Switch-Reference

Switch-Reference

In der Linguistik ist Switch-Reference (auf Deutsch so viel wie „Schaltreferenz“) ein morphologisches Merkmal von Verben in manchen Sprachen, das zur anaphorischen Verknüpfung von Teilsätzen („clauses“) dient.[1] Genauer gesagt zeigt ein Switch-Reference-Marker an, ob das Subjekt eines Verbs übereinstimmt mit bzw. verschieden ist vom Subjekt eines anderen Verbs. Neben der Kennzeichnung von Subjektgleichheit und -ungleichheit können Switch-Reference-Marker auch direkt oder indirekt andere Informationen über die Beziehung zwischen den beiden Teilsätzen anzeigen, ähnlich wie koordinierende Konjunktionen.

Die grundlegende Unterscheidung, die ein Switch-Reference-System vornimmt, betrifft die Frage, ob der folgende Teilsatz dasselbe Subjekt („same subject“ = SS) oder ein anderes Subjekt („different subject“ = DS) hat. Im Rahmen der Switch-Reference wird 'Subjekt' definiert wie für Sprachen mit einer Nominativ-Akkusativ-Ausrichtung („nominative-accusative alignment“): Ein Subjekt ist das einzige Argument eines intransitiven Satzes oder das Agens eines transitiven Satzes. Dies gilt sogar für Sprachen mit einem hohen Grad an Ergativität. SS und DS können jedoch auch verwendet werden, um andere Relationen außer der des Nominativ-Subjektes zum Ausdruck zu bringen, und Sprachen mit reichen Switch-Reference-Systemen können dabei auch andere grammatische Relationen anzeigen.

Inhaltsverzeichnis

Beispiele für Switch-Reference-Systeme

Das Washo in Kalifornien und Nevada (isolierte Sprache) zeigt ein solches Switch-Reference-System. Wenn das Subjekt eines Verbs und das des folgenden gleich sind, dann nimmt das Verb keinen Switch-Reference-Marker an. Wenn jedoch das Subjekt eines Verbs von dem des folgenden verschieden ist, dann erhält das Verb den DS-Marker [2]:

yá·saʔ duléʔšugi yá·saʔ gedumbéc̓edášaʔi
again he.is.reaching.toward.him again he.is.going.to.poke.him
„Again he is reaching toward him, again he will poke him“ (same subject)


mémluyi -š lémehi
you.eat -DIFFERENT.SUBJECT I.will.drink
„If you eat, I will drink“ (different subjects)

Neben dem Ausdruck der Gleichheit bzw. Ungleichheit von Subjekten in aufeinanderfolgenden Sätzen (sequentielle Markierung) können manche Switch-Reference-Systeme auch Verben mit Bezug auf einen fokussierten Teilsatz innerhalb eines Satzes markieren (gewöhnlich der letzte Teilsatz), ungeachtet ob der Fokus-Teilsatz dem markierten Teilsatz folgt oder nicht. Sequentielle Verben mit gleichen Subjekten können daher DS-Marker annehmen, wenn ihre Subjekte von dem des Fokus-Teilsatzes abweichen. Diese Form von Switch-Reference wird (in diesem Rahmen) als Fokus-Markierung bezeichnet und soll im Kashaya (Pomo-Sprachen) existieren.

Zusätzliche Unterscheidungen

SS und DS können manchmal auch mit dem entgegengesetzten Subjekt verwendet werden. Zum Beispiel in Fällen, wo das Subjekt des folgenden Teilsatzes von dem des vorhergenden verschieden ist, aber die Ereignisse, die von den Teilsätzen beschrieben werden, eng miteinander gekoppelt sind, kann stattdessen der SS-Marker zur Anwendung kommen. Umgekehrt können DS-Marker verwendet werden, wo das eigentliche Subjekt übereinstimmt, wenn diese Teilsätze unverbundene Ereignisse beschreiben. Die SS- bzw. DS-Markierung wird also nicht nur für gemeinsame Subjekte verwendet, sondern auch, um die Kontinuität oder Diskontinuität von Ereignissen zu beschreiben.

Manche Sprachen kennzeichnen die interklausale Beziehung in ihrem Switch-Reference-System explizit. Kâte, eine Huon-Sprache in Neuguinea, hat vier Switch-Reference-Marker, bei denen SS bzw. DS mit der Unterscheidung von Aufeinanderfolge bzw. Überlappung der Ereignisse in den Teilsätzen kreuzklassifiziert sind.

Ein komplexeres System, das sich im nördlichen oder Tundra-Jukagirischen findet, unterteilt sowohl SS als auch DS in szenensetzende („scene-setting“) und neutrale Formen, wobei die ersteren anzeigen, dass das durch den markierten Teilsatz beschriebene Ereignis außerhalb der Reichweite des Ereignisses im folgenden Teilsatz liegt, und die letzteren keine solche Unterscheidung vornehmen. Die SS-Formen werden weiter in privative Formen untergliedert, die anzeigen, ob die Verbindung zwischen den Ereignissen in den Teilsätzen entgegen der Erwartung stattfindet; in perfektive Formen, die anzeigen, dass das Ereignis im folgenden Teilsatz nach dem im markierten Teilsatz auftritt; in imperfektive Formen, die anzeigen, dass die Ereignisse in den Teilsätzen gleichzeitig auftreten, und die darüber hinaus als thematisch miteinander verbunden bzw. als Teil desselben Ereignisses spezifiziert werden können.

