Trachten der Insel Föhr

Trachten der Insel Föhr
Föhrer Friesentracht

Die Trachten der Insel Föhr werden bis in die Gegenwart von Frauen und Mädchen auf der deutschen Nordseeinsel Föhr getragen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bereits für das 16. Jahrhundert sind Trachten auf Föhr nachgewiesen. Neben der Festtagstracht und der Alltagstracht wurden auch Abendmahlstrachten und Trauertrachten getragen. Ab 1764 wird der lange Wickelrock, Pai genannt, getragen. Dies ging einher mit einem Schwund der Farbigkeit der Tracht. Ab etwa 1800 wurde der Kopf mit einem Tuch umschlungen. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich dann der heute übliche reiche Brustschmuck aus Silber.

Die heute noch getragene Festtagstracht hat sich vor etwa 100 Jahren aus den früheren Trachten heraus entwickelt.

Bemerkenswert ist, dass es eine einheitliche Tracht nur für Frauen und Mädchen, jedoch nicht für Jungen und Männer gibt. Dies liegt darin begründet, dass über Jahrhunderte hinweg zahlreiche Männer den größten Teil des Jahres auf See zubrachte und somit die jeweilige Mode der Hafenstädte trugen. Eine konforme männliche Tracht konnte sich daher auf Föhr nicht entwickeln.

Besonderheiten der heutigen Tracht

Eine Tracht hat etwa einen Wert von 5.000 EUR. Sie wird in der Regel in der Familie vererbt, kann aber auch heute noch neu angefertigt werden.

Das Anlegen der Tracht dauert mehrere Stunden; insbesondere das Anlegen der Haube und/oder des Kopftuchs sowie das Feststecken der Haare mit Haarklammern sind sehr zeitaufwändig. Mindestens eine zweite Person muss beim Anlegen der Tracht helfen.

Bedeutung

Föhrer Friesentracht auf einem Grabstein

Neben der friesischen Sprache ist die Föhrer Tracht für viele Insulaner von hohem Identität stiftendem Charakter. So wie die friesische Sprache in ihrem Föhrer Dialekt gegenwärtig eine annähernd gleichbleibend große Gruppe von Sprechern findet, ist auch das Festhalten an der Tracht zu beobachten.

Die bekannte Festtracht ist in ihrer heutigen Form und Ausstattung zirka 100 Jahre alt und hat sich seitdem nicht mehr verändert, was den Schluss zulässt, dass sie im Alltag keine Funktion mehr besitzt. An hohen Feiertagen wird sie demgegenüber aber sehr wohl, an Sonntagen oft mit reduziertem Schmuckanteil getragen.

Die Nordfriesen sind fast ausschließlich evangelisch-lutherischer Konfession. Aus diesem Grund spielt die Konfirmation auch auf Föhr eine große Rolle im Leben der Heranwachsenden. Sie ist der Festtag, an dem zahlreiche Mädchen die Erwachsenen-Tracht zum ersten Mal öffentlich vor der Gemeinde tragen.

Andere Anlässe zum Tragen der Tracht sind hohe kirchliche Feiertage, die Teilnahme an Hochzeiten oder auch Abiturfeiern.

Die Föhrer Tracht in ihrer heutigen Form wurde von Anfang an auch öffentlich bei Festen (auch für Touristen) getragen. Da die Föhrer ihre Tracht aber auch unter sich – zumindest an hohen kirchlichen oder familiären Feiertagen tragen – kann von einer folkloristischen Aushöhlung nicht gesprochen werden.

Beschreibung

Die Sonntags- und Festtracht der Föhrer Mädchen und Frauen lebt von dem starken Kontrast der hellen Schürzen und des Filigranschmucks und dem dunklen Stoff des Kleides. Die Tracht wirkt wegen dieses Kontrastes – und weil sie nur an hohen Feiertagen und Sonntagen getragen wird – sehr stil- und würdevoll.

Im Einzelnen besteht die Tracht aus den folgenden Teilen.

Der Rock (Pai)

Dieser ist ein Trägerrock aus dunkelblauem Tuch mit einer Weite von viereinhalb bis fünf Metern. Besonders im Rückenteil ist er kunstvoll 60-fach gefaltet. Die untere Kante wird von einem etwa acht Zentimeter breiten Saum aus hellblauer Moiréseide gebildet.

