Teilung Polens

Teilung Polens
Die drei Teilungen Polens

Die Teilungen Polens bezeichnet in erste Linie die Teilungen des Doppelstaates Polen-Litauen Ende des 18. Jahrhunderts. In den Jahren 1772, 1793 und 1795 teilten die Nachbarmächte Russland, Preußen und Österreich den Unionsstaat untereinander auf, so dass dieser schließlich für über 120 Jahre von der politischen Karte Europas verschwand.

Weiterhin gebräuchlich ist die Bezeichnung Vierte Teilung Polens, welche später für verschiedene Beschneidungen des polnischen Staatsgebiets angewandt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Die erste Teilung 1772

1772, nach der ersten Teilung
Katharina II. (ganz links) teilt sich zwischen Josef II. und Friedrich II. von Preußen Polen wie ein Kuchen auf, während der polnische König Stanislaus August II. sich verzweifelt an die Krone greift (Karikatur le gâteau des rois von Jean-Michel Moreau, 1773)

Polen war seit der Herrschaft von August dem Starken immer mehr unter den Einfluss Russlands geraten. 1764 setzte Zarin Katharina II. die Wahl ihres ehemaligen Liebhabers Stanislaus Poniatowski als Stanislaus II. August zum polnischen König durch.

Stanislaus führte zwar Reformen durch, um das Land zu stärken, doch konnte sich Polen vom übermächtigen Einfluss Russlands nicht befreien. Als die polnischen Nicht-Katholiken, Dissidenten genannt, die seit dem Stummen Sejm von 1717 ins Abseits gerieten, ihre volle bürgerliche Gleichberechtigung forderten, zwangen einmarschierte russische Truppen den Sejm, dieser Forderung nachzugeben. Dagegen erhob sich 1768 die Konföderation von Bar, die sowohl die Souveränität Polens als auch die Beschränkung der vollen Bürgerrechte auf die Katholiken bewahren wollte. Sie wurde jedoch in einem Bürgerkrieg mit Hilfe russischer Truppen niedergeschlagen.

Der deutsch-römische Kaiser Joseph II. machte sich gegen den Willen seiner Mutter, Maria Theresia, die polnischen Wirren zunutze und besetzte im Sommer 1769 die Zips unter dem Vorwand, sie sei 1412 von Ungarn an Polen verpfändet und seitdem nicht eingelöst worden. 1770 wurden auch noch Teile des Karpatenvorlandes mit den Städten Neu Markt und Neu Sandez annektiert. Die Initiative zu größeren Gebietsabtrennungen ging vom preußischen König Friedrich II. aus. Er schickte seinen Bruder, den Prinzen Heinrich von Preußen, nach Sankt Petersburg, um der russischen Kaiserin Katharina die preußischen Arrondierungspläne schmackhaft zu machen. Der Vorschlag lautete, alle drei Nachbarländer des militärisch wehrlosen und vom Bürgerkrieg zerrissenen Polen sollten polnisches Territorium annektieren, um die gegenseitigen Spannungen und Expansionsbestrebungen auf Kosten des gemeinsamen Nachbarn zu lösen.

Russland und Preußen einigten sich am 17. Februar 1772 über die Gebietsaufteilungen. Österreich schloss sich am 4. März diesem Plan an. Der formelle Teilungsvertrag wurde am 5. August in Sankt Petersburg unterzeichnet.

Das Kurfürstentum Brandenburg als Rechtsnachfolger der 1637 ausgestorbenen pommerschen Herzöge vertrat der brandenburgische Kurfürst, der in Personalunion auch „König in Preußen (Ostpreußen)“ war. Dadurch konnte er das östliche Preußen mit dem westlichen Teil Preußen Königlichen Anteils einschließlich Pommerellen vereinigen. Danzig blieb vorläufig noch Freie Stadt. Preußen musste auch auf Thorn verzichten. Das Netzegebiet wurde besetzt und damit war die Landverbindung von Brandenburg über Pommern nach Ostpreußen hergestellt. Preußen erhielt durch die Teilung rund 34.900 km² mit 356.000 Einwohnern.[1] Russland annektierte alle Gebiete östlich von Düna und Dnepr (Polnisch-Livland und die weißrussischen Wojewodschaften) mit etwa 84.000 km² und 1.256.000 Einwohnern. Österreich bekam Kleinpolen südlich der Weichsel sowie Rotreußen, Podolien und Wolhynien (Königreich Galizien und Lodomerien). Dies waren rund 83.900 km² mit 2.669.000 Einwohnern.[1]

Die zweite Teilung 1793

1793, nach der zweiten ...
Stanisław August Poniatowski (Porträt von Johann Baptist von Lampi)

In Polen wurden nach der ersten Teilung die Bemühungen um Reformen unter Stanislaus II. August verstärkt. Nach dem Ausbruch der Französischen Revolution gab sich Polen als erstes Land Europas eine freiheitliche Verfassung, die Verfassung vom 3. Mai 1791.

