Spezielle Rettung

Spezielle Rettung
Höhenrettungsübung

Als Höhenrettung bezeichnet das Aufsuchen, die rettungsdienstliche, bzw. notärztliche Versorgung und die Evakuierung von Menschen aus Notlagen in Höhen oder Tiefen. Die Methoden sind eng mit dem Bergrettungsdienst und dem medizinischen Rettungsdienst verwandt, sie werden von Feuerwehr, Hilfsorganisationen und Betreibern von großen Objekten (Strommasten/Energieversorger) sowie in Deutschland seit 2001 auch von THW, Arbeiter-Samariter-Bund, Johanniter-Unfall-Hilfe und Malteser Hilfsdienst vorgenommen.

Der Begriff „Höhenrettung“ wird von verschiedenen Disziplinen (Rettungsorganisationen, Alpinisten, Höhlenforschern, Industriekletterern, Feuerwehren) zum Teil unterschiedlich verwendet. Gegenstand dieses Artikels ist nur die Höhenrettung im Sinne der bundeseinheitlichen Definition der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr der AGBF aus 2001 „Spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen (SRHT)“.

Die Arbeiten werden stets im Seil verrichtet und zeichnen sich u. a. durch stets mehrfache (redundante) Auslegung von Sicherungs- und Rettungssystemen aus.

Typische Einsätze für Höhenretter sind Suizidversuche, Herzinfarkte oder Schlaganfälle von Kranführern, Rettungseinsätze an Hochhäusern oder Kletterunfälle, Personen in Schächten oder Silos und Personen, die in große Tiefe abgestürzt sind.

In der Industrie sind die Unternehmen Bornack, Petzl Mittelmann Sicherheitstechnik und Skylotec im Bereich Höhenrettung aktiv.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Anfänge der Höhenrettungstechniken wurden in den 1970er und 1980er Jahren von Alpinisten und Speläologen in Frankreich, Belgien und Großbritannien entwickelt. Pioniere waren beispielsweise die Gebrüder Petzl und George Marbach. Ein Meilenstein war die von W. Morlock 1978 in Westdeutschland eingeführte Einseiltechnik. Trotzdem blieb die Höhenrettungstechnik lange eine Domäne der Höhlenrettung.

In der DDR wurde 1982 bei der Berufsfeuerwehr Berlin der "Spezielle Rettungsdienst (SRD)" gegründet, der Methoden der Bergrettung einsetzte. 1986 wurde er in der gesamten DDR eingeführt, später in Höhenrettungsdienst (HRD) umbenannt.

In Frankreich ist der Höhenrettungsdienst seit etwa 1985 der Feuerwehr angegliedert.

1993 erfolgte die Gründung der ersten westdeutschen Höhenrettungsgruppe bei der Feuerwehr Frankfurt am Main.

Ausbildung

Ein Höhenretter bei der Feuerwehr muss zusätzlich zur Feuerwehrausbildung eine 80-stündige Grundausbildung und jährlich 72 Ausbildungs- und Übungsstunden leisten. Ein Höhenretter im Rettungsdienst muss zusätzlich zu seiner Ausbildung zum Rettungssanitäter oder Rettungsassistenten eine 80-stündige Ausbildung zum Höhenretter absolvieren. Sowohl in Rettungsdienst und Feuerwehr wird ein jährliches Trainingsaufkommen von mindestens 72 Stunden empfohlen. Einige Höhenrettungsgruppen knüpfen an die Erfüllung dieser Vorgabe unmittelbar den Verbleib im Höhenrettungsdienst.

Eine anerkannte Ausbildungseinrichtung ist u. a. die Brandschutz- und Katastrophenschutzschule Heyrothsberge, wo Frank Haverney und Peter Wölke, zwei anerkannte Experten und Autoren im Bereich Höhenrettung, seit Jahren ausbilden und zahlreiche Lehrmedien produziert haben. Generell wird die Ausbildung nach der Empfehlung der AGBF für Spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen[1] abgehalten, die Materialkunde, Knotenkunde, Rettungstaktiken und vieles mehr festlegt.

