihenfolge zu spielen als vorgesehen oder sogar ganze Teile zu überspringen. Diese Abkürzungen werden im allgemeinen Sequence Breaking, zu deutsch in etwa Abfolge aufbrechen genannt. Sie sind möglich, weil die Designer sie übersehen oder absichtlich implementiert haben . Ein solcher absichtlicher Trick in Ego-Shootern ist der Rocket Jump, der darauf baut, absichtlich auf eine Explosion zu springen und sich von ihr hochschleudern zu lassen. Der Schaden, den die Spielfigur dabei erleidet, wird in Kauf genommen.
Glitches
Glitches sind Programmierfehler, die sich ausnutzen lassen. Im Gegensatz zu Sequence Breaks sind Glitches einfach nur Fehler im Spiel, die so nicht beabsichtigt waren. Bekannte Beispiele sind mangelnde Kollisionserkennungen, die der Spielfigur erlauben durch solide Wände zu gehen, oder Statusinkonsistenzen, die zum Teil in unvorhersehbarem Verhalten resultieren.
Speedrun als Kultur und Kritik
Speedruns stellen für sich eine Maximierung der Computerspiele-Prämisse dar: Das Ziel des Computerspieles, das letzte Level zu erreichen, erhält oberste Priorität. Die insbesondere in alten 8-Bit- und 16-Bit-Tagen monotonen, langatmigen und oberflächlichen Dialoge von Protagonisten in Computerspielen werden durch schnelles „Skippen“ einfach übersprungen. Die von Programmierern eingebauten Spielefacetten („Sammel alle Münzen“, „Hole alle Powerups“, „besiege alle Gegner“) werden in Speedruns auf das Minimale reduziert. Dieser Wechsel der Perspektive läuft mit einer Kritik an die Computerspielkultur einher: das Computerspiel wird extremisiert, es wird auf seine Banalität hingewiesen, und der eigentliche Spielspaß wird auf das bloße Durchspielen bis zum Ende reduziert. Zudem lässt sich die Softwarequalität eines Spieles manchmal gut am Auftreten der ausgenutzen Glitches in einem Speedrun abschätzen.
Quellen
- ↑ a b c d e f g h i Spiegel Online
- ↑ Speeddemoarchive
- ↑ Giga
- ↑ a b Half-Life „In 45 Minuten und 45 Sekunden …“
Weblinks
- Das Speed Demos Archive mit zahlreichen Speedruns (englisch)
- Speedruns für Spielekonsolen, die zur Kategorie „Tool-Assisted Speedrun“ gehören (englisch)
- Amiga Speedruns und Longplays (englisch)
- Adventure Speedruns (englisch)
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