Tempobezeichnungen

Tempobezeichnungen
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Mechanisches Metronom
Skala eines elektronischen Metronoms

Das Tempo (ital. „Zeit“; Plural: Tempi /'tɛmpi/; von lat. tempus; dt. auch Zeitmaß) gibt in der Musik an, wie schnell ein Stück zu spielen ist. Zusätzlich sind viele Tempobezeichnungen gleichzeitig auch Ausdrucksbezeichnungen, geben also auch über den beabsichtigten Charakter eines Musikstücks Auskunft.

Tempobezeichnungen in Form von in die Noten geschriebenen Eigenschaftswörtern kamen in der abendländischen Kunstmusik im 17. Jahrhundert auf. Da Italien zu jener Zeit lange das musikalische Innovationszentrum Europas war, etablierten sich italienischsprachige Tempo- und Ausdrucksbezeichnungen, die bis heute weltweit in der Musik üblich sind. Allerdings wurden in England und besonders in Frankreich lieber Bezeichnungen in der eigenen Landessprache verwendet. Erst im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter ausgeprägter Nationalstile, setzten dann auch einige deutsche Komponisten (z. B. Brahms) Bezeichnungen in deutscher Sprache ein.

Zur genaueren Fixierung der Tempi erfand Johann Nepomuk Mälzel 1816 das so genannte Metronom, mit dem der Grundschlag hör- und sichtbar gemacht werden konnte. Die Metronomzahl (abgekürzt mit M. M. = Mälzels Metronom oder bpm = Beats per minute) gibt an, wieviele Schläge in der Minute der Grundpuls hat.

Der tatsächliche Tempoeindruck eines Musikstücks ist indes ein Phänomen, das über die reine Schlagzahl pro Zeiteinheit hinausweist und von anderen musikalischen und außermusikalischen Parametern mitbestimmt wird, insbesondere von den vorkommenden Rhythmen, der Dichte des musikalischen Satzes, aber auch von den gegebenen Räumlichkeiten sowie der Tagesform von Musikern und Zuhörern, und vielem mehr.

Inhaltsverzeichnis

Tempobezeichnungen

Die traditionell üblichen (d. h. in der Musiziertradition der Romantik herausgebildeten) Tempoangaben sind:

Name Bedeutung
Langsame Tempi
Grave schwer
Largo breit (40–60 bpm)
Larghetto etwas breit (schneller als Largo) (60–66 bpm)
Adagietto ziemlich ruhig, ziemlich langsam
Lento langsam
Andante sostenuto langsam und nachhaltig (langsamer als Andante)
Adagio langsam, ruhig (66–76 bpm)
Mittlere Tempi
Andante gehend, schreitend (76–108 bpm)
Andantino ein wenig schneller als Andante
Moderato mäßig (108–120)
Allegretto etwas munter (langsamer als Allegro)
Schnelle Tempi
Allegro munter, fröhlich (120–168 bpm)
Vivace, vivo lebhaft, lebendig (≈ 140 bpm)
Vivacissimo sehr lebhaft, sehr lebendig
Presto schnell, geschwind (168–208 bpm)
Prestissimo sehr schnell

Allerdings sind die Tempobezeichnungen nur als kleine Stütze gedacht. Wenn keine genauen Metronomzahlen angegeben sind, liegt es beim Interpreten, die Geschwindigkeit so zu wählen, dass ein vom Komponisten bestimmtes Gefühl an den Zuhörer übermittelt wird.

Durch zugefügte Eigenschaftswörter oder andere Wörter kann die Tempoangabe zur Vortragsbezeichnung erweitert werden, zum Beispiel (alphabetische Auflistung ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

assai = sehr
amoroso = lieblich, liebevoll, mit Leidenschaft, mit Liebe, amourös
cantabile = gesanglich
con brio = mit Schwung (oft auch als "mit Feuer" übersetzt)
con espressione = mit Ausdruck
con fuoco = mit Feuer
con moto = mit Bewegung
con spirito / spiritoso = geistvoll
espressivo = ausdrucksvoll
giocoso = freudig
giusto = angemessen
grazioso = graziös, mit Grazie
lugubre = traurig, klagend
maestoso = majestätisch
ma non troppo = aber nicht zu sehr
marcato = markant
moderato = gemäßigt
molto = viel, sehr
morendo = ersterbend
mosso = bewegt
quasi = gleichsam
teneramente = zart
un poco = ein wenig


