Trivialautor

Trivialautor

Der Begriff „trivial“ kommt vom lat. trivialis und geht auf trivium (Kreuzung dreier Wege) zurück. Später bezog sich der Ausdruck auf das Propädeutikum der artes liberales und bedeutete „das allgemein Bekannte, Gewöhnliche“. Unter Trivialliteratur versteht man jene Literatur, die als einfach, für jedermann verständlich und leicht zu erfassen angesehen wird.

Inhaltsverzeichnis

Begrifflichkeit und Definition

Trivialliteratur ist eine Form literarischer Unterhaltung. Mit dem Begriff wird seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts der Bereich der populären, häufig als minderwertig angesehenen Massenliteratur bezeichnet. In einer groben Gliederung der Literatur in die drei Felder Dichtung/Hochliteratur, Unterhaltungsliteratur und Trivialliteratur wird letztere als die mit dem geringsten literarischen Anspruch angesehen. Allerdings sind die Übergänge zwischen diesen Kategorien fließend. So können einige Werke je nach Betrachtung in die eine oder andere Stufe eingeordnet werden.

Kriterien und Merkmale

Die Trivialliteratur widmet sich in einer vereinfachenden, klischeehaften und oftmals eine „heile Welt” vorspiegelnden Weise Themen wie Liebe, Tod, Abenteuer, Verbrechen, Krieg usw. (Kitsch, Schundliteratur). In Sprache, Verständlichkeit und Emotionalität ist sie so strukturiert, dass sie den Erwartungen eines großen Massenpublikums gerecht wird (indem sie diesem eine schöne Welt mit einer klaren Unterscheidung zwischen Gut und Böse vorstellt). Das wesentliche Merkmal ist in diesem Sinne, dass sie den Erwartungshorizont des Lesers nicht durchbricht. Dadurch kommt es zu einer Bestätigung (Affirmation) bestehender Meinungen, Gesellschaftsbilder usw., während dagegen die Hochliteratur eine Auseinandersetzung mit gängigen Vorstellungen und Denkweisen anstrebt. Deshalb existiert als weiteres Synonym für Trivialliteratur auch der Begriff affirmative Literatur (als Gegensatz zu kritischer Literatur).

Damit wird jedoch eine Problematik des Begriffs deutlich: „Den” Leser gibt es schlichtweg nicht. Es gibt nur „Leser” und diese haben jeweils ihre eigenen Erwartungshorizonte, welche aus einem sowohl individuellen, als auch gesellschaftlichen Kontext entspringen. Daher muss im konkreten Fall sowohl eine individuellere Prüfung, als auch eine Verortung im gesellschaftlichen Kontext vorgenommen werden.

Eine Frage die sich die Literatur immer gefallen lassen muss ist, ob sie lediglich Fassadenreproduktion leistet und damit die bestehenden Verhältnisse schlichtweg reproduziert oder idealisiert, anstatt sie zu hinterfragen. Dies gilt für die Literatur allgemein, nicht nur dann, wenn sie im Verdacht steht, Trivialliteratur zu sein.

Problematik des Begriffes: Trivialliteratur? – Schemaliteratur?

Von jeher ist der Begriff Trivialliteratur Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion, da er Literatur von vermeintlich niedrigem Niveau bezeichnet und teilweise als Synonym für Schundliteratur oder Kitsch gebraucht wird. Diese Definition stellt jedoch in nicht wenigen Fällen eine beliebige Abwertung bestimmter Texte oder Textelemente dar und ist somit zur wissenschaftlichen Kategorisierung ungeeignet.

Hans Dieter Zimmermann versucht 1979 sich auf andere Art und Weise dem Problem zu nähern. Er bezeichnet nun all die Texte, bzw. Textausschnitte, die stark schematisierten Charakter haben, als Schemaliteratur, um die abwertende Konnotation des Begriffes Trivialliteratur zu umgehen.

Diese Schemaliteratur verfügt über die folgenden Merkmale: schematischer Spannungsaufbau, melodramatische und sentimentale Handlungen, Schwarz-Weiß-Zeichnung bei Charakteren, Vermittlung eindeutiger moralischer Ansichten und Vortäuschung eines scheinbar klaren Weltbildes. Ihre starke Bindung an fixe Schemata geht einher mit ihrer Tendenz zur seriellen Erscheinungsweise, wie z.B. in Fortsetzungsromanen, Mainstreamcomicheften oder Romanheften und -reihen. All diese Werke erfüllen das kollektive Bedürfnis der Leser, die vom gewählten Text die Umsetzung gewisser Grundmuster erwarten. Dadurch setzt sich Schemaliteratur von den Normen des „hochliterarischen“ Systems ab, welches auf normative Gattungsschemata verzichtet und sich durch Originalität, Innovation oder auch Intertextualität auszeichnet.

