Standardisierungsorganisation

Standardisierungsorganisation

Ein Standard ist eine vergleichsweise einheitliche oder vereinheitlichte, weithin anerkannte und meist auch angewandte (oder zumindest angestrebte) Art und Weise, etwas herzustellen oder durchzuführen, die sich gegenüber anderen Arten und Weisen durchgesetzt hat.

In dieser Bedeutung ist der Begriff insbesondere in den Bereichen Technik und Methodik üblich, aber auch beispielsweise in Bezug auf Menschenrechte oder Umweltschutz. Dabei findet der Begriff sowohl Verwendung bzgl. allgemein anerkannter Zielsetzungen als auch bezüglich allgemein anerkannter Realisierungen.

Ein Standard kann in einem formalisierten oder nicht-formalisierten Regelwerk bzw. in einem sich ungeplant ergebenden Regelfall bestehen, beispielsweise in einer einzelnen Regel bzw. mehreren Regeln oder einer Norm.

In der (Produktions-)Technik finden sich neben dem Industriestandard auch der herstellerspezifische Standard und der offene Standard.

Inhaltsverzeichnis

Wortbedeutung

Im Englischen wurde Standard in seiner heutigen Bedeutung ursprünglich nur in der Form des Königsstandards gebraucht: Im Namen bzw. Zeichen (der Standarte) des Königs festgelegte Normen wurden als maßgebend betrachtet. Andererseits ist ein Standard auch eine Art Sammelpunkt, um den man sich schart – ähnlich der Standarte, die eigentlich den Sammelplatz der Soldaten bezeichnet.

Allgemeine Bedeutung

Standard ist allgemein bekannt als eine Regel oder Norm (siehe unten). Es gibt aber auch klare Definitionen, beispielsweise vom British Standards Institute: „Ein Standard ist ein öffentlich zugängliches technisches Dokument, das unter Beteiligung aller interessierter Parteien entwickelt wird und deren Zustimmung findet. Der Standard beruht auf Ergebnissen aus Wissenschaft und Technik und zielt darauf ab das Gemeinwohl zu fördern.“

So eine klare Definition ist beispielsweise nötig, um zu präzisieren, wieso das Word-Dokument-Format von Microsoft kein Standard ist, obwohl es weit verbreitet ist, denn eine weite Verbreitung hat mit einem Standard nichts zu tun.

Standard und Norm

Im Bereich Technik und Naturwissenschaften findet der Begriff im allgemeinen Verwendung als Überbegriff für technische Normen (im Sinne von Übereinkünften oder Verordnungen), die sich in der Praxis eine breite Akzeptanz verschafft haben, und für Vereinheitlichungen, die sich ungeplant infolge gesellschaftlicher Prozesse und Erfahrungen der Praxis ergeben, entwickelt und als eine Art stillschweigende Übereinkunft etabliert haben, zum Beispiel Industriestandards und „herstellerspezifische (proprietäre) Standards“.

Setzen sich Methoden oder Regeln nicht infolge von Vereinbarungen, Gesetzen, Verordnungen oder Ähnlichem sondern in der Praxis durch und etablieren sich auf diesem Wege als Standards, spricht man auch von De-facto- oder Quasi-Standards. Im deutschen Sprachgebrauch ist in den letzten Jahren eine Begriffsverwirrung eingetreten, indem „Standard“ analog dem englischen Begriff standard auch für Normen verwendet wird. Zur Unterscheidung zwischen den Begriffen „Norm“ und „Standard“ im traditionellen deutschen Sprachgebrauch siehe auch unter Normung.

Eine Norm ist eine allseits rechtlich anerkannte und durch ein Normungsverfahren beschlossene, allgemeingültige sowie veröffentlichte Regel zur Lösung eines Sachverhaltes. Alle Instanzen eines Normungsverfahrens wurden durchlaufen, anschließend wurde sie beschlossen und veröffentlicht. Voraussetzung für eine Norm ist, dass sie technisch ausgereift ist und einen Nutzen für den Anwender hat. Aus dem englischen Sprachgebrauch kommt der Begriff De-jure-Standard (wobei die englische Schreibweise auf die Bindestriche verzichtet), der sich mit dem deutschen Begriff Norm deckt.

Internationale Organisationen zu diesem Zweck sind ISO und IEC, nationale Normungsorganisationen in Deutschland sind das Deutsche Institut für Normung (siehe auch Liste der DIN-Normen) und die DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE). Diese Normen schreiben die allgemein anerkannten Regeln der Technik fest und ihre Einhaltung wird nicht selten in nationalen und internationalen (zum Beispiel EU-) Gesetzen und Verordnungen verbindlich vorgeschrieben.

Normen und weitere bedeutende Standards sowie Standardisierungsorganisationen finden sich auf der Liste von Standards.