Tempoänderungen

Name Bedeutung
Beschleunigende Tempobezeichnungen
accelerando (accel.) beschleunigend
stringendo (string.) eilend
piu mosso bewegter
poco più etwas mehr
Verzögernde Tempobezeichnungen
poco meno etwas weniger
più lento langsamer
calando langsamer und leiser werden
allargando breiter werdend
rallentando (rall.) verbreiternd, verlangsamend
ritardando (rit.) langsamer werdend
ritenuto zurückhaltend
Allgemeine Tempobezeichnungen
alla marcia marschmäßig
a tempo im ursprünglichen Zeitmaß
tempo primo/tempo I zum Tempo am Beginn
des Stückes bzw. Satzes zurückkehren
rubato frei, nicht im strengen Zeitmaß
ad libitum nach Belieben schnell
alla breve zur Hälfte (zwei Zählzeiten nur noch eine)
doppio movimento doppelt so schnell

siehe außerdem: Agogik

Tempo-Interpretation

„[Tempo ist...] das Notwendigste und Härteste und die Hauptsache in der Musik“ (W. A. Mozart in einem Brief vom 24. Oktober 1777)

Vom Komponisten selbst mit Bezug auf einen bestimmten Notenwert wie „Halbe“, „Viertel“ oder „Achtel“ angegebene Metronomzahlen sind wertvoll als Richtschnur für die Interpretation. Metronomangaben anonymer Herkunft können keinen Anspruch auf Richtigkeit erheben.

Die Tempowörter auf der Skala des Mälzel-Metronoms – wie „Andante – gehend 76–106“ – sind insofern keine Hilfe, als sie nicht sagen, auf welchen Notenwert, welche „Zählzeit“, sie sich beziehen: „gehen“ die Achtel, die Viertel oder die Halben in diesem Tempo? und: in welcher Taktart steht das Stück? Ein „Andante 3/8“ ist in der Musik der Klassik z. B. schneller als ein „Andante 3/4“ – und dieses ist schneller als ein „Andante 4/4“. Ebenso ist es mit den Taktarten 2/2, 2/4 und 2/8. Ein Allegro im barocken C-Takt ist langsamer als eines im klassischen und modernen C oder 4/4 („Der grosse Viervierteltackt ist von äußerst schwerer Bewegung und Vortrag, und wegen seines Nachdrucks vorzüglich zu grossen Kirchenstücken, Chören und Fugen geschickt.“ (Johann Philipp Kirnberger, Die Kunst des reinen Satzes in der Musik, 2. Teil (1776), S. 122)).

Die Musik der Klassik vor Beethoven brauchte noch kein Metronom. Sie benutzte ein Tempo-System aus den „natürlichen Tempi der Taktarten“ (s. o.), den kleinsten Notenwerten (ein Stück war z. B. langsamer, wenn es Zweiunddreißigstel enthielt als wenn es überwiegend nur aus Sechzehnteln oder gar Achteln bestand) und als drittem Faktor den italienischen Tempowörtern, die die ersten beiden Angaben modifizierten. Trotz seiner Begeisterung über das durch Johann Nepomuk Mälzel endlich praktisch verwendbar gewordene Metronom hat Beethoven von seinen über 400 Werken nur 25 mit Tempoangaben nach der Mälzel-Skala versehen. Brahms verzichtete später ganz darauf.

