Stimm- und Wahlrecht

Stimm- und Wahlrecht
Dieser Artikel behandelt vor allem die Berechtigung, an einer Wahl teilzunehmen, also die Wahlberechtigung. – Die rechtliche Regelung von Wahlen (die Ausgestaltung der zugehörgen Gesetze) wird vor allem in den Artikeln Wahl und Wahlsystem behandelt.

Das Wahlrecht der Staatsbürger, ihre Wahlberechtigung, ist eine der tragenden Säulen der Demokratie. Das Recht auf freie Wahlen soll sicherstellen, dass die Souveränität des Volkes (→ Volkssouveränität) gewahrt bleibt. Das Wahlrecht gehört zu den politischen Rechten. – Davon zu unterscheiden ist das Stimmrecht.

Man unterscheidet aktives und passives Wahlrecht: Menschen mit aktivem Wahlrecht dürfen wählen, Menschen mit passivem Wahlrecht dürfen kandidieren und gewählt werden. Bei öffentlichen Wahlen in heutigen Demokratien hat meist derselbe Personenkreis beide Rechte.

Inhaltsverzeichnis

Aktives Wahlrecht

Das aktive Wahlrecht ist das Recht eines Wahlberechtigten, bei einer Wahl zu wählen. Wählen darf, wer im Wählerverzeichnis (auch Wählerevidenz genannt) eingetragen ist. Bürger demokratisch regierter Staaten haben das Recht, bis einige Tage vor der Wahl in dieses Einblick zu nehmen. Fehlt ihr Name, können sie die Aufnahme in die Evidenz beantragen.

Für die Eintragung ins Wählerverzeichnis ist in der Regel erforderlich:

  • Wohnsitz in der betreffenden Verwaltungseinheit,
  • Mindestalter (meist zwischen 15 und 19 Jahren) und
  • das Fehlen von Ausschließungsgründen laut Wahlgesetz (zum Beispiel Straftaten und die früher Entmündigung genannte persönliche Situation).

Bei Verhinderung am Wahltag können Wahlberechtigte die Unterlagen für die Briefwahl anfordern oder eine amtliche Berechtigung (die sog. Wahlkarte), um in einem beliebigen anderen Wahllokal der nächstgrößeren Verwaltungseinheit abstimmen zu können.

Deutschland

Die Wahlen zu allen Volksvertretungen sind allgemein (jeder deutsche Staatsangehörige, der über 18 Jahre ist, kann wählen), unmittelbar (jede Stimme wird direkt dem Bewerber gegeben), frei (kein Wähler wird überwacht; kein Wahlzwang), gleich (jede Stimme zählt gleich viel) und geheim (es darf nicht bekannt werden, wem der Wähler seine Stimme gegeben hat). Wahlberechtigt ist jeder Deutsche, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, sowie im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte ist, welche nur bei schweren Straftaten als Teil eines Gerichtsurteiles entzogen werden können. Bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen können auch im Ausland lebende Deutsche an der Wahl teilnehmen. Deutsche, die außerhalb eines Mitgliedstaates des Europarates leben, können an der Bundestagswahl teilnehmen, wenn sie seit dem 23. Mai 1949 mindestens drei Monate lang ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland oder der Deutschen Demokratischen Republik gelebt haben. Frühere Einschränkungen des Wahlrechts zur Teilnahme an den Bundestagswahlen wurden 2008 aufgehoben. Bei Europa- und Kommunalwahlen sind auch Bürger anderer EU-Mitgliedstaaten, die in Deutschland wohnen, wahlberechtigt. In einigen Bundesländern liegt das Wahlalter bei den kommunalen Wahlen bei sechzehn Jahren.

Bei den Reichstagswahlen am 19. Januar 1919 konnten Frauen in Deutschland erstmals wählen.

In der Bundesrepublik besteht die Möglichkeit, an folgenden politischen Wahlen teilzunehmen:

Weiters finden Wahlen zu den Vertreterversammlungen der Sozialversicherungen (Sozialwahlen) statt.