Andere komplexe Systeme kann man z. B. in der Pano-Sprache Cashinahua finden, die über zehn Marker verfügt, die unvollendete, überlappende bzw. vollendete Ereignisse kennzeichnen sowie Ereignisse, die eine Folge von vorhergehenden Ereignissen abschließen, all dies in Ergänzung zur Kennzeichnung der beteiligten Subjekte; außerdem in der karibischen Sprache Panare, welche die Relation zwischen Teilsätzen als Ursache, Bewegung, Zweck oder Ergebnis spezifizieren kann.

Solche Switch-Reference-Systeme übernehmen zusätzliche Funktionen, die andere Sprachen durch den Gebrauch von Konjunktionen verwirklichen.

Eigenschaften von Sprachen mit Switch-Reference

Sprachen, die sich durch Switch-Reference auszeichnen, haben oft einen reduzierten oder modifizierten Begriff des syntaktischen Drehpunkts (engl. pivot): Es gibt wenige Beschränkungen hinsichtlich der Arten von Rollen, die in koordinierten Propositionen auftreten können oder ausgelassen werden können, und „pivots“ können besser als pragmatische oder semantische Rollen ausgedrückt werden anstatt als grammatische Rollen. Sprachen mit Switch-Reference können auch solche Operationen wie die Diathesen Passiv und Antipassiv fehlen, oder sie benutzen sie nur für semantische Effekte, wobei die grammatischen Verwendungsweisen der besagten Diathesen vom Switch-Reference-System gehandhabt werden.

Literatur

Quellen

  1. John Haiman u. Pamela Munro (Hrsg.): Switch Reference and Universal Grammar. Benjamins, Amsterdam 1983.
  2. Marianne Mithun: The languages of native North America. Cambridge University Press, 1999.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Switch-reference — In linguistics, switch reference (SR) describes any clause level morpheme that signals whether certain prominent arguments in adjacent clauses co refer. In most cases, it marks whether the subject of the verb in one clause is co referent with… …   Wikipedia

  • Reference (informatique) — Référence (informatique) En programmation, une référence est une valeur qui permet l accès en lecture et/ou écriture à une donnée située soit en mémoire principale soit ailleurs. Une référence n est pas la donnée elle même mais seulement une… …   Wikipédia en Français

  • Switch — For other uses, see Switch (disambiguation). Electrical switches. Top, left to right: circuit breaker, mercury switch, wafer switch, DIP switch, surface mount switch, reed switch. Bottom, left to right: wall switch (U.S. style), miniature toggle… …   Wikipedia

  • Switch (instruction) — Pour les articles homonymes, voir Switch. En programmation informatique, switch (« aiguillage » en anglais), parfois aussi select (comme en VB) ou inspect est une instruction qui permet d effectuer un branchement à partir de la valeur d …   Wikipédia en Français

  • Switch — Сетевой коммутатор или свитч (жарг. от англ. switch  переключатель)  устройство, предназначенное для соединения нескольких узлов компьютерной сети в пределах одного сегмента. В отличие от концентратора, который распространяет трафик от одного… …   Википедия

  • Référence (informatique) — En programmation, une référence est une valeur qui permet l accès en lecture et/ou écriture à une donnée située soit en mémoire principale soit ailleurs. Une référence n est pas la donnée elle même mais seulement une information de localisation.… …   Wikipédia en Français

  • Reference re Secession of Quebec — SCCInfoBox case name=Reference re Secession of Quebec full case name=Reference re Secession of Quebec heard date=February 16 19, 1998 decided date=August 20, 1998 citations= [1998] 2 S.C.R. 217; 1998 CanLII 793 (S.C.C.); (1998), 161 D.L.R. (4th)… …   Wikipedia

  • Role and Reference Grammar — Die Role and Reference Grammar (RRG) ist eine strukturalistische und funktionale Grammatiktheorie, die von den beiden US amerikanischen Sprachwissenschaftlern Robert D. Van Valin Jr. und William A. Foley in den 1980er Jahren entwickelt wurde.… …   Deutsch Wikipedia

  • Open Systems Interconnection Reference Model — Als OSI Modell (auch ISO OSI Schichtmodell, OSI Referenzmodell; engl. Open Systems Interconnection Reference Model) wird ein Schichtenmodell der Internationalen Standardisierungsorganisation (ISO) bezeichnet. Es wurde als Designgrundlage von… …   Deutsch Wikipedia

  • Osi reference model — Als OSI Modell (auch ISO OSI Schichtmodell, OSI Referenzmodell; engl. Open Systems Interconnection Reference Model) wird ein Schichtenmodell der Internationalen Standardisierungsorganisation (ISO) bezeichnet. Es wurde als Designgrundlage von… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”