Suspensorium und Maxillarapparat

Suspensorium und Maxillarapparat
 

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Suspensorium und Maxillarapparat der Fische (Typen der Kieferaufhängung)

Zum Verständnis der hier anzuführenden Suspensions-Typen geht man am besten von der historischen Entwicklung unserer Kenntnisse aus. Bei den Säugetieren gelenkt der Unterkiefer am übrigen Schädel (der sonst keine Gelenke hat), an einem Knochen namens Quadratum (aus ihm ist bei uns der Amboss, incus, im Mittelohr geworden). Bei den Vögeln und Reptilien ist das Quadratum aber beweglich und gelenkt selbst am Schädel – Versluys nannte diesen Zustand Streptostylie. Er lässt sich auf die Verhältnisse bei primitiven Fischen (und deren Kiemenbogen) zurückführen.

Traditionell werden Ober- und Unterkiefer der Wirbeltiere auf „Kiemenbögen“ zurückgeführt. Eine solche „idealistische“ Ableitung ist aber weder zwingend noch klar. Sicherlich gab es Agnathen mit Skelettbildungen zur Stützung der Kiemenspalten, die noch keine Kiefer hatten, aber doch Knorpel-Strukturen rund um den Mund (die also keine vormaligen Kiemenbögen waren!) – durch laterale Gelenkbildung kann daraus die Kieferzange entstanden sein. Fossilien, die das belegen, sind aber noch unbekannt. Wir müssen bei diesen frühen Vertebraten auch stets mit einem Hautknochen-Panzer rechnen, dessen Elemente von Anfang an am Vorderende des „Urfisches“ mitmischten. Manche Theoretiker haben sogar gemeint, Ober- und Unterkiefer wären auf zwei hintereinander liegende Bögen zurückzuführen; die Mehrheit leitet beide Teile (jeder Seite) aber von den zwei Schenkeln eines Bogens ab.- Der hypothetische „Ausgangszustand“ (Kiefer nicht am Gehirn-Schädel befestigt) wurde „Paläostylie“ genannt (H. Hofer 1945). Meist aber ist der Oberkiefer mehr oder weniger fest (durch Bindegewebe), mehr oder weniger beweglich mit dem Schädel verbunden.

Bei den Haien ist der Knochenpanzer verschwunden (Gewichtsreduktion), die zwei (knorpligen) Kiefer sind daher „unverhüllt“ sichtbar – dennoch liegt hier sicher kein Primitivzustand vor. Je nach Ernährungsweise ist der Oberkiefer in unterschiedlicher Weise mit dem Schädel verbunden, so dass die „Kieferzange“ (zum Zupacken) als Ganzes bewegt wird (wobei der obere Teil des darauf folgenden Bogens, die Hyomandibula, als Führungsglied dient, z.B. bei Rochen: (eu)hyostyler Zustand des Oberkiefers; Hyostylie), oder (als das andere Extrem einer Serie von Übergangsformen) der Oberkiefer völlig mit dem Schädel verschmolzen ist (ähnlich wie bei den Säugetieren: holostyl, Holostylie): bei den Chimären (als Anpassung an Schalentier-Nahrung: Quetschgebiss):

Altertümliche Haie wie die Hexanchidae (z.B. der Kragenhai) sind autostyl (Autostylie), d.h. der Oberkiefer gelenkt selbst am Schädel (und zwar vorne, in der Nasenregion, und hinten an der Schädelbasis, basitrabekulär: Autodiastylie – oder hinten nur unter Vermittlung der Hyomandibel: Amphistylie).- Latimeria ist diastyl, da bei ihr die Hyomandibel nicht als Kieferstiel fungiert.- Die Hyomandibel (ihr entspricht bei uns der Steigbügel, stapes, im Mittelohr) ist schon eher als (umgebildeter) Teil eines ehemaligen Kiemenbogens deutbar. Zwischen ihr und dem Oberkiefer liegt manchmal das Spritzloch, spiraculum, das lange (und wohl zu Unrecht) als „Rudiment“ einer ehemaligen vollentwickelten Kiemenspalte angesehen wurde. (Bei uns entsprechen ihm der Gehörgang und die Eustachische Röhre.)