Diese Wahlen sind keine „politischen“ Wahlen. Es gelten zwar die allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze (allgemein, frei, geheim, gleich), ansonsten können aber andere Voraussetzungen gegeben sein.

Kein aktives (und passives) Wahlrecht haben in Deutschland Personen, die unter Betreuung stehen (§ 1896 BGB, die frühere Entmündigung), soweit die Betreuung für alle Angelegenheiten angeordnet ist, oder die sich in strafrechtlicher freiheitsentziehender Unterbringung (§ 63 Strafgesetzbuch) befinden. Der letztgenannte Wahlrechtsausschlussgrund ist nicht bei jeder Wahl gegeben.

Der Bundespräsident wird in Deutschland nicht vom Volk, sondern von der Bundesversammlung gewählt.

Österreich

In Österreich gibt es auf Grund des allgemeinen, gleichen, freien, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechts für Staatsbürger die Möglichkeit, an folgenden Wahlen teilzunehmen:

wenn sie spätestens mit Ablauf des Tages der Wahl das 16. Lebensjahr vollendet haben (Art. 26/1 B-VG, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 27/2007)[1];

  • zum Gemeinderat nach analogen Bestimmungen zum Art. 26/1 B-VG (Art 95/2 B-VG); hierbei obliegt die genaue Regelung den Landesgesetzen (siehe dazu Art. 117/2 B-VG), wobei die Ausführungen nicht enger gezogen werden dürfen als bei der Landtagswahl (sog. „wahlrechtliches Homogenitätsgebot“); hier sind auch in der Gemeinde wohnende Bürger anderer EU-Mitgliedstaaten wahlberechtigt;
  • in Wien weiters an der Wahl der Bezirksvertretungen der 23 Bezirke; hier sind auch in Wien wohnende Bürger anderer EU-Mitgliedstaaten wahlberechtigt, nicht aber bei der Wiener Gemeinderatswahl, weil diese hier gleichzeitig Landtagswahl ist);
  • zum Europäischen Parlament für Personen, die am Stichtag die spätestens mit Ablauf des Tages der Wahl das 16. Lebensjahr vollendet haben und gewisse Voraussetzungen erfüllen (§ 10 EuWO in Verbindung mit § 2 EuWEG)
  • zum Bürgermeister analog dem jeweiligen Gemeindewahlrecht in den Bundesländern, in denen der Bürgermeister direkt und nicht durch den Gemeinderat gewählt wird. Das sind derzeit Burgenland und Tirol.

Das aktive Wahlrecht zum Nationalrat besitzen alle Männer und Frauen, die österreichische Staatsbürger sind, am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben und die nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sind (Art 26 B-VG, § 21 NRWO). Ob diese Voraussetzungen zutreffen, ist, abgesehen vom Wahlalter, nach dem Stichtag zu beurteilen.

Nur eine gerichtliche Verurteilung darf zur Ausschließung vom Wahlrecht oder von der Wählbarkeit führen (Art 26 Abs 6 B-VG). § 22 der Nationalratswahlordnung (NRWO) konkretisiert diese Verfassungsbestimmung: „Vom Wahlrecht ist ausgeschlossen, wer durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist. Dieser Ausschluss endet nach sechs Monaten. …“ Erst kürzlich wurde die Bestimmung des § 22 NRWO vom Verfassungsgerichtshof geprüft und für verfassungskonform befunden.[2] Nach Ansicht des VfGH ist § 22 NRWO auch mit der Rechtsprechung des EGMR zu Art 3 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK (Fall Hirst[3]) vereinbar: Anders als die im Fall Hirst vom EGMR geprüfte Bestimmung des britischen Rechts sehe § 22 NRWO keinen generellen Entzug des Wahlrechts für alle verurteilten Häftlinge – unabhängig von der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe und unabhängig von der Art oder Schwere der von ihnen begangenen Straftaten oder ihrer persönlichen Umstände – vor. Verurteilungen zu Geldstrafen, Verurteilungen zu Freiheitsstrafen von weniger als einem Jahr sowie Verurteilungen zu bedingten Haftstrafen zögen gerade nicht den Ausschluss des Wahlrechts nach sich. Darüber hinaus räume § 44 Abs 2 StGB dem Richter die Möglichkeit ein, auch den Ausschluss vom Wahlrecht bedingt nachzusehen; insofern werde in der österreichischen Rechtsordnung also auch die Berücksichtigung der persönlichen Umstände gesetzlich ermöglicht.[2] Geisteskranke und geistig Behinderte (Menschen mit Sachwalter) sind seit der Aufhebung des § 24 NRWO 1971 durch den VfGH[4] nicht mehr ausgeschlossen.

