Sudan-Sprachen

Sudan-Sprachen

Sudansprachen ist eine ältere Bezeichnung (Anfang des 20. Jahrhunderts bis etwa 50er Jahre) für alle afrikanischen Sprachen, die in der Sahelzone von Äthiopien im Osten bis Senegal im Westen gesprochen werden. Die Sudansprachen waren nach Carl Meinhof genuslose und nominalklassenlose afrikanische Sprachen, die sich von den Bantu-Sprachen mit Nominalklassensystem und den Hamitischen Sprachen mit Genus-System unterschieden. Diedrich Westermann wies aber bereits die Verwandtschaft des Westsudanesischen-Zweigs mit den Bantu-Sprachen nach. Nach heutigem Wissensstand weisen die Sudansprachen jedoch keine geschlossene sprachgenetische Verwandtschaft auf, so dass „Sudansprachen“ ein sprachwissenschaftlich unbrauchbarer, rein geographischer Begriff ist. Die Sudansprachen schließen Sprachen ein, welche heute als Nilo-Saharanische Sprachen, Niger-Kongo-Sprachen oder Afroasiatische Sprachen klassifiziert werden.

Inhaltsverzeichnis

Sudansprachen nach Meinhof

Carl Meinhof subsumierte als Erforscher der Bantusprachen sämtliche Sprachen, die kein ausgeklügeltes Nominalklassensystem hatten und nicht hamitisch oder semitisch waren, unter die Gruppe der Sudansprachen. Das Konzept der Sudansprachen muss auch im Zusammenhang mit der Vorstellung über die Hamitische Rasse gesehen werden. Reichten die nach heutigen Vorstellungen falschen sprachwissenschaftlichen Einordnungsmuster für die Klassifizierung der Sprachen nicht aus, griff C. Meinhof auf rassische Kriterien zurück. Im Gegensatz zu der negroiden Bevölkerung, welche die Sudansprachen sprechen sollte, sollten die als „athiopide Kontaktrasse“ bezeichneten Hamiten die „höherwertigen“ flektierenden „Hamitensprachen“ mit Genus-System sprechen. Das führte z.B. zu der falschen Einordnung des Maa und des Fulfulde. Weil ihre Sprecher, die Massai und die Fulbe größer gewachsen bzw. hellhäutiger waren, wurden ihre Sprachen in Ermangelung brauchbarer linguistischer Methoden, den „hamitischen Sprachen“ zugeschlagen, obwohl diese zu der Nilosaharanischen bzw. Niger-Kongo Sprachfamilie, welche nach damaligen Sprachgebrauch Sudansprachen, genannt wurden, gehören. Das sollte „der kulturtragenden Rolle und Überlegenheit der Hamiten“ entsprechen. Andererseits rechnete Meinof Hausa zu den Sudansprachen, welche nach heutiger Erkenntnis als tschadische Sprache Teil der afroasiatischen (hamitosemitischen) Sprachfamilie ist.

Forschungen Westermanns und Klingehebens

Westermann, ein Schüler Carl Meinhofs, führte vergleichende sprachwissenschaftliche Forschungen an den Sudansprachen während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus und begründete infolge dessen 1911 die Unterteilung zwischen Ost- und Westsudanesischen Sprachen (annähernd vergleichbar mit der heutigen Unterscheidung zwischen Niger-Kongo und Nilosaharanischen Sprachen). Seine Zusammenarbeit mit Hermann Baumann im Jahre 1927 war der geschichtlichen Rekonstruktion des westsudanesischen Sprachenzweigs gewidmet. Er verglich seine Forschungsergebnisse über das Ursudanische (die wissenschaftlich nicht mehr relevante Ursprache der Sudansprachen) mit dem Proto-Bantu, welches Carl Meinhof herausgearbeitet hat. Westermann unterließ es aber noch die offensichtliche Schlussfolgerung zu ziehen, dass zwischen dem Proto-Westsudanesischen und dem Proto-Bantu eine sprachgenetischen Verwandtschaft bestehe. Französische Sprachwissenschaftler wie Delafosse und Homburger, die nicht durch die Theorie, dass das Nominalklassensystem Bantu- und Sudansprachen scheide, beeinträchtigt wurden, äußerten sich recht deutlich über die Einheit zwischen Sudanesischen und Bantu-Sprachen, hauptsächlich auf der Grundlage lexikostatistischer Daten. Homburger z. B., merkte in ihrem vergleichenden Werk von 1929 Noms des parties du corps dans les langues Négro-Africaines an, dass einige deutsche Afrikanisten (...) eine Bantu-Gruppe und eine Gruppe der Sudansprachen vorgeschlagen haben, und die betreffenden Wissenschaftler erst spät dazu kamen die Einheit von Bantu-Sudanesisch zu erkennen [1]. Erst 1935 legte Westermann in seinem Werk "Charakter und Einteilung der Sudansprachen" endgültig die Verwandtschaft zwischen Bantusprachen und Westsudanesischen Sprachen dar. Er hielt aber an einer „gemeinsamen Grundhaltung“ der Sudansprachen fest.

August Klingenheben befasste sich in den 30er Jahren mit Fulfulde. Durch seine umfassende Beschreibung des Lautbestandes und des komplizierten Systems der Präfix- und Suffixklassen löst er das Fulfulde aus der Familie der hamitischen Sprachen und ordnet es in die Gruppe der westatlantischen Sprachen ein[2]. Durch die Herauslösung von Fuldfulde aus den Hamitischen Sprachen eignete sich das Konzept der Sudansprachen immer weniger dafür nichthamitischen Sprachen und nicht-Bantusprachen der Sahelzone linguistisch zu beschreiben.

Aufgabe der Sudansprachen durch Greenberg

Joseph Greenberg bezog die Westsudanesischen Sprachen in die Niger-Kongo Sprachen ein und benannte sie in Volta-Kongo-Sprachen um. Er behandelte die Ostsudanesischen Sprachen als eine von den Westsudanesischen / Niger-Kongo Sprachen verschiedene Sprachenfamilie, die er unter dem Namen Nilosaharanische Sprachenfamilie einführte.

Trotz fehlender linguistischer Fundierung wird die Gruppe der Sudansprachen auch heute noch als eine geographische Bezeichnung für die Sprachen im Sahelgürtel weiter verwendet. Ein Beispiel stellt der Diercke Weltatlas vom Westermann Verlag dar, der häufig als Schulatlas gebraucht wird.

Die Sudansprachen können sehr unterschiedlich sein und werden aufgeteilt in:

Quellen

  1. quelques africanisants allemands (...) avaient posé (...) un groupe bantou et un groupe soundais, et ce n'est que tout dernièrement qu'ils ont reconnu l'unité bantou-soudanaise
  2. August Klingenheben: Die Sprache der Ful. J. J. Augustin, Hamburg 1963

Schrifttum

  • Homburger, L. (1929) Noms des parties du corps dans les langues Négro-Africaines, Paris: Champion.
  • Westermann, Diedrich Hermann (1911) Die Sudansprachen: eine sprachvergleichende Studie.
  • Westermann, Diedrich Hermann & Baumann, Hermann (1927) Die westlichen Sudansprachen und ihre Beziehungen zu Bantu.
  • Westermann, Diedrich Hermann (1935) 'Charakter und Einteilung der Sudansprachen', Africa, 8, pp. 129–148.

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