U-Boot der Borei-Klasse

U-Boot der Borei-Klasse
Daten
Herkunftsland Russland
Typ Strategisches Atom-U-Boot mit Interkontinentalraketen
Erste Einheit fertiggestellt 2007
Bauwerften Sewmasch-Werft, Sewerodwinsk
Technische Daten
Länge 170 m
Breite 13,5 m
Tiefgang 8 m
Verdrängung (aufgetaucht) 14.720 t
Verdrängung (getaucht) 17.000 t (955A vermutlich bis zu 24.000 Tonnen)
Geschwindigkeit

(über Wasser)

16 kn
Geschwindigkeit

(unter Wasser)

29 kn
Max. Tauchtiefe 600 m
Antrieb 1 Druckwasserreaktor OK-650B
1 Dampfturbine GT3A, 1 Düsenringpropeller.
Sensoren Noch nicht bekannt
Bewaffnung 6 Torpedorohre 533 mm
16 (955 und 955A) Interkontinentalraketen Bulawa-M, Bulawa-30 und Bulawa-47 (SS-N-30)

Das Projekt 955 (Borei-Klasse, russisch: Борей, in Anlehnung an den griechischen Windgott Boreas) ist eine Klasse von Atom-U-Booten der russischen Marine. Die Borei ist SSBN-Trägersystem für seegestützte Interkontinentalraketen. Die Klasse stellt innerhalb der russischen Flotte die 4. Generation von strategischen atomgetriebenen Unterwasserkreuzern dar und wird von russischer Seite als derzeit modernste SSBN-Einheit weltweit angesehen.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklungsgeschichte

Die Entwicklung wurde wahrscheinlich noch vor dem Zerfall der Sowjetunion 1991, gleichzeitig mit den Projekten Delta IV-Klasse (Projekt 667BDRM) und Typhoon-Klasse (Projekt 941), gestartet. Die grundsätzliche Entwicklung lief bis 1996 und wurde dem Westen bekannt, als das erste Boot dieses neuen Typs in der Sewmasch-Werft in Sewerodwinsk auf Kiel gelegt wurde. 1998 wurde das Projekt erneut geringfügig abgeändert. Der Bau wurde schließlich wegen finanzieller Probleme eingestellt, 2001 jedoch wiederaufgenommen. Ab diesem Zeitpunkt wurde das Boot mit dem Namen Juri Dolgoruki bezeichnet. Am 19. März 2004 wurde ein zweites Boot der Klasse mit dem Namen Alexander Newski in Sewerodwinsk auf Kiel gelegt, genau zwei Jahre später ein drittes mit dem Namen Wladimir Monomach. Im April 2007 lief das erste Boot vom Stapel[1] und wird, seit im November 2008 erstmals sein Atomreaktor aktiviert wurde, auf die erste Testfahrt vorbereitet.[2] Es soll den russischen Seestreitkräften bis Jahresende 2009 zur Verfügung gestellt werden.[3] Die Juri Dolgoruki ist das erste strategische Atom-U-Boot seit 15 Jahren, das in der Russischen Föderation vom Stapel lief. Da die letzte Taufe eines SSBN 17 Jahre zurückliegt und damit noch zu Zeiten der Sowjetunion erfolgte, ist die Jurij Dolgoruki das erste russische SSBN. Bei Sewmasch werden bereits zwei weitere Boote der 955-Klasse gebaut. Aleksandr Newski soll 2009, Wladimir Monomach 2011 fertig sein; beide Boote sind für die Pazifikflotte bestimmt. Die Kiellegung einer modernisierten vierten Einheit ist beabsichtigt.[1] Insgesamt will die russische Marine acht Boote der 955-Klasse beschaffen. Sieben sollen unter dem derzeitigen (Finanz-)Plan bis 2015 gebaut werden, das achte Boot „danach“ im Rahmen eines Folgeprogramms. Die neuen SSBN sollen in den kommenden Jahrzehnten das Rückgrat der seegestützten nuklearen Abschreckung Russlands bilden und in dieser Rolle die älteren 667BDR / 667BDRM ersetzen.

Konstruktion

In einer russischen Fachzeitschrift war zu lesen, dass es der Werft an für den U-Boot-Bau geeignetem Stahl fehlte. Der bisherige Hauptlieferant Azovstal befindet sich seit dem Zerfall der Sowjetunion in der Ukraine, und das Verteidigungsministerium hatte kein Geld, dort den nunmehr sehr teuren Stahl zu kaufen. So kam der Bau der Juri Dolgoruki im Januar 1998 (damals nur zu 5 % fertig) zum Erliegen.

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Dass das neue SSBN schließlich doch gebaut wurde, scheint vor allem auch dem Improvisationstalent der Werft zu verdanken zu sein, deren Direktor vorschlug, doch vorhandene Produktionsvorräte zu nutzen. Damit meinte er allerdings keinen Rohstahl, sondern fertige Rumpfsektionen für bereits begonnene U-Boote anderer Klassen „vorhergehender Generationen“, deren Bau Sewmasch wegen der Finanzprobleme ebenfalls eingestellt hatte. So ungewöhnlich und abwegig dieser Vorschlag auch anmuten mag, er wurde tatsächlich realisiert. So soll die Juri Dolgoruki die komplette Bug- und Hecksektion des begonnenen, dann aber wegen Geldmangel nicht weitergebauten U-Bootes K-337 Kuguar (Akula II) erhalten haben. Beim Schwesterboot Aleksandr Newski sollen fertige Rumpfsegmente der Ris, eines weiteren Akula II, Verwendung gefunden haben. Daneben sollen sich auch Sektionen von U-Booten der Oscar-II-Klasse in den ersten beiden Booten der Borej-Klasse finden. Rumpfsegmente sollen überdies auch von der U-Bootwerft Komsomolsk, die ebenfalls Akulas baut, nach Sewerodwinsk verschifft worden sein.

