Ukiyoe

Ukiyoe
Potrait eines Kabuki-Schauspielers von Toshusai Sharaku (1794)

Ukiyo-e (jap. 浮世絵, etwa Bilder der fließenden Welt) ist eine Sammelbezeichnung für ein bestimmtes Genre der japanischen Malerei und der japanischen Druckgrafik (illustrierte Bücher und Farb-, Holzschnitte), das das Lebensgefühl und die Weltsicht des aufkommenden Bürgertums und der breiten Bevölkerungsmehrheit in den großen Städten Japans, insbesondere in Edo (Tokyo) während der so genannten Edo-Zeit widerspiegelt.

Fälschlicherweise wird in der Literatur häufig unter dem Begriff ukiyo-e ausschließlich der japanische Farbholzschnitt verstanden, wobei die im Westen kaum bekannten Ukiyo-e-Gemälde vergessen werden. Und üblicherweise werden alle japanischen Farbholzschnitte unter dem Begriff ukiyo-e subsumiert, obwohl zum Beispiel Tier- und Pflanzendarstellungen und auch viele Landschaftsbilder im eigentlichen Sinne nicht zum Genre des ukiyo-e gehören.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsdefinition

Der Begriff ukiyo-e setzt sich aus den Wörtern ukiyo und e zusammen, wobei e Bild bedeutet. Ukiyo selbst bedeutete ursprünglich die „irdische, vergängliche Welt“ und hat im Buddhismus eine ähnliche Bedeutung wie in der christlichen Anschauung der Begriff vanitas. Er beinhaltet eine eher pessimistische und dem Leben entsagende Grundstimmung. Der Bedeutungswandel von ukiyo vollzog sich in Japan im ausgehenden 17. Jahrhundert. Der Alltag des aufkommenden Bürgertums (Kaufleute, Handwerker und Dienstleister aller Art) Edos und Osakas hatte sich gewandelt. Anstelle von Besinnlichkeit und Jenseitigkeit war der Bezug auf die diesseitige Welt getreten und ukiyo bedeutete nun soviel wie „lebe und genieße jetzt“.

„Von nun an war damit die Welt des Vergnügens und der Sinnesfreude gemeint, die Welt der Theater und der Freudenviertel, die Welt der Feste und des ausschweifenden Luxus.“

Fritz Schwan: Handbuch Japanischer Holzschnitt, Seite 89

Geschichte

Zum ersten Mal belegt ist der Begriff ukiyo-e 1682 im Vorwort eines Moronobu Buches. „Bilder der heiteren, fließenden Welt“ meinen von nun an die längst üblich gewordenen Genrebilder, in denen das alltägliche Leben der Menschen, ihre Feste und ihre Umgebung dargestellt wurden. Wesentliches Verbreitungsmedium war zunächst die Malerei gewesen, aber es hatte in Kyoto und Osaka bereits mit einfachen schwarz-weiß-Drucken illustrierte Bücher gegeben. Mit der Weiterentwicklung der damit verbundenen Techniken gewann der Holzschnitt als Verbreitungsmittel der ukiyo-e zunehmend an Bedeutung. Um 1700 legen die Maler des ukiyo-e noch großen Wert auf ihre Unterscheidung von den Entwurfszeichnern für Holzschnitte. Wenige Jahrzehnte später hatte sich der zunächst noch einfarbige, später dann mit wenigen Farben handkolorierte Holzschnitt als eigenständige Ausdrucksform von der Malerei emanzipiert. Mit der Entwicklung des Vielfarbendruckes um 1760 in Edo, ab ca. 1790 in Osaka, entstand dann eine völlig eigenständige Industrie, die zahlreichen Menschen Lohn und Brot sicherte und die mit ihren wohlfeilen Produkten breiten Bevölkerungsschichten eine gewisse, wenn auch nur bildhafte Teilhabe an den Vergnügungen des Lebens bieten konnte. Mehrere hundert Verleger, ebenso viele Künstler, tausende Holzschneider und Drucker fertigten in wenigen Jahrzehnten bis zum Ende der Edo-Zeit im Jahr 1868 Millionen von Drucken. Dargestellt wurden die Aufführungen des Kabuki und Bunraku, die großen und kleinen Stars der Theaterwelt und der Sumo-Arenen, die Bewohnerinnen der zahlreichen Bordelle und sonstigen Vergnügungsetablisments, Szenen des Alltags, das Leben der Schönen und Reichen und zahlreiche Spielarten sexueller Fantasien.