Siehe auch Historische Aufführungspraxis#Tempi

Zur sog. „metrischen Theorie“ Retze Talsmas und seiner Mitstreiter, die Metronomangaben bezögen sich auf eine ganze Doppelschwingung des Pendels, auf das volle Hin und Her, weshalb die Pendel- und Metronom-Angaben halbiert und die klassische Musik doppelt so langsam gespielt werden müsse („Wiedergeburt der Klassiker“), sagt Mälzel, der selbst Pianist war, in seinen „Directions for using Maelzel’s Metronome“: „… it be well understood, that in this, as in every case, each single beat or tick forms a part of the intendend time, and is to be counted as such, but NOT THE TWO BEATS produced by the motion from one side to the other.“ In der Übersetzung der Wiener Allgemeinen Musikzeitung: „… ist dieses so zu verstehen, dass in diesem, wie in jedem anderen Falle, jeder einzelne Schlag als ein Theil des beabsichtigten Zeitmasses anzusehen, und als solcher zu zählen sey; also NICHT DIE BEYDEN (durch die Bewegung von einer zur andern Seite) hervorgebrachten Schläge“.

Carl Czerny, Schüler Beethovens und zweifellos kompetenter Anwender des Gerätes, in seiner Klavierschule op. 500, „Vom Gebrauch des Mälzel’schen Metronoms (Taktmessers)“ im gleichen Sinne: „man spielt jede Viertelnote genau nach den HÖRBAREN Schlägen des Metronoms.“

Gottfried Weber, der in Konkurrenz zu Mälzel ein kostenloses Fadenpendel propagierte, schrieb am 15. Juni 1817 in der Wiener Allgemeinen Musikalischen Zeitung: „Die Bezeichnung kann übrigens nie missverstanden werden, wenn man beständig dem Grundsatze treu bleibt, dass JEDER Pendelschlag immer einen Takttheil bedeuten soll.

Der bedeutende Musikwissenschaftler Adolf Bernhard Marx im Artikel „Chronometer“ der Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften … 1835: „Der Componist schiebt nun, um das Tempo zu bezeichnen, jenes Bleigewicht auf einen größern oder geringern Bewegungsgrad [...], und bestimmt über dem Anfange seines Tonstücks, daß die Viertel, oder Achtel, oder halbe Noten etc. in demselben so lange dauern sollen, als EIN Pendelschlag des Metronomen.“

Gabory im Manuel utile et curieux sur la mesure du temps (Anger 1770), S. 113: „Schwingung nennt man den Weg, den dieser schwere Körper [an einem Faden-Pendel] zurücklegt, um sich von der einen Seite seiner Senkrechten zur anderen zu bewegen; so dass die Hin- und Her-Bewegung ZWEI Schwingungen ausmacht.“ („On appelle vibration, le chemin que fait ce corps pesant [suspendu à un fil] pour se porter d’un côté à l’autre de sa perpendiculaire; ensorte que l’aller & le venir font DEUX vibrations.“)

Zur „metrischen Theorie“ Talsmas ausführlich Peter Reidemeister in Historische Aufführungspraxis, S. 114–135.

Takt und Tempo um 1600

  • HASE 1657

Der Takt ist nichts anders / als eine Bewegung / so geschieht mit der Hand oder einem Stocke.

  • SPEER 1687

Was ist der Takt? Er ist nach Arithmetischer Abteilung eine gewiese Gleichheit / mit der Hand nieder / und wieder also in die Höche oder aufzuschlagen.

  • L. MOZART 1756

Der Tact bestimmet die Zeit, in welcher verschiedene Noten müssen abgespielet werden ... Der Tact wird durch das Aufheben und Niederschlagen der Hand angezeiget...