In Österreich besteht bei Nationalrats-, Bundespräsidenten- und Europawahlen keine Wahlpflicht.[5] Von 1949 bis zum 30. April 1992 bestand aufgrund der Fassung von Artikel 26 Abs 1 B-VG für die Nationalratswahl aufgrund von Landesgesetzen in den Bundesländern Steiermark, Tirol und Vorarlberg Wahlpflicht. Ab der Nationalratswahl 1986 galt die Wahlpflicht auch in Kärnten. 1992 wurde dann durch eine Novellierung des B-VG[6] die Möglichkeit des Landesgesetzgebers, eine Wahlpflicht anzuordnen, aufgehoben. Somit hat es erstmals bei der Nationalratswahl 1994 keine Wahlpflicht mehr gegeben.[5] Bei Bundespräsidentenwahlen bestand die allgemeine Wahlpflicht bis zum Jahr 1982 in allen Bundesländern. Diese allgemeine Wahlpflicht wurde durch eine Novellierung des B-VG[7] sowie des BundespräsidentenwahlG[8] mit Wirkung vom 1. Oktober 1982 aufgehoben. Ab 1982 bestand aufgrund von Art 60 Abs 1 B-VG in Verbindung mit § 23 Abs 1 BundespräsidentenwahlG 1971 nur in den Bundesländern Wahlpflicht, in denen dies durch Landesgesetz angeordnet war. Bei den Bundespräsidentenwahlen 1986 und 1992 bestand daher noch in den Bundesländern Kärnten, Steiermark, Tirol und Vorarlberg Wahlpflicht. Für die Bundespräsidentenwahl 1998 bestand dann nur mehr in Tirol und Vorarlberg Wahlpflicht. Vorarlberg hat im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl 2004 die Wahlpflicht aufgehoben, sodass nur mehr in Tirol bei der Bundespräsidentenwahl 2004 Wahlpflicht bestanden hat. Diese wurde mittlerweile jedoch ebenfalls aufgehoben. Erstmalig wird daher bei der Bundespräsidentenwahl 2010 im gesamten Bundesgebiet keine Wahlpflicht mehr bestehen.[5]

Hinsichtlich des Wahlalters ist am 1. Juli 2007 das WahlrechtsänderungsG 2007[9] in Kraft getreten, wodurch in Österreich als erstem Land der Europäischen Union das Wahlalter für das aktive Wahlrecht auf Bundesebene (auch bei den Wahlen zum EU-Parlament) auf 16 Jahre gesenkt wurde. Ferner wurde durch dieses Gesetz die Legislaturperiode des Nationalrates von vier auf fünf Jahre verlängert und die Briefwahl vereinfacht.

Schweiz

Bei den nationalen Wahlen ist jede Person mit Schweizer Bürgerrecht, die das 18. Lebensjahr vollendet hat, wahlberechtigt (sofern nicht wegen Krankheit oder Geistesschwäche entmündigt).

Auf kantonaler und kommunaler Ebene sind (abhängig von der lokalen Gesetzgebung) teils auch dort niedergelassene Angehörige anderer Staaten (Ausländerstimmrecht) zur aktiven Wahl zugelassen. Gleichzeitig haben Kantone und Gemeinden z. T. ein abweichendes Mindestalter für das Wahlrecht. Beides wird von einigen politischen Parteien als problematisch betrachtet, da damit keine Wahrnehmung der staatsbürgerlichen Pflichten verbunden sei.