Alle übrigen rezenten Kiefermäuler haben nun Haut- oder Deckknochen, die – in recht verschiedener Weise – an der Kieferbildung beteiligt sind. Die Störe sind (met)hyostyl (ihr Kieferapparat ähnelt dem von „modernen“ Haien und Rochen), die Lungenfische sind holostyl (ähnlich den Chimären: „Systylie“), alle übrigen Knochen-Fische (Osteichthyes) amphistyl. Das, was dem Hai-Oberkiefer entspricht, ist nun das (auch großteils verknöcherte) Suspensorium (es besteht aus den Knochen Palatinum, drei Pterygoiden und Quadratum [an dem der Untekiefer gelenkt]; es ist auch bei primitiveren Knochenfischen (Teleostei) noch bezahnt) mitsamt dem Hyomandibulare. In der Evolution verlagert sich der „Schwerpunkt“ der Bezahnung aber auf die Kieferrandknochen Prämaxillare (Ober- ) und Dentale (Unterkiefer; s. Knochenfische: Skelett). Das Suspensorium ermöglicht (wie bei den Landwirbeltieren (Tetrapoda) außer den Säugern) das Erweitern der Mundhöhle nach den Seiten und damit – im Wasser – das „Saugschnappen“ (Beute wird eingesogen) – das in seiner Effizienz dann sehr gesteigert wird durch eine „automatische“ Greifbewegung mit dem Prämaxillare, das dabei auf der Nasenregion des Schädels mittels des Rostralknorpels vor- und zurückgleitet. Diese Bewegung wird vom Suspensorium her vermittelt durch eine komplizierte Abrollung des Maxillare, das bei den primitiveren Knochen-Fischen (und Knochenfischen) noch bezahnter Mundrandknochen war (und bei Tetrapoden geblieben ist). Man nennt die Amphistylie der Knochenfische Ethmohyostylie (auf feinere Untergliederungen gehen wir nicht ein), weil das Suspensorium ja hinten mittels des Hyomandibulare am Schädel gelenkt, vorne (im Palatinum) direkt an der Nasenkapsel, die (u.a.) als Ethmoid verknöchert. (Das Ethmoid entspricht unserem Siebbein.) Das Maxillare der Acanthopterygii stützt nur mehr die Hautfalte, die das Vorgreifen mit dem Prämaxillare erst ermöglicht – dadurch wird zwar die Maulspalte eingeengt, aber beim Saugschnappen eine höhere Geschwindigkeit des eingesaugten Wassers erreicht, was auch einer agilen Beute die Flucht sehr erschwert. Die beiden Schädelgelenkungen des Suspensorium sind selbst meist doppelköpfig und liegen nicht parallel, was zu (sinnvollen!) Verwindungen führt (ermöglicht durch eine meist breite Knorpel-Zone).

Man nennt die anatomische Grundlage der Vorstreckbarkeit des funktionellen Oberkiefers der Teleosteer den Maxillar-Apparat. Er ist auch wieder mehrmals entstanden (Konvergenz; z.B. auch bei Cyprinidae, Loricariidae, Veliferidae, Zeidae u.a.) und weist eine sehr große Anzahl von Spezialformen auf. Die Maul-Öffnung (die meist die Aktivierung des Maxillarapparats einleitet) geschieht etwa durch Dorsad-Rotation des Operculums und dann (gewöhnlich) durch Kontraktion der ventralen Rumpfmuskulatur (besonders vor dem Schultergürtel), wodurch auch die Hyoide laterad gespreizt und die Suspensoria abduziert werden (Erweiterung der Mundhöhle zum Saugschnappen). Bei einigen extremen Saugschnappern kommt es sogar zur Auflösung des Suspensoriums, damit auch der Unterkiefer vorbewegt werden kann (Labridae: Epibulus, Cichlidae: Petenia).

Literatur

  • Helmut Hofer (1945): Zur Kenntnis der Suspensionsformen des Kieferbogens und deren Zusammenhänge mit dem Bau und mit der Kinetik des Schädels bei den Knochenfischen.- Zool. Jbr Anat. 69: 321-404.
  • Wilfried Westheide und Reinhard Rieger (Hg.) (2004): Spezielle Zoologie. Bd 2. Wirbel- oder Schädeltiere.
  • Cheryl D. Wilga, Philip J. Motta and Christopher P. Sanford (2007): Evolution and ecology of feeding in elasmobranchs.- Integrative and Comparative Biology 47 (2007): 56-69.

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