Die Ärmel

Die Ärmel sind aus Taft, Kunstseide oder Samt und an einem Futterleibchen angenäht, um sie wechseln zu können.

Die Schürze

Die Schürze der Festtagstracht ist weiß, aus Batist gefertigt und mit Lochstickereien versehen. Die Schürze der Alltagstracht – die allerdings kaum mehr Verwendung findet - ist von dunklem Stoff.

Das Halstuch

Das dreieckige, hellblaue Halstuch aus Seide besitzt geknotete Fransen und wird mit rund 60 bis 70 schwarzen Knopfnadeln auf dem Mieder festgesteckt.

Das Kopftuch

Das schwarze Kopftuch ist aus dünnem Kaschmirtuch und etwa 130 Zentimeter im Quadrat groß. Es trägt eine Verzierung in Form eines zirka 8 Zentimeter breiten Samtbands in schwarzer Farbe, das oft bestickt und mit Fransen besetzt ist. Dieses Tuch wird kunstvoll haubenartig geschlungen. An der Stirnseite befindet sich eine handgestickte Bordüre mit Blumenmustern und an den Seiten befinden sich lange schwarze Fransen. Die verheiratete Frau trägt unterm Kopftuch ein rotes, mit schwarzen Perlen besticktes Häubchen.

Die Haube

Unter dem Kopftuch schaut hinten die eigentliche Haube heraus; diese wird allerdings ausschließlich von verheirateten Frauen getragen. Sie besteht aus einem Läppchen in roter Farbe, das mit schwarzen Glasperlen bestickt ist.

Der Schmuck

Der filigrane Brustschmuck wird aus Silber hergestellt. Er besteht aus 10 bis 12 Knöpfen und einer mehrgliedrigen Hakenkette. Diese besteht aus einer drei- oder vierreihigen Gliederkette mit einem Amulett in der Mitte worauf sich die Bestandteile Kreuz, Herz und Anker als Symbole für Glaube, Liebe und Hoffnung, die Zeichen der christlichen Tugenden befinden.

Zwei weitere Knöpfe werden an den Ärmel angenäht. Ein Schließe aus Silber hält hinten die Schürze zusammen. Eine Halskette, Kopftuchnadeln, Haarnadeln und eine Brosche am Schürzenband ergänzen den Schmuck der Tracht.

Kindertracht

Die Tracht für jungen Mädchen unterscheidet sich nicht wesentlich von der für weibliche Jugendliche und Frauen. Der Umfang des Schmucks ist lediglich reduziert, es werden vier Knöpfe als Brustschmuck getragen.


Ausstellungen

Föhrer Friesentracht als Kerzenständer

Mehrere bis in die Gegenwart getragenen Föhrer Trachten sind im Dr. Carl-Haeberlin Friesen-Museum in Wyk auf Föhr ausgestellt. Es finden sich dort die oben beschriebene Festtagstracht, eine Alltagstracht, eine Tracht, die zur Feldarbeit getragen wurde und eine Witwentracht.

In dem Museum ist auch eine komplett eingerichtete Goldschmiedewerkstatt aufgebaut, in der unter anderem der Filigranschmuck für die Trachtenausstattung hergestellt wurde.

Föhrer Trachten in der Kunst

Ein Bild des Malers Christian Ludwig Bokelmann (1844–1894) zeigt den Kirchgang der jungen Frauen in die Kirche St. Nicolai auf Föhr in Boldixum. Dieses Ölgemälde hängt in Schloss Gottorf in Schleswig. Ein anderes Bild, das in der Kirche St. Johannis in Nieblum hängt, zeigt eine Konfirmation in Föhrer Tracht. Der Maler Oluf Braren porträtierte verschiedene Trägerinnen der Föhrer Tracht des frühen 19. Jahrhunderts.

Die Maler Jacob Rieter und Johannes Senn haben im Jahr 1806 alle damals gebräuchlichen Trachten festgehalten. Vor allem ihnen ist es zu verdanken, dass wir heute noch wissen, wie die Trachten des 18. Jahrhunderts aussahen.

Literatur

  • Schleswig-Holsteinischer Heimatbund e.V.: Trachten und Brauchtum auf der Insel Föhr. Faltblatt

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