Union progressiver Juden

Union progressiver Juden

Die Union progressiver Juden in Deutschland (UpJ) ist eine religiöse Vereinigung von gegenwärtig 22 jüdischen Gemeinden, sowie drei Gemeinschaften und Institutionen in Deutschland. Sie wurde im Juni 1997 in München gegründet und ist ein eingetragener Verein. Die meisten Mitgliedsorganisationen sind jüdische Richtungsgemeinden, die ausdrücklich ein liberales Judentum oder progressives Judentum vertreten, nur einzelne sind jüdische Einheitsgemeinden und damit dem Anspruch verpflichtet, alle religiösen Strömungen unter einem Dach zu vereinigen. Die Union progressiver Juden in Deutschland ist Mitglied der „Weltunion für progressives Judentum“ (WUPJ). Vorsitzender ist Dr. Jan Mühlstein. Die Union hat ihre Geschäftsstelle in Hannover. Sie vereinigt in ihren Gemeinden rund 3000 Mitglieder.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Begünstigt durch die jüdische Zuwanderung aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion seit Anfang der neunziger Jahre entstand in den schnell wachsenden Einheitsgemeinden das Bedürfnis nach Alternativen zum üblicherweise orthodox geprägten Gottesdienst. Ab 1995 gründeten sich an einigen Orten liberale Minjanim und Gemeinden. Kennzeichnend für sie sind: gestraffte Liturgie, Gebetstexte in egalitärer Sprache mit muttersprachlichen Anteilen, Aufhebung der Geschlechtertrennung im Gottesdienst und Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Ritus. Erster überregionaler Treffpunkt dieser Bewegung war von 1995 bis 2002 die Evangelische Akademie Arnoldshain im Taunus.

Im Herbst nach der Gründung der UpJ publizierte sie bereits ihr eigenes Gebetbuch (Siddur und Machsor) Seder ha-Tefillot. 1998 erschien eine Pessach Haggada. In den Jahren 1999–2004 übersetzte Annette M. Böckler den Torakommentar von Gunther Plaut ins Deutsche.

Im November 2000 eröffnete die Union mit dem Abraham-Geiger-Kolleg an der Universität Potsdam ein eigenes, wissenschaftlich orientiertes Rabbinerseminar. Im Herbst 2001 gründeten junge jüdische Erwachsene aus liberalen Gemeinden die Jugendorganisation Jung und Jüdisch, ein Mitglied der weltweiten jüdisch-progressiven Jugendbewegung Netzer Olami. Im Mai 2005 wurde in München die progressiv-zionistische Organisation arzenu Deutschland gegründet, die im gleichen Jahr in die Union als Mitgliedsorganisation aufgenommen wurde und damit die zionistischen Werte der UpJ repräsentiert. arzenu Deutschland ist Mitglied in der Zionistische Organisation in Deutschland und des Arzenu-Weltverbandes.

Verhältnis zum Zentralrat der Juden in Deutschland

Der Zentralrat der Juden in Deutschland verhielt sich gegenüber der Union progressiver Juden in den ersten Jahren abweisend. Er beharrte auf dem Prinzip der Einheitsgemeinde und betonte seinen politischen Alleinvertretungsanspruch für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht in einer Grundsatzentscheidung aber liberale Gemeinden anderen jüdischen Gemeinden gleichgestellt hat, zeichnete sich eine Neuorientierung ab. Dennoch eskalierte das Verhältnis zwischen beiden Organisationen zunächst in einer heftigen Auseinandersetzung um den Staatsvertrag, den die Bundesregierung am 27. Januar 2003 mit dem Zentralrat geschlossen hatte. Hauptstreitthema war die Verteilung der damit verbundenen Fördergelder.

Seit Sommer 2004 entspannte sich das Verhältnis zwischen Zentralrat und Union zusehends. Jüdische liberale Gemeinden werden seitdem an Programmen und Projekten des Zentralrats und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland beteiligt und können dort auch Teilnehmer stellen. Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein und der Landesverband der israelitischen Kultusgemeinden von Niedersachsen – beide vereinigen Mitgliedsgemeinden der UpJ und/oder der WUPJ – wurden am 20. November 2005 in den Zentralrat aufgenommen. Einige liberale Gemeinden außerhalb von Schleswig-Holstein und Niedersachsen ringen allerdings auf dem Rechtsweg noch um ihre Anerkennung durch die regionalen Landesverbände jüdischer Gemeinden und ihre Beteiligung an den Staatsverträgen mit den Bundesländern.

Die Mitgliederversammlung der UpJ beschloss am 16. Juli 2006, sich mit ihren Rabbinern der nicht-orthodoxen „Allgemeinen Rabbinerkonferenz in Deutschland“ (ARK) anzuschließen, einer der beiden Rabbinerkonferenzen unter dem Dach des Zentralrates. Über Fragen religionsrechtlicher Natur – vor allem die Anerkennung von Übertritten zum Judentum – trifft künftig dessen Religionsgericht (Beth Din) auch für Gemeinden der Union progressiver Juden verbindliche Entscheidungen.

Reformgemeinden in Deutschland

Liberale jüdischen Gemeinden in Deutschland gibt es in:

Literatur

  • Heinz-Peter Katlewski: Judentum im Aufbruch. Von der neuen Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Jüdische Verlagsanstalt, Berlin 2002, ISBN 3-934658-38-5
  • Heinz-Peter Katlewski: III - 7 Jüngere Entwicklungen im deutschsprachigen Raum. Ergänzungslieferung 2003, In: Klöcker/Tworuschka (Hrg.): Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland. Olzog-Verlag, ISBN 3-7892-9900-6
  • Jonathan Romain und Walter Homolka: Progressives Judentum. Leben und Lehre. Jüdische Verlagsanstalt, Berlin 1999, ISBN 3-934658-81-4
  • Seder ha-Tefillot. Das jüdische Gebetbuch. Hg. von Jonathan Magonet in Zusammenarbeit mit Walter Homolka, aus dem Hebräischen von Annette M. Böckler. Band 1: Gebete für Schabbat, Wochentage und Pilgerfeste; Band 2: Gebete für die hohen Feiertage. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1997, ISBN 3-579-02216-4

Weblinks


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