Die Landsgemeinde des Kantons Glarus hat schweizweit als erster Kanton das aktive Wahlrecht für Jugendliche ab 16 Jahren ausdrücklich erlaubt. Das passive Wahlrecht bleibt weiterhin bei 18 Jahren.

Passives Wahlrecht

Das passive Wahlrecht (auch Wählbarkeit genannt) ist das Recht, bei einer Wahl, beispielsweise zum Deutschen Bundestag, von anderen Wahlberechtigten gewählt zu werden.

Gemäß Art. 19 EG-Vertrag besitzt jeder Unionsbürger in seinem Wohnsitzland, wenn es nicht das Land seiner Staatsbürgerschaft ist, das passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen und Europawahlen. Damit können sich EU-Bürger aus anderen Staaten sowohl in Deutschland wie in Österreich in ein Kommunalparlament oder Kommunalamt wählen lassen.

Rechtskräftig verurteilten Straftätern kann das passive Wahlrecht aberkannt werden (sog. Ausschließungsgründe). Entsprechende Tatbestände sind zum Beispiel Hochverrat und Landesverrat (näheres siehe jeweils bei den Ländern).

Deutschland

In Deutschland genießen alle Bürger ab 18 Jahren das passive Wahlrecht auf kommunaler und Bundesebene. Auf Landesebene liegt das Alter für die Wählbarkeit in Hessen bei 21 Jahren, in allen übrigen Bundesländern bei 18 Jahren.

Bei den Reichstagswahlen am 19. Januar 1919 konnten Frauen in Deutschland erstmals gewählt werden.

Für folgende Ämter sind in der Bundesrepublik Deutschland Mindest- bzw. Höchstalter vorgesehen:

Ausschließungsgründe:

  • wer durch ein inländisches Gericht wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde, verliert automatisch das passive Wahlrecht für fünf Jahre (§ 45 StGB)
  • bei bestimmten anderen „politischen“ Straftaten (z. B. Hoch- oder Landesverrat, Wahlfälschung und Wählernötigung) kann außerdem das aktive und passive Wahlrecht für zwei bis fünf Jahre entzogen werden.

Weitere Ausschlussgründe siehe unter Wahlrechtsausschluss.

Österreich

In Österreich besteht allgemeines passives Wahlrecht (Grundvoraussetzung für das passive Wahlrecht ist der Besitz des aktiven Wahlrechts):

  • zum Gemeinderat ab dem vollendeten 18. Lebensjahr. Bürger/innen anderer EU-Staaten, die sich mehr als 5 Jahre in Österreich aufhalten, haben (ausgenommen Wien) das passive Wahlrecht auf kommunaler Ebene; in Wien auf Bezirksebene
  • zur Bezirksvertretung (nur in Wien)
  • zum Landtag ab dem vollendeten 18. Lebensjahr,
  • zum Bundesrat – vom Landtag entsendet, daher ebenso ab dem vollendeten 18. Lebensjahr (Art 35 Abs 1 B-VG)
  • zum Nationalrat ab dem vollendeten 18. Lebensjahr (Art 26 Abs 4 B-VG und § 41 NRWO)
  • zum Bundespräsidenten, sofern man das Wahlrecht zum Nationalrat besitzt und spätestens mit dem Ablauf des Tages der Wahl das 35. Lebensjahr vollendet hat (Art 60 Abs 3 B-VG)
  • zum Europäischen Parlament ab dem vollendeten 18. Lebensjahr (Art 23a Abs 4 B-VG)[1]

Ausschließungsgründe:

  • wer durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer strafbaren Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist; dieser Ausschluss vom Wahlrecht endet nach 6 Monaten (§ 22 NRWO und § 3 EuWEG)
  • Mitglieder regierender Häuser oder solcher, die ehemals regiert haben, sind laut Art. 60 Abs 3 B-VG und § 6 BPräsWG zum Bundespräsidenten nicht wählbar.
  • Personen, die in der NS-Zeit bestimmte Tätigkeiten ausgeübt haben (§ 17 iVm § 18 lit. k Verbotsgesetz)

Schweiz

Bei den nationalen Wahlen ist jede Person mit Schweizer Nationalität, die das 18. Lebensjahr vollendet hat, wahlberechtigt (sofern nicht wegen Krankheit oder Geistesschwäche entmündigt).

