- Torpedo (Recht)
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Im Bereich der gewerblichen Schutzrechte wird von einem Torpedo bzw. einer Torpedoklage gesprochen, wenn ein Schutzrechtsverletzer durch Erhebung einer negativen Feststellungsklage - beispielsweise als Reaktion auf eine Abmahnung - einen gegen ihn gerichteten Verletzungsprozess zu blockieren versucht.
Eine solche Verschleppungstaktik ist nur auf europäischer Ebene möglich: Wurde ein Schutzrecht - zum Beispiel ein Patent - in mehreren EU-Staaten angemeldet, so kann der Verletzer für die negative Feststellungsklage ein Gericht im Land seiner Wahl anrufen (vgl. auch Forum shopping). Da Artikel 27 Abs. 1 der EuGVVO bestimmt, dass es unzulässig ist, parallel in zwei EU-Ländern um den gleichen Streitgegenstand zu prozessieren, kann der Schutzrechtsinhaber keine Leistungsklage einreichen, solange die negative Feststellungsklage nicht entschieden wurde.
Damit der Verletzer möglichst viel Zeit gewinnt, muss er ein Land wählen, in welchem das Verletzungsverfahren sehr lange dauert. Da sich in der Vergangenheit Italien und Belgien als besonders „geeignet“ erwiesen haben, wird in der Regel vom italienischen Torpedo, seltener auch vom belgischen Torpedo gesprochen.
Der Torpedo war bereits vor Erlass der EuGVVO möglich, sogar noch in größerem Umfang als danach. Während seit Inkrafttreten der EuGVVO ein Torpedo nur dann erfolgreich lanciert werden kann, wenn die negative Feststellungsklage vor der eigentlichen Verletzungs- bzw. Leistungsklage eingereicht wird, war es vorher aufgrund verschiedener Rechtshängigkeiten bei den einzelnen Klagen möglich, eine zuerst eingereichte Leistungsklage nachträglich mit einer negativen Feststellungsklage zu blockieren.
Von Bedeutung ist die Torpedo-Taktik für einen Schutzrechtsinhaber, dessen Rechte verletzt wurden, insbesondere im Zusammenhang mit Abmahnungen. Verschickt der Verletzte zunächst eine Abmahnung, so muss er damit rechnen, dass der Verletzer die Torpedo-Taktik einsetzt. Wird jedoch sofort ohne Abmahnung Klage erhoben und der Verletzer erkennt die Ansprüche unverzüglich an, so muss der Kläger sämtliche Kosten tragen.
Torpedoklagen finden darüber hinaus auch auf anderen Gebieten Anwendung, sofern ein Interesse des Klägers besteht, ein Verfahren zu verzögern. So greifen Schuldner zur Torpedoklage um zu verhindern, dass gegen sie schnell ein vollstreckbarer Zahlungstitel erwirkt werden kann.
Literatur
- Florian Sander, Steffen Breßler: Das Dilemma mitgliedstaatlicher Rechtsgleichheit und unterschiedlicher Rechtsschutzstandards in der Europäischen Union – Zum Umgang mit sogenannten Torpedoklagen. Zeitschrift für Zivilprozess 2009, S. 157–185
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