- Unbedingte Satisfaktion
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Satisfaktion (lat.: satis = genug + facere = tun, machen, betreiben; Bedeutung etwa: „Zufriedenstellung“, „Genugtuung“) ist – ehedem im adligen und hochbürgerlichen, heute nur noch in bestimmten Zusammenhängen verbindungsstudentischen Lebens – die Wiedergutmachung einer Beleidigung mit geeigneten Mitteln bzw. die Verpflichtung, eine solche Genugtuung bei erfolgter Beleidigung einzufordern.
Inhaltsverzeichnis
Begriff
Die Verwendung dieses Begriffs geht von der im 19. Jahrhundert in Mitteleuropa neuromantisch wieder belebten, doch auch archaischen Vorstellung aus, dass innerhalb eines Standes von freien, waffentragenden Männern Ehrenstreitigkeiten mit internen Mitteln (ohne übergreifende Autorität) gelöst werden müssten. Das heißt, wer diesem Stand angehören will (typischerweise der Adel, Offiziere, Studenten und Akademiker), muss jede vermutete Ehrverletzung seitens eines anderen Mitgliedes dieses Standes als versuchten Ausschluss aus diesem Stand werten und darauf bestehen, dass der Beleidiger durch Taten oder Worte bestätigt, dass er den Beleidigten als Standesgenossen anerkennt. Wer dies nicht durch Worte tun möchte (zum Beispiel durch Zurücknahme der Beleidigung, eventuell mit Entschuldigung) müsse dies dann dadurch tun, dass er dem Beleidigten für ein Duell zur Verfügung steht (“Satisfaktion gibt“). Dadurch gilt die Standeszugehörigkeit des Beleidigten als bestätigt.
Geschichte
Seit ungefähr der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts musste die gewalttätige Auseinandersetzung mit tödlichen Waffen erfolgen. Üblich waren bei Studenten der Säbel und bei Offizieren die Pistole.
In studentischen Kreisen wurde diese Praxis offenbar dadurch notwendig, dass die reguläre Mensur ihre ehrenreinigende Funktion verloren hatte. Sie war als Erziehungsmittel zur Bestimmungsmensur weiterentwickelt worden, der sich jeder Angehörige einer schlagenden Verbindung unterziehen musste. Zur Austragung von Ehrenstreitigkeiten mussten neue Mittel herangezogen werden. Die Studenten wollten sich an dem damals üblichen Brauch der Offiziere (die aus denselben Familien stammten und auch oft im selben Alter waren) orientieren.
Sowohl bei den Studenten als auch bei den Offizieren entwickelte sich aber zur Kanalisierung des Duellwesens die Einrichtung des Ehrengerichts, das eine jede Ehrverletzung prüfen, alle Mittel zum gütlichen Ausgleich suchen und nur in allerschwersten Fällen zum Austragen mit der Waffe seine Zustimmung geben durfte. Auch die Schwere der Waffen (bei Säbel auch der Schutzvorrichtungen, bei Pistole Zahl der Schüsse, Schussentfernung etc.) bedurfte der Zustimmung des Ehrengerichts. Ohne Zustimmung eines Ehrengerichts konnten Duelle nicht ausgeführt werden. Dem Spruch des Ehrengerichts hatten sich alle Beteiligten bedingungslos zu unterwerfen.
Natürlich fanden diese Verhandlungen ohne Zustimmung und Wissen der Obrigkeit (bei Offizieren der Militärgerichte, bei Studenten der Universitätsbehörden) statt und waren faktisch rechtswidrig. Die Obrigkeit sollte ja ausgeschlossen werden. Deshalb reagierten diese Behörden auch besonders empfindlich, wenn ein solcher Vorgang bekannt wurde, besonders wenn es schwere Verletzungen oder gar Tote gab, was durchaus vorkam.
Kompliziert wurde diese Praxis an den Universitäten, als sich beginnend mit der Uttenruthia (gegründet 1836; Schwarzburgbund) die ersten nichtschlagenden Verbindungen gründeten, die das Fechten (also Duell und Mensur) ablehnten. Die elitäre Auffassung, dass die Studenten einen besonderen, zum Waffentragen berechtigten „Stand“ in der Bevölkerung bildeten, wurde dadurch erschüttert. Auch gab es bald Verbindungen, die die Bestimmungsmensur ablehnten, aber durchaus Duelle durchführten - also so genannte „Satisfaktion mit der Waffe“ gaben.
Um in dieser komplizierten Situation einen Überblick zu ermöglichen, bildeten sich bestimmte Begriffe heraus. Dazu gehörte die
- Unbedingte Satisfaktion mit der Waffe, und die
- Bedingte Satisfaktion mit der Waffe.
Bei einer Verbindung, die die „bedingte Satisfaktion mit der Waffe“ bot, mussten im allgemeinen die neueintretenden Mitglieder verbindlich erklären, ob und gegebenenfalls mit welchen Waffen sie Satisfaktion geben wollten.
Traditionelle Verbindungen (allen voran die Corps im Weinheimer Senioren-Convent WSC und auch im Kösener Senioren-Convents-Verband KSCV) bestanden auf der „unbedingten Satisfaktion mit der Waffe“.
Diese Situation wurde zunehmend unbefriedigend und erst in den 1920er Jahren durch das Erlanger Verbände- und Ehrenabkommen geklärt, das es ermöglichte, Ehrenstreitigkeiten zwischen Mitgliedern aller studentischen Verbände - auch ohne Waffe - zu lösen. Durch diese Entwicklung war die Auffassung vom Studentenwesen als einem speziellen „Stand“, der mit der Waffe verteidigt werden müsse, ad absurdum geführt. Das studentische Duell war praktisch hinfällig geworden.
Im Göttinger Mensurenprozess wurde 1953 festgestellt, dass die studentische Mensur straffrei sei, wenn sie nicht zur Austragung von Ehrenstreitigkeiten genutzt würde.
Dennoch bleibt die unbedingte Satisfaktion weiterhin eine Verpflichtung für jeden Corpsstudenten, nämlich so, dass er sich bei Ehrenstreitigkeiten bedingungslos dem Spruch eines Ehrengerichts zu unterwerfen hat (Kösener Schiedsgerichtsordnung, Ehrenordnung des Weinheimer Senioren-Convent WSCEO). Das Ehrengericht kann einen Beleidiger zum Zwecke der Satisfaktion zur „Revokation“ (Zurücknahme), zur „Deprekation“ (Abbitte) oder zusätzlich zu einem „Ausdruck des Bedauerns“ - je nach Schwere der Beleidigung - verpflichten. Dieser Verpflichtung kann sich heute niemand mehr durch die Bereitschaft zum Waffengang entziehen.
Siehe auch
- Liste verbindungsstudentischer Begriffe
Literatur
- Martin Biastoch: Duell und Mensur im Kaiserreich (am Beispiel der Tübinger Corps Franconia, Rhenania, Suevia und Borussia zwischen 1871 und 1895). SH-Verlag, Vierow 1995, ISBN 3-89498-020-6
Norbert Elias: "die satisfaktionsfähige Gesellschaft" in: "Studien über die Deutschen", Suhrkamp Verlag, stw 1008, S.61-158
Weblinks
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