Auf kantonaler und kommunaler Ebene sind (abhängig von der lokalen Gesetzgebung) teils auch dort niedergelassene Angehörige anderer Staaten (Ausländerstimmrecht) zur passiven Wahl zugelassen.

Gleichzeitig haben Gemeinden z.T ein abweichendes Mindestalter für das passive Wahlrecht. Beides wird von einigen politischen Parteien als problematisch betrachtet, da damit keine Wahrnehmung der staatsbürgerlichen Pflichten verbunden sei.

Einschränkungen

Das Wahlrecht kann je nach Jurisdiktion eingeschränkt oder aberkannt werden. So ist es in den USA erlaubt und in vielen US-Bundesstaaten die Regel, Häftlingen das (aktive und passive) Wahlrecht abzuerkennen. Je nach Bundesstaat wird nach der Haft die Wiederanerkennung des Wahlrechts automatisch, auf Antrag oder gar nicht durchgeführt. Etwa 13 % der sonst wahlberechtigten Afroamerikaner seien derzeit ohne Wahlrecht, obwohl nur fast 2 % der Erwachsenen in den USA von diesem Ausschluss betroffen sind.[10] Insofern widerspricht dieses Vorgehen dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl, insbesondere deshalb, weil sich die Affinität von Häftlingen und Ex-Häftlingen zu bestimmten politischen Parteien von der Affinität der allgemein Wahlberechtigten zu eben diesen Parteien deutlich unterscheidet.

Geschichte des Wahlrechts

Das parlamentarische Prinzip wurde in England über Jahrhunderte hinweg im Interessenskonflikt mit den Monarchen errungen. Das Wahlrecht war allerdings an Stand und Klasse gebunden. In der Französischen Revolution ab 1789 und in der deutschen Revolution 1848 waren alle männlichen Staatsbürger wahlberechtigt. Die Vereinigten Staaten entwickelten ihr Wahlrecht nach diesen Vorbildern, betrachteten allerdings sehr lang Ureinwohner und Schwarze nicht als vollwertige Bürger.

Im 19. Jahrhundert breitete sich das parlamentarische Prinzip immer weiter aus. Das Wahlrecht war jedoch meistens durch Bedingungen an Stand, Besitz (Kurienwahlrecht), Bildung oder Steuerleistung (Zensuswahlrecht) auf einen kleineren Teil der Gesamtbevölkerung beschränkt. Frühe Ausnahmen waren die USA (seit 1830), die Schweiz (1848) und Deutschland (1871), wo das allgemeine Wahlrecht (für Männer) galt. Es wurde in Österreich 1907 eingeführt.

Das allgemeine Wahlrecht für Männer setzte sich in Europa vor allem ab 1918 durch. Oft gleichzeitig, in einigen Ländern aber auch deutlich später (z. B. Schweiz), kam das Wahlrecht für Frauen hinzu. Das Wahlalter wurde zumeist mit der gesetzlichen Volljährigkeit eines Staatsbürgers gekoppelt, die mit ursprünglich 24 Jahren, dann lange Zeit 21 Jahren und heute vielfach mit 18 vollendeten Lebensjahren definiert ist. In Österreich wurde das Wahlalter zuletzt auf 16 Jahre gesenkt, das Volljährigkeitsalter blieb bei 18 Jahren.

War die Ausübung des Wahlrechts lange Zeit an das persönliche Erscheinen vor der zuständigen Wahlkommission gebunden, so sind heute in vielen Ländern für Reisende bzw. im Ausland lebende Staatsbürger auch diverse Formen von Wahlkarten (zur Stimmabgabe vor einer Wahlkommission außerhalb des Wohnortes des Wählers) und der Briefwahl (Einsendung des ausgefüllten Stimmzettels per Post) in Gebrauch. Elektronische Wahlverfahren über das Internet und die Frage des Wahlrechts für Minderjährige, ausgeübt durch ihre Eltern, stehen in Diskussion.

