Streidel

Streidel

Adelheid Streidel (* 1948) verübte am 25. April 1990 ein Messerattentat, bei dem der damalige Kanzlerkandidat der SPD Oskar Lafontaine lebensgefährlich verletzt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Die ehemalige Arzthelferin aus Bad Neuenahr-Heppingen wurde bereits in den frühen 1980ern mehrfach psychiatrisch behandelt, blieb aber verhaltensauffällig. So plakatierte sie beispielsweise an ihrem Wohnort Aufrufe "Gegen Menschentötungsfabriken, Menschenlager mit Todesfolge der Bonner Regierung und auf der ganzen Erde".[1] Nach einer versuchten Brandstiftung wurde bei Streidel 1986 eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Die verschriebene Medikamentierung setzte sie im Mai 1989 ab, worauf sich ihr Zustand verschlechterte bis zu einem Selbsttötungsversuch im Dezember des Jahres. Die Schwester Streidels bemühte sich um die gerichtliche Übertragung der Vormundschaft (heutiger Ausdruck: Betreuung) und somit um eine stationäre Unterbringung. Über diese war jedoch bis zum Tatzeitpunkt noch nicht entschieden worden.

Motive

Adelheid Streidel litt durch ihre Psychose unter Wahnvorstellungen. Sie glaubte, dass mit Wissen der Politik in Höhlen unter der Erdoberfläche geheime Lager existierten, in denen Menschen industriell zu Konserven verarbeitet oder umoperiert und zu willenlosen Befehlsempfängern umprogrammiert würden. Sie sah es als ihre Aufgabe an, die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen. Um die nötige Aufmerksamkeit zu gewinnen, wollte sie das öffentliche Interesse durch die Tötung eines Spitzenpolitikers auf sich ziehen.

Tatvorbereitungen

Nach späterer Aussage habe sie den Attentatsplan zum Weihnachtsfest 1989 gefasst, allerdings noch ohne ein bestimmtes Opfer auszuwählen. Sie ließ sich von allen größeren Parteien die Termine der Wahlkampfveranstaltungen mitteilen und notierte u.a. die Namen Helmut Kohl, Norbert Blüm und Hans-Dietrich Genscher in ihrem Notizbuch. Zeugen wollen sie später auf einer Wahlkampfveranstaltung Kohls sowie bei einem Auftritt Lafontaines in Bochum gesehen haben.

Um den Jahreswechsel 1989/1990 versuchte Streidel in den Besitz einer Schusswaffe zu gelangen. Als dies nicht gelang, kaufte sie Mitte April 1990 zwei Küchenmesser.

Attentat auf Lafontaine

Am 25. April 1990 nahm Streidel in Köln-Mülheim an einer Wahlkampfveranstaltung mit Johannes Rau und Oskar Lafontaine teil. Wegen ihrer Aufmachung - zu ihrem wie üblich blassgeschminkten Gesicht trug sie ein weißes Kleid - wurde sie in Presseberichten nach der Tat auch als "die Frau in Weiß" bezeichnet. Sie führte zwei Blumensträuße mit sich, in einem war eines der Küchenmesser verborgen.

Sie scheiterte mit dem Vorhaben, vor Beginn der Veranstaltung auf das Podium zu gelangen. Der Vorwand, sie wolle sich ein Autogramm geben lassen, wurde von Polizeibeamten abgewiesen. Als zum Ende der Veranstaltung gegen 20.45 Uhr jedoch ein Kamerateam des Bayerischen Rundfunks auf das Podium durfte, wurde ihr nun ebenfalls erlaubt, die Bühne zu betreten, damit sie vor der Kamera die Sträuße überreiche.

Später erklärte Streidel, dass Lafontaine deswegen das Opfer wurde, weil Rau ungünstiger stand. Nachdem sie Lafontaine ihren Notizblock reichte, um ihn kurz abzulenken, zückte Streidel das Messer, stach es ihm in die rechte Halsseite und verfehlte die Halsschlagader nur um Millimeter.

Lafontaine, der zuerst nicht transportfähig war, verlor etwa drei Liter Blut und wurde in einer zweistündigen Notoperation in der Uniklinik Köln gerettet. Streidel ließ sich nach der Tat widerstandslos festnehmen und wurde bereits am nächsten Tag auf richterlichen Beschluss in der geschlossenen Abteilung der Rheinischen Kliniken Düren untergebracht.

Streidel befand sich noch 2004 in psychiatrischer Behandlung in den Rheinischen Kliniken Bedburg-Hau. [2]

Einzelnachweise

  1. zit. nach. Der Spiegel 18/1990
  2. FOCUS (6/2004): Freiheit auf Probe

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