Thalamusschmerz

Thalamusschmerz

Zentraler Schmerz ist ein Schmerz, dessen Entstehungsort im Zentralen Nervensystem (ZNS) liegt, also entweder im Gehirn oder im Rückenmark.

  • Die korrekte wissenschaftliche Bezeichnung lautet zentraler neuropathischer Schmerz, da ihm eine Läsion oder Funktionsstörung von ZNS-Neuronen zugrunde liegt.
    • Läsionen im Thalamus können zu thalamischen,
    • Läsionen in anderen ZNS-Arealen zu pseudothalamischen Schmerzen führen.
  • Davon abzugrenzen ist der peripher neuropathische Schmerz bei Läsionen von Nerven außerhalb des ZNS,
  • der nozizeptive Schmerz durch Reizung von Schmerzrezeptoren in der Haut, bei dem sowohl periphere als auch zentrale Neurone normal funktionieren,
  • und schließlich die große heterogene Gruppe sogenannter psychosomatischer Schmerzen, bei der sich weder eine Schmerzrezeptorreizung noch eine Läsion peripheren oder zentraler Neurone nachweisen lassen, was regelmäßig zu der Vermutung führt, dass hier keine organischen Ursachen im Vordergrund stehen.


Inhaltsverzeichnis

Entstehungsorte

Zentraler Schmerz kann bei ZNS-Läsionen im Verlauf der gesamten zentralen Schmerzleitungsbahnen entstehen. Das beginnt mit dem zweiten sensiblen Neuron mit Zellkern im Rückenmarkshinterhornbereich, das sein Signal vom ersten (peripheren) sensiblen Neuron erhält, dessen Zellkörper noch außerhalb des Rückenmarks im Spinalganglion liegt. Die Axone des zweiten sensiblen Neurons verlaufen im Tractus spinothalamicus im Rückenmark und dann im Hirnstamm nach oben zum Nucleus ventralis posterolateralis des Thalamus. Dort erfolgt die Umschaltung auf das dritte Neuron zum Gyrus postcentralis des Großhirns. Bei Wahrnehmungen im Kopf-Halsbereich ist das erste Neuron ein Hirnnerv, dessen Zellkörper im Hirnstamm liegt. Der vordere Teil des Tractus spinothalamicus (Tractus spinothalamicus anterior) leitet Druck- und grobe Berührungsempfindungen, der seitliche Teil (Tractus spinothalamicus lateralis) leitet Schmerz- und Temperaturempfindungen. Am häufigsten tritt zentraler Schmerz bei Läsionen am Tractus spinothalamicus im Rückenmark oder Hirnstamm oder am Nucleus ventralis posterolateralis des Thalamus auf.

Peripher entstehende, starke oder langanhaltende Schmerzen können durch Veränderungen von zentralen afferenten Neuronen, die "Lernvorgängen" ähneln, im weiteren Verlauf eine zusätzliche zentrale Komponente bekommen, was zu einer Schmerzchronifizierung beitragen kann. Gelegentlich kann die ursprüngliche periphere Ursache behoben werden, abklingen oder ausheilen, während die Adaptationen der zentralen Schmerzneurone fortbestehen. Dies veränderten Neurone unterhalten dann durch Überempfindlichkeit oder Spontanentladungen einen nunmehr ausschließlich zentralen neuropathischen Schmerz, der nun losgelöst von der ursprünglich auslösenden Ursache selbstunterhaltend fortbesteht. Diese "Lernvorgänge" können an allen beteiligten zentralen Neuronen nachgewiesen werden, also sowohl auf Höhe des Rückenmarks als auch im Thalamus und im Großhirns. Es gibt Hinweise, dass bei diesem Schmerzchronifizierungsprozess psychosoziale Faktoren eine große Rolle sielen.

Ursächliche Erkrankungen

Jede Erkrankung mit Veränderungen im ZNS kann wohl neben funktionellen Ausfällen oder Beeinträchtigungen auch zu zentralem Schmerz führen. Die häufigen Schlaganfälle und Verletzungen des Rückenmarks (z.B. Querschnittlähmung) gehen allerdings nur in seltenen Fällen auch mit zentralem Schmerz einher. Die seltener zu findenden Patienten mit Multiple Sklerose und die Syringomyelie leiden aber häufiger an zentralem Schmerzen. Wahrscheinlich sind auch die Schmerzen beim Morbus Parkinson teilweise zentral bedingt. Sehr selten wird bei einem epileptischen Anfall (er entsteht im Großhirn) Schmerz empfunden.

Die Theorien zur Entstehung zentralen Schmerzes umfassen einerseits die Reizung der Schmerz- und Temperaturbahn im Tractus spinothalamicus, andererseits den Ausfall möglicher Hemmungen bei Ausfall der Bahnen für Kälteempfindung im Tractus spinothalamicus, Tastempfinden im Hinterstrang oder des Nucleus reticularis im Thalamus. Die zentrale efferente Hemmung durch den Hirnstamms und Kortex (limbisches System) auf nozizeptive Neurone im Rückenmark kann geschwächt sein.

Schmerzqualitäten

Zentraler Schmerz kann ganz unterschiedliche Qualitäten haben. Bei Ursache im Rückenmark, Hirnstamm oder Thalamus ist er oft brennend und mit Empfindungsveränderungen verbunden (das besonders häufig bei inkompletter Läsion im Rückenmark oder bei Multipler Sklerose, hier besonders an den Armen und noch häufiger an den Beinen). Aber auch andere Beschreibungen wie bohrend, ziehend, reißend sind häufig. Daneben bestehen fast immer weitere Empfindungsausfälle und -veränderungen. Oft scheint im Schmerzgebiet auch eine Überaktivität des Sympathikus zu bestehen, mit vermehrtem Schwitzen und Hautrötung. Der Schmerz ist oft großflächig, wobei es dabei auch auf die Größe der Läsion im ZNS ankommt. Außerdem kann er sowohl oberflächlich als auch in der Tiefe empfunden werden. Zentraler Schmerz wird oft unerträglich stark empfunden.

Behandlung

Die Behandlung von zentralem Schmerz ist schwierig, eine völlige Beseitigung nicht zu erwarten. Morphine, sonst die wirksamsten Schmerzmittel, sind bei Nervenschmerz und speziell bei zentralem Schmerz schlecht wirksam. Wirksam können Medikamente sein, die Prozesse im ZNS beeinflussen. Dabei wurde bei zentralem Schmerz infolge Schlaganfall gehäuft über Wirkung durch trizyklische Antidepressiva berichtet, bei anfallartigen Schmerzen durch Multiple Sklerose Antiepileptika. Auch Lokalanästhetika und Antiarrhythmika spielen eine Rolle.

Elektrische Stimulation von Nervenfasern oder Muskelzellen durch die Haut kann erfolgreich sein, wenn der Hinterstrang des Rückenmarks intakt ist. Magnetische Stimulation des Gehirns wurde besonders bei Sitz der Läsion im Rückenmark erfolgreich angewandt, indem über dem motorischen Kortex des Frontalhirns oder in der Gegend des Thalamus stimuliert wurde.

Neurochirurgische Eingriffe zur Blockade der Schmerzbahnen oder des Sympathikus wurden versucht.

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