Tag-Nacht-Linie

Tag-Nacht-Linie
Erde und Mond nahe an der Dichotomie, Galileo, NASA.

Die Tag-Nacht-Grenze, in der Astronomie und Meteorologie auch (solarer) Terminator (lat. „Abgrenzer“) oder Separator (lat. „Trenner“) genannt, ist die Licht- bzw. Schattengrenze zwischen der durch einen Stern beleuchteten und der unbeleuchteten Seite eines Himmelskörpers, insbesondere eines Planeten oder Mondes durch die Sonne.

Die Lage dieser Trennlinie relativ zu einem äußeren Beobachter erzeugt die Phase des Himmelskörpers, die sichtbare Lichtgestalt, die dieser Beobachter sieht, namentlich insbesondere die volle Scheibe und die Halbphase (Dichotomie, griech. „Trennung in zwei Hälften“).

Gemessen werden Terminator und Phase mit dem Phasenwinkel.

Inhaltsverzeichnis

Optische Grundlagen

Tag-Nacht-Grenze über Europa und Afrika (Computersimulation).
Dargestellt ist auch der unscharfe Terminator.

Beleuchtet eine Lichtquelle einen Körper, liegen alle Bereiche der Körperoberfläche im Schatten, die von der Lichtquelle aus gesehen „hinten“ liegen. Dieses Hinten wird von dem Anblick des Körpers (der zweidimensionalen Projektion) bestimmt, die der Astronom, weil seine Untersuchungsobjekte meist annähernd kugelförmig sind, Scheibe nennt. Die Außenlinie dieser Projektion (einen Großkreis) nennt man den Separator (geometrische Optik) oder Terminator (visuelle Astronomie, atmosphärische Optik). Von einem anderen Standpunkt als der Lichtquelle aus gesehen erscheint er als Linie auf der Oberfläche, die Licht und Schatten („Tag und Nacht“) trennt.

Auf der Oberfläche entscheidet sich am Terminator, ob die Lichtquelle zu sehen ist oder nicht − also, ob Tag oder Nacht ist. Der Terminator durchläuft dabei im allgemeinen zweimal die Position eines lokalen Beobachters auf dieser Oberfläche. Befindet der sich gerade auf der Tag-Nacht-Grenze, kann er entsprechend einen Sonnenaufgang beziehungsweise einen Sonnenuntergang beobachten, das heißt, die Sonne überschreitet aus Sicht eines Betrachters innerhalb eines Tages zweimal den Horizont, einmal aufsteigend und einmal absteigend.

Der Zeitraum, in dem die Sonne gerade noch nicht, bzw. gerade nicht mehr zu sehen ist, es aber nicht ganz dunkel ist, wird als Dämmerung bezeichnet. Durch die atmosphärische Brechung ist der Terminator der Erde eine wesentlich unschärfere Linie, als etwa der des Mondes. Auf dem Mond gibt es keine Atmosphäre und daher keine Dämmerung: Wenn die Sonne untergeht, wird es schlagartig dunkel – aber ein Sonnenuntergang auf dem Mond dauert durch dessen langsame Rotation etliche Stunden. Der Erdseparator hat eine „Strichstärke“ von einigen hundert Kilometern.

Der Phasenwinkel Φ

Der Phasenwinkel ist der Winkel zwischen der Sonne und dem Beobachter, gemessen am Objekt. Er liegt an der Sichtlinie vom Beobachter zum Himmelskörper der Elongation gegenüber, beziehungsweise, er ist die Elongation, unter der man am Objekt den Standpunkt des Beobachters sieht. [1]

\Phi = \arccos\;\frac{r^2 + \Delta^2- R^2}{2 \cdot r \cdot \Delta} 
dabei sei
R: Abstand von der Sonne zum Beobachter
r: Abstand von der Sonne zum Objekt
Δ: Abstand vom Beobachter zum Objekt

Der Phasenwinkel ist ein sphärischer Winkel, wird also nicht an der Ekliptik (der Ebene, in der die Verbindungslinie vom Beobachter zur Sonne liegt) gemessen, weil die ekliptikale Breite bei nahen Objekten (etwa Satelliten) einen entscheidenden Anteil zur exakten Lage des Terminators leistet.

Da der Phasenwinkel aber ein sphärischer Winkel ist, ist er nur dann 0° bzw. 180°, wenn die drei Objekte exakt auf einer Linie liegen. Da das aber kaum (bzw. theoretisch gar nicht) vorkommt, erreicht er nur Minimal- beziehungsweise Maximalwerte nahe diesen Werten.

Sowohl Terminator wie auch Phasen werden über den Phasenwinkel angegeben, die Phase aber auch in Prozent der beleuchteten Oberfläche, die sichtbar ist (Beleuchtungsdefekt).

