- Ultramax-Steuerung
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Albert Roder (* 20. Januar 1896 in Nürnberg; † 3. September 1970 in Heilbronn) war ein Konstrukteur, der durch die von ihm konstruierten Motorräder bekannt wurde.
Inhaltsverzeichnis
Lebenslauf
1912 baute Albert Roder mit 16 Jahren seinen ersten Motor. 1920 war er Mitbegründer der Firma Ziro Motoren GmbH in Fürth, 1923 Mitbegründer der Firma Erlanger Motoren AG, Ermag. 1928 ging er als Stellvertretender Konstruktionsleiter (unter Richard Küchen) zu Zündapp und 1936 erstmals zu NSU unter Walter William Moore. Ende 1938 ging er als Chefkonstrukteur zu Victoria nach Nürnberg. Ab 1946 bis zu seiner Pensionierung Ende 1961 war er Chefkonstrukteur bei NSU.
Albert Roder hat nicht studiert, war also kein Ingenieur im heutigen Sinne – dennoch hat er es bis zum Chefkonstrukteur und Direktor einer der damals bedeutendsten Motorradfabriken der Welt gebracht. Eine Karriere, die heutzutage, zumindest in der Fahrzeugindustrie, undenkbar ist.
Die Konstruktionen von Albert Roder waren keine von Anfang an bewährten Konstruktionen, sondern er begab sich oft auf konstruktives Neuland. Trotz gelegentlicher Misserfolge gelang es ihm, auf diesen aufzubauen und Vorteile herauszuarbeiten. Bestes Beispiel ist die glücklose 500 ccm Vierzylinder-Rennmaschine, deren Motorteile später für die 125 ccm Rennfox verwendet wurden, welche die Weltmeisterschaft errang.
Albert Roder bei NSU
Roders Tätigkeit bei NSU in Neckarsulm beginnt im Jahre 1936. Er ist maßgeblich an der Entwicklung des Zweizylinder-Kompressor-Rennmotors beteiligt, welcher erst nach dem Krieg zu vollen Ehren kommt. Aber Roder ist unter Walter William Moore eben nur zweiter Mann bei NSU und seine konstruktiven Ideen gehen oft in eine ganz andere Richtung als die von Moore. So ist es dann ganz folgerichtig, dass er Ende 1938 zu Victoria nach Nürnberg geht, als man ihm dort die Position des Chefkonstrukteurs anbietet.
Bei Victoria entwickelt er den erfolgreichen Fahrrad-Hilfsmotor VICKY I. Aber NSU ist doch etwas anderes als Victoria, und so wechselt er nach dem Krieg 1946 wieder zu NSU, diesmal als Chefkonstrukteur und erster Mann, denn Walter William Moore hat NSU 1939 verlassen.
Nun beginnt die schöpferischste Phase in Roders Karriere. Hierbei spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Erstens ist er jetzt Chefkonstrukteur und bestimmt allein die technische Richtung. Zweitens bietet der erzwungene Neuanfang aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges die einmalige Chance, konstruktiv völlig neu anzufangen, ohne auf alte Traditionen Rücksicht nehmen zu müssen. Und drittens ist NSU ein bedeutender Großbetrieb, welcher Willens und in der Lage ist, Roders Ideen zu verwirklichen.
Zwar begann die Nachkriegsproduktion mit der Wiederauflage der bewährten Vorkriegsmodelle QUICK, 125 ZDB und 251 OSL, aber Roder beschäftigte sich bereits mit der Konstruktion eines völlig neuen Motorrades: Der NSU Fox.
NSU Fox
Die Fox – offizielle Typbezeichnung: NSU 101 OSB – war nach der von Riedel die zweite völlige Neukonstruktion in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber im Gegensatz zur Imme, der kein großer wirtschaftlicher Erfolg beschieden war, wurde die FOX ein Verkaufsschlager. Das hatte mehrere Gründe:
Der wichtigste war der Motor. Hier hatte Albert Roder es durchgesetzt, in einer Klasse wo sonst nur Zweitakter angeboten wurden, einen Viertaktmotor zu bauen. Dadurch erlangte er mehrere Vorteile: Er bot eine Leistung, die mit knapp 4,4 kW (6 PS) weit über den Modellen der Konkurrenz lag, welche zwischen 2,5 und 3,5 PS leisteten (Lediglich die Imme hatte 4,5 PS). Das reichte aus, um alle anderen 98er und viele 125er zu übertrumpfen. Außerdem kam die Fox mit einem Viertaktton, während die Konkurrenz zweitaktend „schepperte“. Und schließlich hatte die Fox einen konkurrenzlos niedrigen Kraftstoffverbrauch und die lästige Ölmischerei beim Tanken entfiel.