Verschiedene Standards

Der Begriff Industriestandard wird verwendet, wenn es sich im Laufe der Jahre durch die Praxis vieler Anwender und verschiedener Hersteller als technisch nützlich und richtig erwiesen hat, bei einer gewissen Problemstellung ein bestimmtes pragmatisches Regelwerk einzuhalten. Ein (inter)nationales Normungsverfahren wurde jedoch nicht durchgeführt. Der englische Sprachraum kennt den Industriestandard als De-facto-Standard.

Ein schönes Beispiel ist der erweiterte ASCII-Zeichensatz (Bytes 128 bis 255) des IBM-PC 1981; nachdem sich die Empörung der Fachwelt gelegt hatte, wurde er von allen kompatiblen Herstellern akzeptiert. (Siehe auch: Lochkarte.)

Schwächer ist der herstellerspezifische Standard, der sich etabliert, wenn eine Vielzahl von Anwendern aufgrund mehrjähriger Erfahrungen die Erkenntnis gewinnt, dass es vorteilhaft ist, den firmenspezifischen (proprietären) Spezifikationen eines Herstellers zu folgen.

Manche Standards werden durchgesetzt, obwohl sie eine Gruppe von Marktteilnehmern zu Gunsten einer anderen Gruppe benachteiligen. Beispielsweise benachteiligt der DVD-Video-Standard Konsumenten in der Form, dass eine künstliche Marktsegmentierung zum Beispiel das Abspielen von DVDs aus Russland in europäischen DVD-Spielern verhindert (Regionalcode), obwohl dies technisch ohne weiteres möglich wäre. Trotzdem erfreut sich die DVD inzwischen recht großer Beliebtheit.

Ein offener Standard ist unabhängig von einem speziellen Hersteller (d. h. er ist nicht proprietär) und hat allgemein bekannte Schnittstellen.

Siehe zu technischen Standards auch:

  • Grafikstandard: festgelegte Eigenschaften eines Bildschirms oder einer Grafikkarte
  • RFC: eine Reihe von technischen und organisatorischen Dokumenten zum Internet

Pflegestandards legen durch messbare Kriterien ein bestimmtes Qualitätsniveau in der Pflege in verschiedenen Einrichtungen intern fest. Mit einem Pflegestandard werden einzelne pflegerische Maßnahmen, Handlungen einer/-es professionell Pflegenden an einer zu pflegenden Person beschrieben. Verbesserungen der Richtlinie, z. B. Anpassung an momentane individuelle Bedürfnisse sind darüber hinaus situationsgemäß notwendig. Es sind hier nicht allgemeine Organisationsrichtlinien oder Pflegepläne gemeint. Daneben arbeitet in Deutschland seit 1999 unter anderem ein Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) an der Entwicklung von so genannten Nationalen Expertenstandards mit wissenschaftlicher Fundierung.

In der pharmazeutischen Industrie herrschen strenge Standards, was die Qualifizierung von Maschinen und die Validierung von Prozessen angeht. Nur die Einhaltung von Standardvorschriften garantiert die Reproduzierbarkeit des Prozesses und damit die gleich bleibende Qualität des Produkts. So muss jeder Mitarbeiter die in seinem Arbeitsbereich gültigen Standardarbeitsvorschriften kennen.

Ökonomie von Standards

  • Standards, insbesondere offene Standards, tragen zur Vereinheitlichung von Schnittstellen und Produkten bei, was zu einer geringeren Marktsegmentierung (also größeren Auswahl) führt und letztendlich zu mehr Wettbewerb zwischen Anbietern solcher Produkte, was wiederum zu sinkenden Preisen, damit aber auch zu höherem Verkauf der entsprechenden Produkte führt.
  • Zudem verkürzt die Bezugnahme auf einschlägige Standards Vertragstexte und -verhandlungen, so dass selbst komplexe technologische Systeme durch Standardisierung keine wesentlich höheren Transaktionskosten als andere Produkte haben.
  • Erst die Schaffung von Standards für Schnittstellen zwischen Teilsystemen ermöglicht überhaupt den effizienten Bau von daraus bestehenden komplexen Systemen.

Für einen Anbieter eines Produkts gibt es mehrere Erwägungen, die seine Haltung bezüglich der Standardisierung seines Produkts beeinflussen:

  • Standardisierung ist ein recht langwieriger Prozess. Produkte sollten aber früh eingeführt werden, um einen möglichst großen Marktanteil zu erreichen.
  • Bei der Standardisierung müssen in der Regel Kompromisse eingegangen werden, die die Eigenschaft des eigenen Produkts verschlechtern, sollte es standardkonform sein, es sei denn, man kann die eigene Form der Lösung eines Problems selbst zum Standard erklären. In diesem Fall ist man fast automatisch Marktführer im Markt der Produkte nach dem neuen Standard.
  • Standards führen zu mehr Wettbewerb und deshalb zu geringeren Gewinnmargen.
  • Standards führen zu einem stark vergrößerten Marktvolumen, da es für die (potentiellen) Kunden keine Unsicherheit mehr gibt, an welchen Hersteller sich der Kunde binden muss. Auf diese Weise kann jeder Markt-Teilnehmer einen stark vergrößerten Absatz erreichen, was unter Umständen den Rückgang der Gewinnmarge wettmacht.
  • Standards führen zu einer großen Verbreitung der darauf aufbauenden Produkte. Existiert ein Patent auf Teilaspekte eines Standards, so können wegen der hohen Verbreitung möglichst viele Nutzer des Standards zusätzlich zur Kasse gebeten werden (z. B. LZW-Patent, Rambus kontra JEDEC).
  • Gelingt es, einen proprietären Standard „durchzudrücken“, so kann der entsprechende Anbieter Monopolpreise verlangen und mit darauf aufbauenden Standards sogar sein Monopol ausbauen.

Je nach individueller Einschätzung solcher Fragestellungen steht ein Marktteilnehmer einer Standardisierung seiner Produkte eher reserviert oder eher offen gegenüber. In den Fällen, in denen es Hersteller für individuell günstiger halten, nicht zu standardisieren, reicht das „Ausscheren“ einer relativ kleinen Gruppe von Anbietern in Form einer Standardisierung lediglich ihrer Produkte aus, um diese „Mauern der Inkompatibilität“ zu brechen. Denn in so einem Fall verzeichnen die Anbieter standardisierter Produkte verstärkt Nachfrage, im Gegensatz zu den Anbietern, deren Produkte nicht dem neuen Standard entsprechen. In solchen Fällen „springen“ oft die restlichen Anbieter „auf den anfahrenden Zug auf“ und akzeptieren einen so gesetzten Standard, allerdings mit dem Nachteil, standardkonforme Produkte erst später als einige Mitbewerber einführen zu können. Aus diesem Grund wird bei allen Märkten, bei der das Risiko besteht, dass überhaupt ein Standard gesetzt werden könnte, möglichst früh standardisiert, um eben solche Nachteile für das eigene Unternehmen zu vermeiden.

Wegen des Anreizes, möglichst das Produkt oder die eigene Technologie zum Standard zu erheben, haben sich auch konkurrierende Standards gebildet, die in etwa das gleiche Problem lösen, jedoch wegen Inkompatibilität zu Marktsegmentierung führen. Dazu gehören zum Beispiel:

Die Existenz konkurrierender Standards ist für den Kunden besonders nachteilig, weil die Entscheidungsunsicherheit auf ihm lastet. In einigen Fällen ist wegen der großen Marktdurchdringung eines bestimmten Standards bei Teilmärkten (z. B. NTSC in den USA) auch eine Entscheidung zugunsten des einen oder anderen Standards nicht absehbar. Dies bedeutet z. B. für Hersteller einen Mehraufwand (Unterstützung beider Standards) ohne Mehrnutzen. Manchmal setzt sich auch ein Standard durch, obwohl sein Konkurrent technisch überlegen ist.

Obwohl Standards eigentlich darauf gerichtet sind, Marktsegmentierung zu verhindern, sind einige Standards gerade deswegen gesetzt worden, um eine Marktsegmentierung erst zu ermöglichen. So definiert die Norm ISO 13406-2 beispielsweise die Pixelfehlerklasse 1 (kein Pixelfehler ist zulässig) und die Pixelfehlerklasse 2, welche zum Beispiel 3 Pixelfehler bei einem SXGA+-TFT-Bildschirm zulässt. Für so gut wie alle Flüssigkristallbildschirme (LCDs) und TFT-Bildschirme wird nur die Pixelfehlerklasse 2 vertraglich zugesichert, deshalb sind Notebooks mit Bildschirmen der vertraglich zugesicherten Pixelfehlerklasse 1 unverhältnismäßig teuer oder überhaupt nicht mehr käuflich zu erwerben. Auf diese Weise werden Konsumenten dazu gezwungen, Bildschirme der Pixelfehlerklasse 2 zu akzeptieren, obwohl es in jeder Serie von Flüssigkristallbildschirmen genügend Exemplare der Pixelfehlerklasse 1 gibt. Bevor die Pixelfehlerklasse 2 zum De-facto-Standard für Pixelfehler wurde, war jeder Pixelfehler ein Mangel und daher ein Grund, ein Austauschgerät zu verlangen. Da Pixelfehler nur dem „versierten Konsumenten“ als Mangel auffallen, konnte so erfolgreich eine Marktsegmentierung zwischen „unwissendem Konsumenten“ (Pixelfehlerklasse 2) und „versiertem Konsumenten“ (Pixelfehlerklasse 1) betrieben werden, so dass zum einen letzterer zur Zahlung höherer Preise gezwungen ist, um seine erwartete Leistung erhalten zu können, zum anderen die Qualität der Produkte (hier LCD- bzw. TFT-Bildschirme) kostensparend abgesenkt werden konnte.

Siehe auch

Weblinks


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