Tempern

Tempern

Der Begriff Tempern beschreibt allgemein das Erhitzen eines Materials über einen längeren Zeitraum. Mit einem solchen Verfahren ist es beispielsweise möglich, die Verteilung mechanischer Spannungen in einem Bauteil aus Glas oder Acryl zu kontrollieren. Durch Tempern ist es aber auch möglich gezielt die Struktur eines Festkörpers zu ändern, beispielsweise das Gefüge bei Bauteilen aus Gusseisen oder die Umwandlung der Kristallstruktur von dünnen Schichten.

Tempern wird in der Glas- und Kunststofftechnik, im Eisenhüttenwesen (siehe auch Temperguss) als auch in der Dünnschichttechnik angewendet.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Im physikalischen Sinn bedeutet Tempern, dass ein Festkörper auf eine Temperatur unterhalb der Schmelztemperatur erhitzt wird. Dies geschieht über eine längere Zeit hinweg (einige Minuten bis hin zu einigen Tagen). Durch die erhöhte Beweglichkeit der Atome können so Strukturdefekte ausgeglichen und die Kristallstruktur in der Nah- und Fernordnung verbessert werden. Auf diese Weise kann der Prozess des Schmelzens und (extrem) langsamen Abkühlens zur Einstellung der Kristallstruktur vermieden werden.

Anwendungsbereiche

Glas

Das Bauteil wird auf eine Temperatur knapp oberhalb der unteren Entspannungsgrenze gebracht und dort ausreichend lange gehalten, bis sich das gesamte Bauteil gleichmäßig auf diese Temperatur erwärmt hat. Dabei darf die Temperatur nicht den oberen Kühlpunkt überschreiten, um unkontrollierte Formänderungen zu vermeiden.

Das anschließende Abkühlen wird je nach dem beabsichtigten Ergebnis in zwei unterschiedlichen Weisen ausgeführt:

  • Wenn das Bauteil anschließend frei von inneren mechanischen Spannungen sein soll, erfolgt der Abkühlprozess bis zur unteren Entspannungsgrenze langsam und stetig. Unterhalb dieser kritischen Temperatur führen vorübergehende Temperaturgradienten nicht mehr zu eingefrorenen Verformungen und permanenten Spannungen und die weitere Abkühlgeschwindigkeit ist nun nur noch durch die Zugfestigkeit des Glases begrenzt. Vor allem bei optischen Komponenten ist die Freiheit von eingefrorenen inneren Spannungen ein entscheidendes Qualitätsmerkmal, da solche Spannungen bei Gläsern zu einer – meist ungewollten – Doppelbrechung führen.
  • Ein rasches Abkühlen durch Abschrecken führt dazu, dass sich in der schneller abkühlenden Oberfläche zunächst Zugspannungen bilden, die durch plastische Verformung abgebaut werden. Diese Verformung wird eingefroren und bewirkt nach Ausgleich der Temperaturunterschiede Druckspannung in der Oberfläche, die bei korrekter Ausprägung die Festigkeit des so gewonnenen Temperglases gegen mechanische und thermische Belastungen während des Gebrauches im Vergleich zum entspannten Glas wesentlich erhöhen.

Gusseisen

Hauptartikel: Temperguss

Beim Gusseisen versteht man unter Tempern langzeitiges Glühen bei Temperaturen zwischen 700 °C und 1050 °C zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften (Festigkeit, Zähigkeit). Das Ergebnis ist Temperguss.

Elektronikfertigung

In der Elektronikfertigung wird das Temper-Verfahren zur Vorbereitung von Bauteilen sowie von unbestückten Leiterplatten benutzt. Ziel ist es, unerwünschte Feuchtigkeit, welche im Laufe der Zeit in die Bauteile bzw. die Leiterplatte hineinkriecht, wieder zu entfernen. Andernfalls kann es durch die schnelle Aufheizung beim Löten (auf über 200 °C) zu Verpuffungen kommen, welche möglicherweise das Bauteil zerstört. Eine unbestückte Leiterplatte, die aus mehreren verklebten Lagen besteht, kann möglicherweise delaminieren, das heißt, die Lagen trennen sich voneinander.


Siehe auch

Weblinks


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  • Tempern — † Têmpern, verb. regul. welches nur in einigen gemeinen Sprecharten üblich ist. 1. * Als ein Activum, mischen, mäßigen, wie das Lat. temperare. Schon Kero sagt in dieser Bedeutung tempron. Do der luft mit sunnen vuire Wart getempert und gemischet …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Tempern — Tempern, 1) mischen; 2) durch Tändeln die Zeit[365] verlieren; 3) allmählig erhitzen u. ausglühen; bes. 4) (Anlassen, Adouciren), eiserne Gußstücke behufs ihrer späteren Bearbeitung erweichen; zu diesem Zwecke umgibt man sie mit Lehm, Koks,… …   Pierer's Universal-Lexikon

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  • Tempern — Tempern, s. Adoucieren und Temperguß …   Kleines Konversations-Lexikon

  • tempern — anlassen; vergüten (Metall); ausglühen * * * tẹm|pern 〈V. tr.; hat〉 Gussstahl tempern durch Glühen bei Temperaturen von 850 bis 1000 °C leichter bearbeitbar machen [<engl. temper „richtig mischen; mäßigen, mildern; (Metall) härten“] * * *… …   Universal-Lexikon

  • tempern — tẹm|pern 〈V.〉 Gussstahl tempern durch Glühen bei Temperaturen von 850 1000 °C leichter bearbeitbar machen [Etym.: <engl. temper »richtig mischen; mäßigen, mildern; (Metall) härten«] …   Lexikalische Deutsches Wörterbuch

  • Tempern — sukepinimas statusas T sritis radioelektronika atitikmenys: angl. bake vok. Härten, n; Tempern, n rus. спекание, n pranc. cuisson, f …   Radioelektronikos terminų žodynas

  • Tempern — atkaitinimas statusas T sritis fizika atitikmenys: angl. annealing vok. Ausglühen, n; Tempern, n; Temperung, f rus. отжиг, m pranc. recuit, m …   Fizikos terminų žodynas

  • Tempern (Archäologie) — Tempern ist die Bezeichnung für eine thermische Behandlung von Feststoffen (vgl. Tempern). In der in der Archäologie, wird es vor allem in der Ur und Frühgeschichte für die gezielte Erhitzung von Hornstein oder Flint verwendet, die nachweislich… …   Deutsch Wikipedia

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