Nach der durch Waffengewalt erzwungen Öffnung Japans im Jahr 1854 und dem Ende der Edo-Zeit in 1868 gehen die ukiyo-e hanga (Drucke von „Bildern der fließenden Welt“) ihrem Ende entgegen. Nur wenige Künstler führen deren Traditionen ungebrochen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts fort. Viele japanische Künstler orientieren sich zunehmend an westlichen Einflüssen und ebenso fordert die japanische Öffentlichkeit zeitgerechtere Themen und Darstellungsformen. Der japanische Farbholzschnitt ging jedoch niemals zugrunde, an die Stelle der ukiyo-e hanga treten allerdings in Laufe der Meiji-Zeit zunehmend sōsaku hanga und shin hanga. Sowohl unter den Künstlern der Meiji-Zeit als auch den Vertretern der sosaku und shin hanga finden sich überzeugende Meister ihres Faches.

Die ukiyo-e hanga galten in Japan selbst bis vor wenigen Jahrzehnten nicht als Kunst im engeren Sinne, sondern wurden nur als kunsthandwerkliche Erzeugnisse betrachtet. In Europa jedoch waren sie nach ihrem Bekanntwerden um 1870 Ideengeber für die großen Impressionisten und später zum Teil auch der Expressionisten, die sich von deren Raumaufteilung, Linienführung und Farbgebung maßgeblich inspirieren ließen. Die Sammelleidenschaft europäischer und US-amerikanischer Kunstmäzene für japanische Farbholzschnitte begann um 1900 und seit dieser Zeit sind sie im Westen bereits als völlig eigenständige Kunstgattung anerkannt.

Künstler der ukiyo-e hanga

Die große Welle vor Kanagawa (ca. 1830) von Katsushika Hokusai
  • Hishikawa Moronobu (ca. 1618-94), Okumura Masanobu (1686-1764), Torii Kiyonobu (1664-1729), Ishikawa Toyonobu (1711-85), Torii Kiyomitsu (1696-1716),
  • Suzuki Harunobu (ca. 1724-70), Isoda Koryusai (tätig 1765-180), Utagawa Toyoharu (1735-1814), Katsukawa Shunsho (tätig 1780-1800), Buncho (tätig 1765-92),
  • Kitagawa Utamaro (1753-1806), Torii Kiyonaga (1752-1815), Hosoda Eishi (1756-1829), Eishosai Choki (tätig 1785-1805), Toshusai Sharaku (tätig 1794-95), Utagawa Toyokuni I (1769-1825),
  • Katsushika Hokusai (1760-1849), Kikugawa Eizan (tätig 1804-29), Keisei Eisen (1790-1848), Utagawa Kunisada (1786-1865), Utawaga Kuniyoshi (1798-1861), Ando Hiroshige (1797-1858),
  • Toyohara Kunichika (1835-1905), Toyohara Chikanobu (1838-1912), Tsukioka Yoshitoshi (1839-92).

Der im Westen wohl bekannteste japanische Farbholzschnitt dürfte Hokusais Bild „Die große Welle vor Kanagawa“ aus dem Zyklus „36 Ansichten des Berg Fuji“ sein, das Ruderboote auf stürmischer See mit dem Berg Fuji im Hintergrund zeigt. Das Bild erzielte in der Asiatica-Auktionswoche in New York 68.500 US-$ (NZZ online 21.03.09).

Literatur

  • Friedrich Schwan: Handbuch Japanischer Holzschnitt, München, 2003
  • David Bell: Ukiyo-e explained, Folkstone, 2004

Siehe auch

Weblinks


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