Deutschland

Otto von Bismarck führte 1867 im Norddeutschen Bund das allgemeine Wahlrecht (für Männer) ein, um die Liberalen zu schwächen. Richtigerweise ging er davon aus, dass die breite Bevölkerung auf dem Lande eher konservativ wählen werde. Langfristig jedoch stärkte das allgemeine Wahlrecht die oppositionelle Sozialdemokratie. 1871 erhielt auch das neugegründete Deutsche Reich das Männerwahlrecht.

In Preußen, dem wichtigsten Einzelstaat, wurde nach dem Steueraufkommen des Einzelnen unterschiedlich gewichtet (siehe Dreiklassenwahlrecht). Auch andere deutsche Staaten hatten diskriminierende Regeln.

Es ist zu berücksichtigen, dass 1871 noch 34 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung jünger als 15 Jahre alt waren (1933 24 Prozent, Bundesrepublik 1980 18 Prozent).[11] Ein Wahlalter von mindestens 25 Jahren schloss also einen großen Prozentsatz der Bevölkerung aus. So kam es, dass 1871 nur knapp zwanzig Prozent der Gesamtbevölkerung wählen durften, trotz allgemeinen Männerwahlrechts.

Erst nach Ende des Ersten Weltkrieges und der Einführung der Weimarer Republik wurde mit dem 19. Januar 1919 das Frauenwahlrecht in Deutschland erstmals umgesetzt. Gleichzeitig wurde auch das bis dahin in Preußen noch geltende „Dreiklassenwahlrecht“ abgeschafft, das die besitzenden (z. B. Hausbesitzer) und einkommensstarken Bevölkerungsschichten bei der Zuteilung von Mandaten im Preußischen Landtag bis dahin bevorzugt hatte, und das aktive und passive Wahlalter auf 20 Jahre gesenkt. Außerdem wurde Deutschland damals eine parlamentarische Demokratie, da der Reichstag (indirekt) über die Zusammensetzung der Regierung mitbestimmen konnte.

Nach der Errichtung der nationalsozialistischen Einparteien-Diktatur hatten Wahlen zwar keine relevante politische Bedeutung mehr. Trotzdem wurde Frauen das passive Wahlrecht 1933 entzogen; Juden hatten theoretisch ab März 1936 kein Wahlrecht mehr.

Die Grundsätze für die Wahl in der Bundesrepublik Deutschland (seit 1949) sind im Grundgesetz aufgelistet, Details der Wahl bestimmt das Bundeswahlgesetz.

  • 1945: Die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht wird von 20 auf 21 Jahre angehoben.
  • 1970: Die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht wird von 21 auf 18 Jahre gesenkt. (Quelle: bundestag.de)
  • 1974: Das Volljährigkeitsalter, und damit die Altersgrenze für das passive Wahlrecht, wird ebenfalls auf 18 Jahre herabgesetzt.
  • 1995: In Niedersachsen wird das Wahlalter für Kommunalwahlen auf 16 gesenkt. Weitere Bundesländer folgten.
  • 2004: Ein neues Wahlrecht in Hamburg wird per Volksentscheid für die Landesebene eingeführt. Es gibt der Direktwahl von Kandidaten für die Hamburgische Bürgerschaft und die Bezirksparlamente eine höhere Gewichtung als der Wahl von Parteilisten.
  • 2006: Das Kernelement des Wahlrechts in Hamburg von 2004, die höhere Gewichtung der Direktwahl von Abgeordneten als der Wahl von Parteilisten, wird durch ein Wahlrechtsänderungsgesetz, beschlossen mit der absoluten Mehrheit der Stimmen der Hamburger CDU, wieder abgeschafft.