Die Verwendung typfremder Rumpfsegmente hat wahrscheinlich signifikante Veränderungen am ursprünglichen Design notwendig gemacht. Einem Medienbericht zufolge soll es sich bei der in diesem Jahr getauften Juri Dolgoruki gar nicht mehr um das ursprünglich 1996 begonnene U-Boot handeln. Dieses sei komplett abgerüstet worden. Wie dem auch sei: Jedenfalls stellte die ungewöhnliche Maßnahme die Fertigstellung des Typbootes der prestigeträchtigen neuen Klasse sicher. Zugleich zeigte es sich, dass durch die Verwendung typfremder Module eine Art Standardisierung erfolgte, die letztendlich auch eine deutliche Senkung der Baukosten zur Folge hatte – sicher ein für die nun so zügige Fortsetzung des Borei-Programmes wesentlicher Faktor.

Die Bewaffnung der Juri Dolgoruki umfasst in erster Linie zwölf Interkontinentalraketen vom Typ Bulawa (SS-N-30) mit Feststoffantrieb. Jede dieser Raketen trägt in ihrem Sprengkopf maximal sechs nukleare Gefechtsköpfe. Für das Projekt 955 war zunächst die Rakete D-19M Bark bestimmt, an der im Makejew-Raketenkonstruktionsbüro in der Stadt Miass gearbeitet wurde. Die dortigen Konstrukteure konnten aber die vorgeschriebenen Abmessungen für die Rakete nicht einhalten, weshalb das Atom-U-Boot auch selbst umgebaut werden musste. Bei den Tests dieser Rakete wurden auch andere Mängel festgestellt. Als die Rakete 1998 schließlich zu 80 Prozent fertig war, musste das Projekt beendet werden.

Neben der Raketenbewaffnung ist die Klasse mit sechs Torpedorohren des Kalibers 533 mm bewaffnet. Über eine mögliche zusätzliche Bewaffnung mit aus den Torpedorohren abfeuerbaren RK-55-"Granat"-Marschflugkörpern (SS-N-21 "Sampson") wird spekuliert.

Die beiden neueren Boote gehören bereits zum Projekt 955A für den Serienbau und werden mit 16 Bulawa-Raketen ausgerüstet sein.

Die Boote vom Typ 955A können vollständig mit Bulawa-30-Raketen ausgerüstet werden, es ist jedoch auch eine Mischbestückung aus allen Typen möglich. Bulawa-M ist mit einem Gefechtskopf von 550 Kilotonnen oder einer Megatonne für Angriffe auf großflächige Ziele wie z.B. Häfen gedacht. Die Bulawa-30 ist mit sechs Gefechtsköpfen zu 150 Kilotonnen für die Vernichtung von Flugplätzen ausgerüstet. Die Bulawa-47 ist noch in der Entwicklung, aber man vermutet, das sie drei GLONASS-gelenkte Penetrations-Gefechtsköpfe von jeweils fünf Kilotonnen trägt und imstande ist, als "überdimensionale SMART-Bombe" Bunkeranlagen zu vernichten. Die Gefechtsköpfe wurden so entwickelt, dass radioaktive Strahlung und Fallout nur schwach sind und kurz anhalten.

Alle bisherigen SSBN der russischen Marine von der Yankee- bis zur Delta IV-Klasse mussten beim Abschuss entweder stoppen und die Raketen abschießen, oder durften beim Abschuss 3 Knoten Fahrt nicht überschreiten. Die Delta-IV-Klasse und die Typhoons können in Vierer-Salven schießen, also immer vier Raketen gleichzeitig abfeuern. Bei den neuen Booten hat man sich an den SSGN orientiert und die Silos in einem Winkel von 25 bis 35 Grad eingesetzt. So kann das Boot beim Abschuss der Raketen in 65 Metern Tiefe bis zu 15 Knoten Fahrt machen.

Kritik

Bei den U-Booten der Borei-Klasse handelt es sich derzeit um die einzigen SSBN-Neubauten der Welt und neben der französischen Triomphant-Klasse auch um die einzigen seit dem Ende des Kalten Krieges. Die in den 90er Jahren aufgetretenen geopolitischen Veränderungen machten diese Klasse jedoch praktisch überflüssig; allerdings lassen die derzeitigen weltpolitischen Entwicklungen ein so eindeutiges Urteil nicht mehr zu. Darüber hinaus hofft die Marineführung durch den Einsatz der Borei-Klasse auch auf niedrigere Unterhaltskosten von SSBN-Einheiten als bisher.

Dem gegenüber steht der bei Tests negativ aufgefallene Mangel an Zuverlässigkeit der Bulawa-Raketen. Nachdem sich die Entwicklung bereits mehrfach verzögert hatte, waren bei mehreren Tests 2006 Raketen dieses Typs nach dem Start explodiert oder abgestürzt. Nach aktuellen Planungen soll das Bulawa-System erst 2008 einsatzfähig sein und kann damit nicht zeitgleich mit den U-Booten erprobt werden, die eigentlich zusammen mit diesem Raketentyp entwickelt wurden.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Borej-U-Boote sollen Kernstück von Russlands Atomraketenflotte werden. RIA Novosti (28. Juli 2008). Abgerufen am 29. Juli 2008.
  2. RIA Novosti: Neustes Atom-U-Boot "Juri Dolgoruki" aktiviert Atomreaktor (21. November 2008)
  3. Russische Kriegsmarine bekommt bis Jahresende modernstes Atom-U-Boot (19. März 2009). Abgerufen am 19. März 2009.

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