Literatur

  • Brockhaus Riemann Musiklexikon, 1995, Serie Musik – Atlantis/Schott.
  • Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Kassel 1998, Sachteil, Artikel „Tempo“
  • Curt Sachs: „Rhythm and Tempo. A Study in Music History“, New York 1953.
  • Robert Donington: The Interpretation of Early Music, New Version, London 1979 ISBN 0-571-04789-0.
  • Robert Donington: A Performer’s Guide to Baroque Music, London 1978 ISBN 0-571-09797-9.
  • Eva und Paul Badura-Skoda: Bach-Interpretation. Die Klavierwerke Johann Sebastian Bachs, Laaber 1990 ISBN 3-89007-141-4.
  • Eva und Paul Badura-Skoda: Mozart-Interpretation, Wien 1957.
  • Irmgard Herrmann-Bengen: Tempobezeichnungen. Ursprung. Wandel im 17. und 18. Jahrhundert, Münchner Veröffentlichungen zur Musikgeschichte, Band 1, Tutzing 1959.
  • Helmuth Perl: Rhythmische Phrasierung in der Musik des 18. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Aufführungspraxis, Wilhelmshaven 1984.
  • Peter Reidemeister: Historische Aufführungspraxis, Darmstadt 1996 ISBN 3-534-01797-8.
  • Helmut Breidenstein: „Mozarts Tempo-System. Zusammengesetzte Takte als Schlüssel“, in: Mozart Studien (Manfred Hermann Schmid, Hrg.) Band 13, Tutzing 2004, S. 11–85. ISBN 3-7952-1156-5.
  • Helmut Breidenstein: „Worauf beziehen sich Mozarts Tempobezeichnungen?“, in: Das Orchester, Mainz 2004/3, S. 17–22, ISSN 0030-4468; Langfassung: [1].
  • Helmut Breidenstein: „Tempo in Mozarts und Haydns Chorwerken“, in: Chor und Konzert, Weimar, Heft 2004/3, S. 6–11, ISSN 1617-8689, und Heft 2005/1, S. 13–19, ISSN 1617-8690; Langfassung: [2].
  • Helmut Breidenstein: "Mozarts Tempo-System II. Die geraden Taktarten: 1. Teil", in: Mozart Studien (Manfred Hermann Schmid, Hrg.) Band 16, Tutzing 2007, S. 255–299. ISBN 978-3-7952-1234-6.
  • Helmut Breidenstein: "Mälzels Mord an Mozart. Die untauglichen Versuche, musikalische Zeit zu messen", in: Das Orchester, Mainz 2007/11, S. 8–15 ISSN 0030-4468.

Siehe auch

Quellen


  • Carl Philipp Emanuel Bach, Versuch über die wahre Art, das Clavier zu spielen, Berlin 1753; Nachdruck Kassel 2003.
  • Johann Mattheson, Der vollkommene Capellmeister, Hamburg 1739; Nachdruck Kassel 1954.
  • Johann Joachim Quantz, Versuch einer Anweisung, die Flöte traversiere zu spielen; Breslau 1752/1789; Nachdruck Kassel 1964.
  • Leopold Mozart, Versuch einer gründlichen Violinschule, Augsburg 1756; Faksimile-Nachdruck Frankfurt/Main 1956.
  • Friedrich Wilhelm Marpurg, Anleitung zum Clavierspielen der schönern Ausübung der heutigen Zeit gemäß, 2. verbesserte Auflage, Berlin 1765.
  • Friedrich Wilhelm Marpurg, Die Kunst das Clavier zu spielen, Berlin 1762; Nachdruck Hildesheim 1969.
  • Johann Friedrich Agricola, Anleitung zur Singkunst (zusammen mit dem italienischen Original von Pier Francesco Tosi Opinioni de’cantori antichi e moderni ..), Berlin 1757; Nachdruck Celle 1966.
  • Johann Philipp Kirnberger, Die Kunst des reinen Satzes in der Musik, Berlin 1776; Nachdruck Hildesheim 1968.
  • Johann Georg Sulzer, Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1–4, Leipzig 1720–79, Nachdruck Hildesheim 1970.
  • Daniel Gottlob Türk, Klavierschule, Leipzig und Halle 1789; Nachdruck Kassel 1962.
  • Heinrich Christoph Koch, Musikalisches Lexikon, Frankfurt 1802; Nachdruck Hildesheim 1964.
  • Carl Czerny, Vollständige, theoretisch-practische Pianoforte-Schule … in 4 Theilen, op. 500, London o. J.
  • Carl Czerny, Von dem Vortrage (1839), Dritter Teil aus „Vollständige theoretisch-practische Pianoforte-Schule“, op. 500, Faksimile-Nachdruck Wiesbaden 1991.
  • Dom F. Bedos de Celles, L’Art du Facteur d’Orgues, Paris 1766–1778; Die Kunst des Orgelbauers, Laufen 1977.

Weblinks


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