Auch das Fahrwerk wies neue Konstruktionsideen auf: Der Rahmen war ein für die Massenproduktion gut geeigneter Zentralpressrahmen. Das Hinterrad war in einer Schwinge mit Zentralfeder geführt, während die Vordergabel eine geschobene Kurzschwinge aufwies. Alles Details, die in der 98er-Klasse völlig neu waren.
Diese Fahrwerkskonzeption – Zentralpressrahmen, geschobene Kurzschwinge vorn, Schwinge hinten – sollte typisch werden für alle folgenden NSU-Motorräder (bis auf die Konsul).
NSU Lux
Die nächste Neuentwicklung war die NSU Lux. Auch ihr Fahrwerk entsprach diesem Konzept, jedoch war sie deutlich größer und schwerer als die Fox. Als Antrieb diente ein neu entwickelter Zweitakt-Blockmotor mit 200 ccm Hubraum.
NSU MAX
Und dann schließlich folgte Roders größter Erfolg: Die NSU Max. Fahrwerksmäßig entsprach sie grundsätzlich der Lux, wenn auch in verstärkter Ausführung. Aber das konstruktiv völlig neue war der Motor.
Er bot die damals in der 250 cm³-Klasse für einen Serienmotor unerhörte Leistung von 17 PS (13kW) und wies eine Vielzahl neuer konstruktiver Details auf:
Die größte Neuerung war die obenliegende Nockenwelle (OHC) mit der ULTRAMAX-Steuerung. Während OHC-Motoren im Rennmotorenbau bereits seit den dreißiger Jahren genutzt wurden, waren sie in einem Gebrauchsmotorrad vollkommen neu.
Die ULTRAMAX-Schubstangensteuerung bot aus damaliger Sicht handfeste Vorteile: Bis dato wurden obenliegende Nockenwellen entweder über eine Königswelle, über Stirnräder, oder über eine Kette angetrieben. Königswelle und Stirnräder waren zwar bewährt, aber für eine Massenproduktion zu teuer. Der Kettenantrieb, wie er heute in fast jedem japanischen Motorrad verwendet wird, steckte hingegen noch in den Kinderschuhen. Es waren so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg noch keine zuverlässigen schnelllaufenden Ketten erhältlich. Insbesondere hatte man wenig Vertrauen zur Dauerhaltbarkeit der Kette im Alltagsbetrieb. An Zahnriemen zum Antrieb der obenliegenden Nockenwelle war zu der Zeit noch nicht zu denken.
Der ULTRAMAX-Schubstangentrieb[1] stellte damals also einen echten Kompromiss zwischen Herstellungskosten und Zuverlässigkeit dar. Aus heutiger Sicht wäre er im Vergleich zu Ketten- oder Zahnriementrieben jedoch in der Fertigung viel zu teuer.
Eine weitere Rodersche Neuerung bei der Max war die Luftfilterung mit „Beruhigter Luft“. Dahinter verbarg sich ein großer vor dem eigentlichen Luftfilter befindlicher Behälter, in dem sich bereits ein großer Teil des Staubes absetzen konnte, bevor er überhaupt zum Luftfilter gelangte. Bei NSU wurde dazu als Behälter einfach das Innere des Zentralpressrahmens verwendet. Bis dahin hatte man vor die Vergaser einfache Nassluftfilter gebaut, die frei im Luftstrom hingen. Diese Nassluftfilter waren einfache Drahtgewebe, welche mit Öl getränkt (daher Nass-) werden mussten. Der Wirkungsgrad eines solchen Filters hing stark von der regelmäßigen Reinigung und Neuölung ab. Da diese Arbeit aber mit einer ziemlichen Schmutzentwicklung einherging, wurde sie von den Fahrern gern „vergessen“. Durch die Vorabscheidung im Rahmen wurde die Staubbelastung des eigentlichen Luftfilters stark verringert und der Motor entsprechend geschont. Heute sind derartige Vorabscheideräume allgemein üblich.