Diese wurde durch die Konföderation von Targowica 1792 abgelehnt. Der seiner Macht beraubte konservative Teil des polnischen Adels bat bei der Zarin um russische Intervention, um die alte Ordnung der Goldenen Freiheit wiederherzustellen. Russische Truppen marschierten im Mai 1792 in Polen ein, mit der offiziellen Begründung, dort sei eine Jakobinerherrschaft im Entstehen. Der Einmarsch gipfelte im Russisch-Polnischen Krieg von 1792.

Die Niederlage der Polen führte schließlich zur zweiten Teilung. An dieser war Österreich nicht beteiligt. Der Teilungsvertrag wurde am 23. Januar 1793 zwischen Preußen und Russland geschlossen. Am 23. September 1793 musste das von russischen Truppen umstellte polnische Parlament in Grodno sich dem Diktat in einer „stummen Sitzung“ beugen und der abermaligen Verkleinerung des Staates zustimmen. Preußen erhielt die Städte Danzig und Thorn und auch die nach der Annexion „Südpreußen" genannte Landschaft Großpolen, die spätere Provinz Posen.

Russland erhielt Weiß-, Schwarz- und Kleinrussland sowie den Osten Wolhyniens und bekam mit Podolien erstmals eine gemeinsame Grenze zu Österreich in Galizien.

Die dritte Teilung 1795

Polen-Litauen in den Grenzen von 1771 und die drei Teilungen Polens 1772, 1793 und 1795

Die Dritte Teilung Polens wurde mit dem am 3. Januar 1795 zwischen dem Russischen Reich und Österreich geschlossenen Traktat, dem sich Preußen am 24. Oktober anschloss, beschlossen und am 25. November 1795 vollzogen.

Die Teilungen Polens waren sowohl durch innere Krisen der polnischen Adelsrepublik als auch durch Expansionsgelüste der Nachbarmächte ausgelöst worden. Der misslungene Aufstand von 1794 unter Tadeusz Kościuszko bot den Anlass, den Reststaat vollends zu liquidieren.

Am 3. Januar 1795 schlossen zunächst nur Russland unter Katharina der Großen und Österreich unter Franz Joseph Karl von Habsburg-Lothringen den dritten Teilungsvertrag, Preußen unter Friedrich Wilhelm II. trat ihm jedoch am 24. Oktober bei. König Stanisław August Poniatowski von Polen und Litauen arrangierte sich abermals mit den Teilungsmächten: Am 25. November 1795 ratifizierte er im Königlichen Palais zu Grodno den Teilungsvertrag und erklärte seinen Thronverzicht. Damit war das Ende des Königreichs Polen und des Großfürstentums Litauen gekommen – Stanisław August Poniatowski erhielt ein Gnadengehalt und lebte zunächst weiter in Grodno, später in St. Petersburg.

Als Ergebnis der Teilung erhielt Russland die Gebiete östlich von Bug und Njemen (Memel), also Kurland und Litauen, sowie die restlichen ruthenisch-ukrainischen Teile Polens (62 % des Landes und 45 % der Bevölkerung).

Preußen erhielt Nordmasowien mit Warschau, Ciechanów und Pułtusk, Podlasien und einen Teil von Litauen südlich der Memel (jetzt Neuostpreußen). Darüber hinaus wurde das Königreich der Hohenzollern um die Gebiete Südpreußen und Neuschlesien mit Tschenstochau erweitert. Schließlich umfasste das durch Preußen in Besitz genommene Land 148.000 km² (20 % des Landes) mit 2,7 Mio. Polen und Deutschen (23 % der Bevölkerung).

Österreich bekam Westgalizien als Hauptteil Kleinpolens (18 % des Landes und 32 % der Bevölkerung) mit den Städten Krakau, Sandomir, Lublin und Radom.

1797 vereinbarten die drei Teilungsmächte in einem Zusatzvertrag die Abschaffung des Namens Polen, der damit von der Landkarte verschwand. Die Polen fanden sich nicht mit der fehlenden Eigenstaatlichkeit ab – im Zuge der Aufstellung der Polnischen Legion innerhalb der französischen Armee entstand 1797 das Kampflied Noch ist Polen nicht verloren, das im folgenden Jahrhundert die diversen Aufstände begleitete (siehe: Fremdherrschaft, Unterdrückung und Kampf um die Unabhängigkeit 1795–1914) und schließlich zur Nationalhymne des im Gefolge des Ersten Weltkrieges wiederentstandenen polnischen Staates wurde.

Siehe auch

Verweise

Literatur

  • Tadeusz Cegielski: Das alte Reich und die erste Teilung Polens 1768 - 1774. Verlag, Steiner, Stuttgart 1988, ISBN 3-515-04139-7.
  • Friedhelm Berthold Kaiser, Stasiewski, Bernhard (Hrsg.): Die erste polnische Teilung 1772. Verlag Böhlau, Köln/Wien 1974, ISBN 3-412-02074-5.
  • Jerzy Lukowski: The partitions of Poland 1772, 1793, 1795. Verlag Longman, London 1999, ISBN 0-582-29275-1.
  • Michael Müller: Die Teilungen Polens 1772, 1793, 1795. Verlag Beck, München 1984, ISBN 3-406-30277-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Jürgen Heyde: Geschichte Polens. Beck, München 2006, ISBN 978-3-406-50885-1, S. 50.

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