Österreich

  • 1848 Einführung des Zensuswahlrechts.
  • 1873 Reichsratswahlreform in der österreichischen Reichshälfte der Monarchie (Kurienwahlrecht): Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses wurden aufgrund des Zensuswahlrechts in vier Kurien (adlige Großgrundbesitzer, Stadtgemeinde, Handel und Gewerbe, Landgemeinden) gewählt. Wahlberechtigt waren nur etwa 6 % der männlichen Bevölkerung ab 24 Jahren; die erforderliche jährliche Mindeststeuerleistung war örtlich verschieden geregelt und betrug etwa in Wien 10 Gulden. In der Großgrundbesitzerkurie waren auch „eigenberechtigte“ Frauen, d. h. Frauen, die sich selbst vertraten, wahlberechtigt.
  • 1882 Taaffe'sche Wahlrechtsreform: Die Steuerleistung zur Wahlteilnahme wurde auf 5 Gulden herabgesetzt.
  • 1896 Badenische Wahlreform schuf eine allgemeine Wählerklasse. (Die 5. Kurie war die allgemeine Klasse männlicher Wähler ab 24 Jahre.) Die Mitglieder der ersten 4 Kurien durften in der 5. Kurie noch einmal wählen, die Anzahl der Mandate pro Wählerstimme war zwischen den Kurien ungleich verteilt.
  • 1907 Beck'sche Wahlrechtsreform: Abschaffung des Kurienwahlrechts und Einführung eines allgemeinen Männerwahlrechts (aktives Wahlrecht: 24 Jahre; passives Wahlrecht: 30 Jahre).
  • 1919 Nach dem Untergang Österreich-Ungarns und dem Gesetz vom 12. November 1918 über die Staats- und Regierungsform in Deutschösterreich erlangten auch die Frauen das allgemeine und gleiche Wahlrecht.
  • 1920 Für die Wahl der konstituierenden Nationalversammlung Deutschösterreichs vom 16. Februar 1919 wurde ein eigenes Wahlgesetz geschaffen. Übergang zum Verhältniswahlrecht (Proporzwahlrecht), das v. a. von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) gefordert wurde.
  • 1929 Reform der Bundesverfassung, dabei auch Reform des Wahlgesetzes (Volkswahl des Bundespräsidenten)
  • 1933 bis 1938 Ständestaat, das Parlament wurde aufgelöst und nicht wieder eingesetzt
  • 1938 bis 1945 Teil des Deutschen Reiches
  • 1945 Mit der Neugründung (Wiedererrichtung) der Republik Österreich gilt auch wieder das Wahlrecht von 1929. Bei den ersten freien Nationalratswahl nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs am 25. November 1945 sind allerdings ehemalige Nationalsozialisten von der Wahl ausgeschlossen (siehe auch Nationalratswahl in Österreich 1945).
  • 1970 und 1992 wurde die Nationalratswahlordnung (NRWO) reformiert.
  • 2003 Herabsetzung des Wahlalters von 19 auf 18 Jahre (BGBl. I Nr. 90/2003)
  • 2007 Herabsetzung des aktiven Wahlalters von 18 auf 16 Jahre, Vereinfachung von Briefwahl und Wählen im Ausland, Verlängerung der Wahlperiode von vier auf fünf Jahre, Herabsenkung des passiven Wahlalters von 19 auf 18 Jahre (BGBl. I Nr. 27/2007 und 28/2007).[1]

Schweiz

Das allgemeine Wahlrecht für Männer wurde in der Schweiz bereits 1848 eingeführt – allerdings mit Einschränkungen in der Umsetzung in den Kantonen. Die Ausweitung auf die gesamte erwachsene Bürgerschaft erfolgte mit der Annahme der Vorlage für das eidgenössische Stimm- und Wahlrecht für Frauen am 7. Februar 1971. 621.109 (65,7 %) Ja- gegen 323.882 (34,3 %) Nein-Stimmen gingen bei einer Stimmbeteiligung von 57,7 % ein. Die Schweiz ist das einzige Land, in dem die Männer den Frauen das Wahlrecht in einer Abstimmung erteilt haben.

Großbritannien

Unter Edward I. wurden 1295 erstmals Ritter und Bürger in offenen Wahlen ins Parlament gewählt.