Geschichte

Auch wenn der eigentliche Ursprung der Trivialliteratur im 18. Jahrhundert liegt, können erste Formen bereits in den im 15. Jahrhundert weit verbreiteten Einblattdrucken gesehen werden, die schon damals größten Wert darauf legten, ihre meist religiösen Inhalte für jedermann klar, anschaulich und deutlich zu vermitteln. Im Laufe der Zeit häuften sich Blätter unterschiedlichsten Inhaltes, wobei das Sensationelle immer mehr an Bedeutung gewann. – Viele Heiligendarstellungen wurden mit grausamen, brutalen Geschichten ausgeschmückt; Naturkatastrophen, Berichte von Schlachten oder die Verbreitung von Seuchen waren viel verbreitete Themen. So vermischten sich Informationen mit Unterhaltsamem und Sensationellem, wobei dem Informativen die geringste Bedeutung zuteil wurde. Diese Drucke gelten als Vorläufer unserer heutigen Groschenheftliteratur. Ebenfalls im 15. Jahrhundert sind Einblattdruck-Wandkalender entstanden, die sich im 16. Jahrhundert zu Kalenderheften weiterentwickelten. Ab dem 17. Jahrhundert fügte man diesen immer häufiger belehrende und unterhaltsame Zusätze, wie z.B. Anekdoten, Rätsel oder Horoskope, hinzu, so dass die Kalender zum Unterhaltungsmedium wurden, das anspruchslosen Lesebedürfnissen gerecht wurde. Im Zuge der Aufklärung im 18. Jahrhundert wurde jedoch versucht, die Kalender zu pädagogischen Zwecken und zur Vermittlung vernünftigen und sinnvollen Wissens zu verwenden.

Diese Vorläufer weisen viele Parallelen zu den ab dem 18. Jahrhundert als Trivialliteratur bezeichneten Werke auf, so zum Beispiel Gegenüberstellungen von „gut“ und „böse“, „schön“ und „hässlich“ oder „klug“ und „dumm“. Diese dualistischen Entgegensetzungen ermöglichten zum einen die Darstellung ganz bestimmter Wertvorstellungen und kamen zudem dem Verlangen nach Information und Sinnsuche des Lesers entgegen.

Die rasche Entwicklung und Verbreitung der Trivialliteratur ist durch den enormen Anstieg von Lesefähigkeit und somit Lust am Lesen, sowie durch (technische) Fortschritte in der Buchproduktion im 18. Jahrhundert zu erklären. Das Lesen befriedigte den Wunsch der Menschen, neben ihrem Arbeitsalltages einer unterhaltsamen Freizeitbeschäftigung nachgehen zu können. Die Tatsache, dass Frauen über mehr häusliche Freizeit verfügten als Männer, erklärt, dass sie die Mehrheit des Lesepublikums stellten. Ihre Lesebedürfnisse wurden von empfindsam-sentimentalen Frauen- und Liebesromanen erfüllt, welche größtenteils von englischsprachigen Vorbildern inspiriert waren. Das Pendant hierzu in heutiger Zeit ist der „freche Frauenroman“ wie ihn zum Beispiel Eva Heller vorlegt.

Ebenso entstand das noch heute populäre Genre der Trivialliteratur – der Schauerroman – als Reaktion auf den Rationalismus. Beeinflusst wurde er von der so genannten englischen Gothic novel (Horace Walpoles The Castle of Otranto). Bedeutendster deutschsprachiger Vertreter dieses Genres in deutscher Sprache war Christian Heinrich Spieß.

Neben diesen bildeten sich im 18./19.Jahrhundert die Heimatliteratur und Räuberromane heraus, die nicht zuletzt durch ihre Freiheitsideale und ihren Protest gegen die bestehende Gesellschaftsordnung eine große Popularität genießen konnten. So erregte Heinrich Clauren mit dem Erfolg seiner Mimili den Unwillen des hochliterarisch orientierten Wilhelm Hauff so sehr, dass dieser ihn zum Ziel satirischer und polemischer Angriffe machte. Auch Indianer- und Wildwestliteratur fanden unter dem Einfluss des Amerikaners James Fenimore Cooper immer mehr Zustimmung, da die Abenteuer- und Reiseliteratur das Auswanderungsland Amerika als Thematik für ihre Romane entdeckte. Als wohl wichtigster Vertreter ist hierbei neben Friedrich Gerstäcker, Charles Sealsfield oder Karl May zu nennen, der u.a. durch seine Winnetou-Romane großen Ruhm erlangte. Auch der historische Roman, geprägt vor allem durch Walter Scott und Alexandre Dumas, gewann im 19. Jahrhundert erheblich an Einfluss. Zudem trugen Fortschritte der Drucktechnik dazu bei, dass sich Literatur immer mehr zum leicht erhältlichen Massenmedium entwickeln konnte. Eugène Sue wurde mit Les mystères de Paris zum Begründer des Fortsetzungsromans in Zeitungen. Außerdem spielte die Kolportage, neben den seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bestehenden kommerziellen Leihbibliotheken, als Verbreitungsform der Trivialliteratur eine bedeutenden Rolle.

