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Der Hochschulrat, je nach Bundesland auch als Universitätsrat, Kuratorium oder Aufsichtsrat bezeichnet, ist ein neuartiges Element in der Administration von Hochschulen. Hochschulräte sind zwar auf der Ebene von einzelnen Hochschulen angesiedelt und fügen sich somit in die Gremienstruktur der akademischen Selbstverwaltung ein, jedoch befinden sie sich faktisch nicht mehr in Einklang mit der Hochschulautonomie, wie sie die akademische Selbstverwaltung in Deutschland kennzeichnet.
Ein als Hochschulrat bezeichnetes Gremium ist in vielen anderen Staaten ein Hochschulsteuerungsorgan auf nationaler Ebene.
Inhaltsverzeichnis
Entstehungsgeschichte
Das Konzept – im Falle des Aufsichtsrates auch der Begriff selbst – stammt aus dem Bereich der Privatwirtschaft und lehnt sich an Unternehmensstrukturen an. Die Idee, den Hochschulen ein am Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften orientiertes Kontrollgremium zur Seite zu stellen, steht im Kontext von neuesten Strömungen auf dem Gebiet der Governance, dabei insbesondere dem New Public Management. Die Einrichtung von Hochschulräten wurde besonders deutlich vom Centrum für Hochschulentwicklung der Bertelsmann-Stiftung[1] sowie vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft[2] gefordert, und somit von Vertretern der privaten Wirtschaft. Bei den Gründen für die Forderung nach Hochschulräten spielen die Schlagwörter „Wettbewerb“, „Effizienz“ und „Praxisrelevanz“ eine gewichtige Rolle. Die Hochschulräte sollen die verstärkte Durchsetzung dieser Kriterien im Sinne von Leitmaximen der Hochschulausrichtung und -entwicklung vorantreiben.
Da in Deutschland die (Hochschul-) Bildung Ländersache ist, sind die Hochschulräte der einzelnen Hochschulen recht divergent ausgestaltet.
Merkmale und Kompetenzen
Die Einbeziehung eines Hochschulrates in die Gremienstruktur lässt die bisherige Aufteilung der Kompetenzen zwischen akademischem Senat als der Legislative einerseits und Rektorat bzw. Präsidium als der Exekutive andererseits meist recht weit hinter sich. Denn zum einen gehören den Hochschulräten oft überwiegend hochschulexterne Personen an, welche aus den Bereichen Wirtschaft, Politik, Kultur und (hochschulexterne) Wissenschaft kommen – der Hochschulrat ist dadurch nicht mehr als Teil der unmittelbaren Selbstverwaltung (im Sinne von Verwaltung einer Einrichtung durch Angehörige dieser Einrichtung) zu betrachten. Zum anderen gehen heute schon teilweise Aufgaben, die traditionell zu den Kernkompetenzen des akademischen Senats gehören, auf den Hochschulrat über, so zum Beispiel die Wahl des Rektors oder die Einrichtung und Schließung von Studiengängen.
Grundsätzlich kommt den Hochschulräten als Mindestmaß an Kernkompetenz eine beratende Funktion zu. Hochschulräte dürfen Vorschläge einbringen zu strategischer Ausrichtung, Strukturveränderungen, Prioritäten bei der Mittelverteilung, Desideraten in Studium und Forschung u. ä. Dabei sollen außeruniversitäre Perspektiven zum Tragen kommen, um den Hochschulen mehr Relevanz in Forschung und Lehre zu verschaffen. Inwiefern nun erbrachte Vorschläge verbindlich sind, hängt von den Regelungen des Bundeslandes ab. Es sind mittlerweile alle Abstufungen von Durchsetzungskraft für die Hochschulräte vertreten.
Problematisch an der aktuellen Praxis der Einrichtung von Hochschulräten ist die Vergabe von staatlichen Letztaufsichts-Kompetenzen (etwa die endgültige Entscheidung über die Aufhebung oder Einrichtung eines Studienganges) an die Hochschulräte. In etlichen Bundesländern tendiert man bereits stark dazu. Was die Ausgestaltung der Hochschulräte angeht, können Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern als beispielhafte Pole betrachtet werden. Während in Baden-Württemberg der Hochschulrat laut Landeshochschulgesetz fast schon maximale Befugnisse hat (Wahl der Hochschulleitung, Beschließung von Struktur- und Entwicklungsplänen, Haushaltsaufstellung, Mittelverteilung u. v .m.), stellt er an den Hochschulen Mecklenburg-Vorpommerns tatsächlich nur ein beratendes Organ dar.
Struktur und Arbeitsweise
Für gewöhnlich sind bei Hochschulräten nicht-öffentliche Sitzungen vorgesehen.
Die Mehrheit der Mitglieder eines Hochschulrates rekrutiert sich zumeist aus externen Personen. Den Vorsitz hat meist ebenfalls ein hochschulfremdes Mitglied inne.
Das Rektorat bzw. Präsidium hat Rede- und Antragsrecht in Sitzungen des Hochschulrates.
Die Amtsdauer der Mitglieder der Hochschulräte variiert je nach Bundesland.
Hochschulräte üben ihre Funktion ehrenamtlich aus und erhalten unter Umständen Aufwandsentschädigungen.
Kritik
Kritiker sehen in dem neuen Steuerungsinstrument "Hochschulrat" eine neoliberale Umgestaltung von Hochschulen.[3]
Hochschulräte tragen zu einer Entdemokratisierung der Hochschulen bei. Es bestehen berechtigte Zweifel an der demokratischen Legitimation und sie stehen nicht in der Tradition eines gruppenparitätisch besetzen Hochschulsystems. So schreibt das Hochschulfreiheitsgesetz (NRW) zwar vor, dass die Hälfte der Mitglieder externe Experten sein sollen, den Studierenden oder dem sogenannten „Mittelbau“ wird aber keine explizite Rolle zugeschrieben.[3]
Dies sei ein Indiz dafür, dass die angeblich angestrebte Verbindung zwischen Hochschule und Gesellschaft vielmehr eine Kooperation von Wirtschaft und Hochschule ist.[3]
Es besteht die Gefahr, dass demokratisch gewählte Gremien wie der Senat auf Dauer Kompetenzen an externe Gremien, wie den Hochschulrat, abtreten müssen.[3]
In den Politikwissenschaften wird dieser Vorgang mit der „Zerfaserung des Staatlichen“ (Bogumil et al. 2008) bezeichnet. Dies meint die schleichende Infiltration von Leitungsgremien staatlicher Einrichtungen durch externe / privatwirtschaftliche Interessengruppen. Diese „Privatisierung der Organisationsverantwortung“ bedrohe auf Dauer die universitäre Selbstverwaltung.[3]
Situation in den Ländern
- Brandenburg: hochschulübergreifender Landeshochschulrat
- Bremen: gesetzl. keine Hochschulräte vorgesehen
- Thüringen: Universität Erfurt
Quellen
- ↑ [1] Zehn CHE-Anforderungen an ein Hochschulfreiheitsgesetz in NRW (2005)
- ↑ [2] Best Law - Worst Law: Hochschulgesetze der Länder auf dem Prüfstand (2002)
- ↑ a b c d e Bogumil, Jörg/Heinze, Rolf G. (u.a): Hochschulräte als neues Steuerungsinstrument? Eine empirische Analyse der Mitglieder und Aufgabenbereiche. Abschlussbericht der Kurzstudie. 2008
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