So wie die Ursprünge des bundesdeutschen Parlamentssystems vom englischen Modell abstammen, so sind auch die Ursprünge des deutschen Wahlrechts teilweise in England zu finden (siehe Mehrheitswahl). Jedoch wurde in Deutschland recht früh das allgemeine (Männer-)Wahlrecht eingeführt, während in England noch sehr viel länger (bis zum Ersten Weltkrieg) große Teile der Bevölkerung ihrer finanziellen Situation wegen ausgeschlossen wurden. Bis 1918 durften etwa 52 Prozent der Männer wählen.

Niederlande

In den Niederlanden war ungefähr seit 1866 das parlamentarische Prinzip durchgesetzt. Wählen durfte, wer bestimmte „Anzeichen von Wohlstand und Befähigung“ vorweisen konnte. Nach dem Wahlgesetz von 1896 war dies ungefähr die Hälfte der erwachsenen Männer, und durch eine Gesetzesänderung von 1901 und wachsenden Wohlstand waren es bei den Wahlen von 1913 68 Prozent. Man wählte nach Wahlkreisen.[12]

1917 wurde das Grundgesetz geändert und das allgemeine Männerwahlrecht eingeführt, gleichzeitig mit dem Verhältniswahlrecht. Am 3. Juli 1918 wurde erstmals nach dem neuen Wahlrecht gewählt. Das Frauenwahlrecht folgte durch einfache Gesetzesänderung 1919.[13]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c Wahlrechtsreform 2007 passiert den Bundesrat, Parlamentskorrespondenz Nr. 510, 21. Juni 2007.
  2. a b VfGH 27.09.2007, B1842/06.
  3. Hirst v. The United Kingdom (No. 2), Urteil vom 6. Oktober 2005.
  4. VfGH Slg 11.489/1987
  5. a b c Innenministerium 9.7.2008
  6. BGBl. Nr. 470/1992
  7. [ http://www.ris2.bka.gv.at/Dokument.wxe?QueryID=BgblPdf&Dokumentnummer=1982_354_0&WxeFunctionToken=ad586a2c-0e8a-45bf-91e6-272cb005406d BGBl. Nr. 354/1982, Artikel I Z 2]
  8. BGBl. Nr. 355/1982, Artikel I Z 23
  9. [http://ris1.bka.gv.at/Appl/Authentic/SearchAuthResult.aspx?page=doc&docnr=1 BGBl. I Nr. 28/2007, Art I Z 7
  10. "Wir müssen strukturelle Reformen erreichen", Telepolis, Heise Verlag
  11. Peter Marschalck: Bevölkerungsgeschichte Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1984, S. 173.
  12. J. J. Woltjer: Recent verleden, Amsterdam 1992, S. 34.
  13. J. J. Woltjer: Recent verleden, Amsterdam 1992, S. 79/81.

Literatur

  • Wilhelm Brauneder (Hrsg.): Wahlen und Wahlrecht. Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte in Hofgeismar 1997. (= Der Staat; Beiheft; H. 14). Duncker und Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-10479-X
  • Georg Lutz, Dirk Strohmann: Wahl- und Abstimmungsrecht in den Kantonen. Droits politiques dans les cantons. Haupt, Bern u. a. 1998, ISBN 3-258-05844-X
  • Dieter Nohlen: Wahlrecht und Parteiensystem. (= UTB, Bd. 1527). 3. Auflage. Leske und Budrich, Opladen 2000, ISBN 3-8252-1527-X
  • Wolfgang Schreiber: Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag. Kommentar. 7. Auflage. Heymanns, Köln u. a. 2002, ISBN 3-452-25141-1
  • Gustav Strakosch-Graßmann: Das allgemeine Wahlrecht in Österreich seit 1848. Deuticke, Leipzig und Wien 1906 (Digitalisat, PDF)
  • Michael Wild: Die Gleichheit der Wahl. Dogmengeschichtliche und systematische Darstellung. Duncker und Humblot, Berlin 2003, ISBN 3-428-10421-8
  • Karl Ucakar: Demokratie und Wahlrecht in Österreich. Zur Entwicklung von politischer Partizipation und staatlicher Legitimationspolitik. Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1985, ISBN 978-3-900351-47-2

Weblinks


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