Das 20. Jahrhundert führt den historisch-zeitgeschichtlichen Roman des 19. Jahrhunderts dahingehend fort, dass er ihn zur Vermittlung patriotischen Gedankenguts verwendete. Kriege, Töten und Sterben für das Vaterland, sowie Beschimpfungen des Gegners bildeten hierbei das Zentrum der Erzählung. Kriegsverherrlichend soll er Bauern dazu ermutigen, sich als Rekrut zu stellen. Ebenso entwickelte sich die Abenteuer- und Reiseliteratur in Richtung Science-Fiction weiter. (z.B. Kurd Laßwitz, „Auf zwei Planeten“). Auch die Comics erlangten nun durch ihre enorme Vielfalt ihren bis heute bestand habenden Erfolg in allen Gesellschaftsschichten. Hervorgegangen sind diese Comics aus den am Ende des 19. Jahrhunderts in amerikanischen Zeitungen veröffentlichten Comic-Strips. Da Comics jedoch in allen nur denkbaren Varianten auftreten, sind sie unter dem Begriff Trivialliteratur nur mit Vorsicht zu genießen, da sie nicht selten das Gebiet des Trivialen verlassen. (Comic-Strips standen beispielsweise anfangs dem Satirischen sehr nahe; Erwachsenen-Comics der 60er Jahre, von der Pop-Art beeinflusst und mit sozialkritischem Hintergrund, wandten sich an die Intellektuellen-Schicht der Gesellschaft und waren somit fernab von Trivialität.)

Ziel der Trivialliteratur in Buchform ist, in Deutschland seit spätestens 1945, der Bestseller.

Grundmodelle

Nach der geschichtlichen Darstellung der unterschiedlichen zur Trivialliteratur gehörigen Gattungen, lassen sich zwei narrative Grundformen zusammenstellen, wobei keineswegs jedes einer dieser Formen zugeordnete Literaturstück notwendigerweise auch Trivialliteratur sein muss:

Liebesgeschichte

oft, durch das gesteigerte Interesse am Mittelalter, auch als Kombination mit dem Historischem Roman (Carl Gottlieb Cramer, Hasper a Spada. Eine Sage aus dem 13.Jahrhundert).

Eine der bekanntesten Verbreitungsarten der Trivialliteratur sind die so genannten Groschenromane.

Abenteuergeschichte

Literatur

  • Peter Domagalski: Trivialliteratur. Geschichte, Produktion, Rezeption, Freiburg/Breisgau 1981
  • Christian H. Freitag: Zur Methodik einer wissenschaftlichen Analyse von Massenliteratur. In: Sprachkunst. Beiträge zur Literaturwissenschaft (Wien) 1972, S. 98–111
  • Ulrich Hain, Jörg Schilling: Katalog der Sammlung „Trivialliteratur des 19. Jahrhunderts“ in der Universitätsbibliothek Gießen. (= Berichte und Arbeiten aus der Universitätsbibliothek Gießen; 20/1970). Universitätsbibiliothek Gießen, Gießen 1970 (Digitalisat)
  • Ekkehart Mittelberg/KlausPeter/Dieter Seiffert: Texte zur Trivialliteratur. Über Wert und Wirkung von Massenware.Stuttgart: Klett 1976 ISBN 3-12-348400-9
  • Peter Nusser: Romane für die Unterschicht. Groschenhefte und ihre Leser, Stuttgart 1973
  • Peter Nusser: Trivialliteratur, Stuttgart 1991
  • Hainer Plaul: Illustrierte Geschichte der Trivialliteratur, Hildesheim, Zürich, New York 1983
  • Rudolf Schenda: Die Lesestoffe der Kleinen Leute, München 1976
  • Hans Dieter Zimmermann: Trivialliteratur? Schemaliteratur!, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1979

Siehe auch


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