Spätere Entwicklungen
Die nach der Max noch folgenden Modelle NSU Superfox und NSU Maxi waren eigentlich nur verkleinerte Versionen der Max, um das Motorradprogramm nach unten abzurunden. Neue konstruktive Ideen sind hier nicht mehr eingeflossen. Hierbei muss man aber berücksichtigen, dass das Motorradgeschäft in Deutschland ab 1954 stark zurückging und es für NSU überlebensnotwendig wurde, in das Automobilgeschäft einzusteigen.
Albert Roder befasste sich zu dieser Zeit schon mit der Entwicklung eines PKW. Zunächst mit der dreirädrigen Max-Kabine, die aber bald zugunsten eines richtigen vierrädrigen Fahrzeugs aufgegeben wurde. So war Albert Roder an der Entwicklung des NSU Prinz I bis 4 noch direkt beteiligt.
Diese Fahrzeuge hatten einen Zweizylinder Paralleltwin-Motor mit obenliegender Nockenwelle und ULTRAMAX-Schubstangensteuerung. Zu diesem Zeitpunkt wäre eigentlich die Umstellung auf einen Kettenantrieb sinnvoll gewesen, aber die kam erst 1964 beim PRINZ 1000 Vierzylinder, als Albert Roder bereits im Ruhestand war.
Von der seit Ende der 1950er bei NSU laufenden Entwicklung des Wankelmotors hielt Roder übrigens wenig. Er soll den Wankelmotor sogar einen „glühenden Germknödel“ genannt haben. So überließ er die Wankelentwicklung seinem Assistenten und Nachfolger Dipl.-Ing. Ewald Praxl und Entwicklungschef Dr. Froede.
Als Albert Roder Ende 1961 im Alter von 65 Jahren in den Ruhestand ging, konnte er auf ein wirklich erfülltes Leben als Konstrukteur zurückblicken: Die von ihm konstruierten Rennmotorräder hielten (bis August 1958) den absoluten Geschwindigkeits-Weltrekord und siegten, bis zum freiwilligen Rücktritt NSUs vom Grand-Prix-Rennsport, bei allen berühmten Rennen.
Die von ihm konstruierten Serienmotorräder waren echte Verkaufsschlager und überzeugten durch Leistung und Zuverlässigkeit. Dass nach der Max konstruktiv nichts grundlegend Neues mehr kam, lag auch daran, dass sich die Motorradindustrie ab 1954 in einer ständigen Talfahrt befand. Diese Krise der Motorradindustrie betraf nicht nur NSU, sondern alle Motorradfabriken. Hier ist es Roder gelungen, dazu beizutragen, dass NSU den Übergang zu einer Automobilfabrik geschafft hat. Auch wenn es heute NSU als eigenständige Marke nicht mehr gibt, besteht die Fabrik in Neckarsulm weiterhin und in ihr werden nach wie vor Kraftfahrzeuge produziert (AUDI PKW).
Quellenangaben
- Chefkonstrukteur Albert Roder 65jährig, MTZ Motortechnische Zeitschrift, 22. Jahrgang (1961), Heft 2, Seite 67
- Erwin Tragatsch, Portrait eines Konstrukteurs: Albert Roder, MOTORRAD, 14. Jahrgang (1962), Heft 7/1962
- Gerhard Geiling, Albert Roder – Chefkonstrukteur bei NSU in den 50er Jahren, PRINZENPOST Ausgabe 48
- Ein Jahrhundert Motorradtechnik, VDI-Verlag 1987
- Peter Schneider, NSU 1873-1984 – Vom Hochrad zum Automobil, Motorbuch Verlag, 1988
- Helmut Krackowitzer, Motorräder, Berühmte Marken von Adler bis Zenith, VF Verlag, 1988
- Herz/Reese, Die NSU-Renngeschichte, Motorbuch Verlag, 1982
- Andreas Mehlhorn, [1] (Erlaubnis des Urhebers liegt vor. (Wikipedia:OTRS Ticket#: 2006071810014222))
Einzelnachweise
Weblinks
Siehe auch
- Übersicht der NSU Zweiradmodelle
Personendaten NAME Roder, Albert KURZBESCHREIBUNG deutscher (Motorrad-)Konstrukteur GEBURTSDATUM 20. Januar 1896 GEBURTSORT Nürnberg STERBEDATUM 3. September 1970 STERBEORT Heilbronn
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