Die Phasen

  • Stehen von dem Himmelskörper aus gesehen Sonne und der Beobachter in derselben Richtung (der Phasenwinkel ist minimal, der Beobachter misst Opposition), sieht der Beobachter nur die Tagseite des Körpers, der Terminator liegt auf der Außenkante der sichtbaren Scheibe. Diese Phase wird als voll bezeichnet.
  • Bei einer Phasenwinkel von 90° schaut der Beobachter genau auf den Terminator, sodass dieser als Gerade erscheint: Die Scheibe trennt sich in eine halbkreisförmige Tagseite und eine ebensolche Nachtseite. Diese Phase nennt der Astronom Halbphase oder Dichotomie (griechisch dĭchŏtŏmos „entzweigeschnitten“ aus dicha „zweigeteilt, getrennt“ und tome „Schnitt“). Sie ist nicht zu dem Zeitpunkt, in dem die Elongation beim Beobachter 90° ist: Dieser Aspekt heißt Quadratur, und ist in der Astronomie ohne sonderliche Bedeutung.
  • Ein Phasenwinkel ist maximal (der Beobachter sieht eine Konjunktion) heißt nur beim Mond Neu-, bleibt sonst aber unbenannt. Die Bezeichnung ist sonst nur beim Neulicht üblich. Die Elongation beim Beobachter ist Null, daher bildet sie im Fachgebrauch den Nullpunkt zur Berechnung von synodischen Perioden
  • Dazwischen hat der Terminator die Form einer Halbellipse und zeigt die vom Mond bekannte Sichelform, oder eine (fälschlich) als „eiförmig“ bezeichnete Gestalt.

Diese Phasen wechseln in einem regelmäßigen Rhythmus, der von der Stellung von Himmelskörper, Sonne und Beobachter abhängig ist, die synodischen Periode.

Genauso, wie der Phasenwinkel nicht exakt 0° wird, ist der Himmelskörper dabei auch nicht vollständig erleuchtet. Der Mond etwa ist also zu Vollmond meistens nicht „ganz“ voll (typische Werte liegen bei 99,96 %), nur bei kleiner ekliptikaler Breite (also Mondfinsternissen) erreicht er seine maximale Ausleuchtung. Dann ist er aber nicht zu sehen, weil er verfinstert ist. Auch die (theoretisch) sichtbare, sehr schmale Sichel zu Neumond ist nicht sichtbar, weil der Mond dann am Taghimmel steht.

Himmelsmechanische Zusammenhänge

Würde die Rotationsachse des Himmelskörpers senkrecht auf seiner Bahnebene stehen (Inklination = Null), verliefe die Tag-Nacht-Grenze immer genau durch beide Pole. In diesem Fall wäre auf allen Breitengraden des Himmelskörpers der Tag und die Nacht immer genau gleich lang. Innerhalb eines Sonnentages wäre dann überall die Tag-Nacht-Grenze zweimal überschritten.

Wenn die Rotationsachse aber nicht genau senkrecht auf der Bahnebene des Himmelskörpers steht, ändern sich die Länge der Zeiten von lichtem Tag und Nacht von Tag zu Tag. Je weiter ein Punkt vom Äquator entfernt liegt, desto größer sind die Unterschiede innerhalb eines Umlaufs um die Sonne. Um die Pole gibt es dann sogar Bereiche, innerhalb derer die Sonne je Sonnenumlauf nur ein Mal auf- und untergeht. Die Grenzen dieser Bereiche definieren die Polarkreise.

Der Terminator der Erde

Weltkarte mit Tag-Nacht-Grenze

Die Schiefe der Ekliptik beträgt etwa 23°. Am Äquator durchwandert der Terminator einen Punkt noch ziemlich genau alle 12 Stunden, sodass Tag und Nacht in ihrer Länge kaum schwanken. Aber schon in gemäßigten Breiten ist die Auswirkung der Ekliptikschiefe deutlich zu spüren.

Zu einer Sonnenwende (Solstitium) ist auf der nördlichen Halbkugel der astronomische Tag zwischen Sonnenauf- und -untergang am längsten (Sommersonnenwende) und auf der südlichen Halbkugel entsprechend die Nacht (Wintersonnenwende), bzw. umgekehrt. Auf der Nordhalbkugel ist die Sommersonnenwende am 21. Juni und die Wintersonnenwende am 21. Dezember. Nach je einem viertel Jahr sind Tag und Nacht genau gleich lang (Tagundnachtgleiche oder Äquinoktium). Die Tageslängen schwanken zwischen etwa 8 und 16 Stunden.

Ab etwa 66° nördliche bzw. südliche Breite (den Polarkreisen) herrschen dann Polartag (Mitternachtssonne) bzw. Polarnacht.

Ausführliche Informationen zu diesem Thema siehe Tag, Nacht, Sonnenstand

Der Terminator des Mondes

Hauptartikel: Mondphasen

Von der Erde aus lässt sich auf dem Mond die Wanderung der Tag-Nacht-Grenze sehr gut verfolgen. Der sonnenabgewandte Teil des Mondes ist kaum sichtbar, lediglich die Ränder einiger Krater an der Tag-Nacht-Grenze werden im Schattenbereich noch beleuchtet und heben sich als helle Bögen von der unbeleuchteten Mondoberfläche ab. Durch die Reflexionen an der Erdatmosphäre (Erdlicht) wird aber auch die erdzugewandte Schattenseite des Mondes nicht ganz dunkel.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Vollmann. Physische Wandelgestirn-Daten. In: Hermann Mucke (Hrsg.): Moderne astronomische Phänomenologie. 20. Sternfreunde-Seminar, 1992/93. Zeiss Planetarium der Stadt Wien und Österreichischer Astronomischer Verein 1992, S. 185–196 (weblink, 18. April 2007)

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