Material

Bei der Höhenrettung kommen im Gegensatz zur Sportkletterei vornehmlich Materialien für seilunterstützte Zugangstechniken aus dem Bereich des Industriekletterns zum Einsatz, die höheren Qualitätsstandards genügen. Das Handwerkszeug einer Höhenrettungsgruppe besteht neben der erweiterten persönlichen Schutzausrüstung wie speziellen Kletterhandschuhen, Helmen, Auffanggurten aus Statikseilen zur Lastaufnahme, Dynamikseilen zur Sicherung, Karabinern, diversen Seilbremsen und Abfahrgeräten wie Abseilachter, Radeberger Haken, Industrial Descender oder DSD, Befestigungsmaterialien wie Bandschlingen, Seilschutzkomponenten, Handsteigklemmen, sowie Schleifkorbtragen oder Rettungsgurten zur Patientenaufnahme. Bei Karabinern wird aus Sicherheitsgründen meist Stahl statt Aluminium verwendet. Es gibt Abseilrettungsgeräte (DIN EN 341), die es einem einzelnen Retter (z.B. Kollegen) ermöglichen, abgestützte Personen schnellstmöglich zu retten. Diese Rettungsgeräte werden u.a. in dem Rettungskonzept der Telekom (ASIR) eingesetzt. Heute findet man auf vielen Windkraftanlagen diese Geräte, zur Sicherstellung eines zweiten Fluchtwegs sowie zur Rettung abgestürzter Mitarbeiter. Diese Geräte werden auch zur Rettung aus Schächten, Kanälen, Silos, Tanks etc. eingesetzt. Rettungsübungen (Einweisung/Unterweisung) werden vom Hersteller dieser Rettungsgeräte angeboten. Als Medizinisches Handwerkszeug werden die üblichen rettungsdienstlichen Geräte eingesetzt, absolutes Mindestmaß ist ein Notfallset für Grundlagen in Traumaversorgung, Kreislaufstabilisierung und Airway-Management. Die kontinuierliche Überwachung erfolgt aus Platzgründen meist nicht wie üblich mit einem Mehrkanal-EKG, sondern mit einem viel kleineren Pulsoxymeter.

Taktische Grundvarianten (nach AGBF)

  • passives Abseilen (Ablassen) im Einfachseil und Sicherungsseil
  • aktives Abseilen im Doppel- oder Einfachseil
  • retten aus der Tiefe mit Flaschenzug im Einfachseil
  • gesichertes Aufsteigen oder Quersteigen (Vorstieg)
  • retten einer Person aus dem Seil (Pickup)
  • Seilbahn zwischen zwei Punkten (Schrägseil)

Entwicklung und Forschung

Derzeit gibt es im Umfeld der Höhenrettung in Europa drei Studien, die sich wissenschaftlich mit Themen der Höhenrettung auseinandersetzen. Dies sind

EUSR (1)

EUSR (European Union of Special Rescue) ist ein durch die EU gefördertes Projekt, dass sich mit dem Vergleich und der weitgehenden Harmonisierung der Technik und Verfahren in der europäischen Höhenrettung beschäftigt hat. Mitglieder des Projektes waren zahlreiche Gefahrenabwehrbehörden, aus Deutschland z.B. Vertreter der BF Aachen und der BKS Heyrothsberge. Ergebnis sind unter anderem sechs Grundvarianten (s.o.), die in die für Deutschland maßgebliche SRHT Richtlinie der AGBF eingeflossen ist. Das Projekt EUSR ist abgeschlossen. [2]

EUSR2

EUSR2 ist, wie das Vorgängerprojekt EUSR, ein europäisches Projekt, dass sich mit der Harmonisierung, Standardisierung und Qualitätssicherung der Ausbilder europäischer Höhenretter beschäftigt. Ergebnis hier wird eine allgemein gültige Lernsoftware sein, die die Aus- und Weiterbildung zum Höhenretter flankieren und Präsenzphasen in der Ausbildung optimieren soll. EUSR2 läuft derzeit. [3]

EUmedSR

EUmedSR (Epidemiologische Untersuchung medizinischer Notfälle, die zum Einsatz von Höhenrettungsgruppen geführt haben) ist ein Projekt, das derzeit an der Justus-Liebig-Universität Gießen durchgeführt wird. Hierzu werden alle Höhenrettungsgruppen, die in Deutschland zur Heranziehung durch öffentlich-rechtliche Leitstellen zur Verfügung stehen, zur Struktur und medizinischen Einsatzdaten befragt. Erste Ergebnisse der Studie wurden im November 2008 auf dem diesjährigen Kongress der DIVI vorgestellt. [4]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. AGBF für Spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen
  2. EUSR
  3. EUSR
  4. EUmedSR
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