Vajrayogini

Vajrayogini
Vajrayogini Dakini (Tibetische Schnitzerei)

Vajrayogini (skt.: Vajrayoginî; tib.: rdo rje rnal 'byor ma) ist ein tantrisches Geistwesen (eine dâkinî) und eine der Hauptinitiationsgöttinnen des Vajrayâna, eine in Indien aus der Verbindung mit dem hinduistischen Tantra entstandene Strömung des Mahayana-Buddhismus.

Das Vajrayogini-Tantra gehört nach dem System der Gelug und einiger Kagyü-Meister zu den Mutter-Tantras (tib. ma-rgyud)[1].

Vajrayoginî ist auch persönliche Schutz- und Meditationsgottheit, yidam (Sanskrit: ishtadevatâ).

Inhaltsverzeichnis

Tradition

in Indien

Es werden von Vajrayoginî und Vajravârâhî im Sâdhanamâlâ (Ausgabe von Bhattacharyya, 1925-1928) etwa zwölf vollständige sâdhanas (Anweisungen zur bildlichen Meditation) angeführt, im Guhyasamayasâdhanamâlâ mehr als fünfzig dieser ikonographischen Beschreibungen, bei denen man circa zwanzig verschiedene Formen der Gottheit unterscheiden kann.

Chinnamastâ, eine weibliche Gottheit der Shaiva-Tradition in der Gruppe der zehn Mahavidyamahâviyâs, ist dieser buddhistischen Vorlage (Trikâyavajrayoginî) entwachsen; der erste Nachweis ihrer Verehrung datiert in das fünfzehnte Jahrhundert.

in Tibet

„Vajravarahi Mandala“ (Tibet, 19. Jh.)

Das Tantra zu Vajrayogini wurde im Rahmen der Traditionen der Neuen Übersetzungen erstmals von Drogmi Lotsawa, dem großen Übersetzer und Vorvater der Sakya-Schule ins Tibetische übersetzt und im elften Jahrhundert in Tibet eingeführt. Daher bildet die Praxis auf Vajrayogini einen Schwerpunkt in der Sakya-Schule. In den tibetischen Sammlungen Kanjur und Tanjur (Bka’ ’gyur, Bstan ’gyur) finden sich etwa 45 sâdhanas mit Vajrayoginî bzw. Vajravârâhî im Titel. Vajravarahi, eine besondere Form der Vajrayogini hat dagegen großes Gewicht in der Kagyü-Schule. Bekannt ist die Vision seines Schülers Nâropa, dem Vajrayoginî als eine häßliche, alte Frau erschien, die ihn aufforderte, Kloster und Scholastik zugunsten der yogischen Praxis aufzugeben.

Die Form Vajrayoginîs, die mit Nâropa assoziiert wird, wird Narodakini (Nâros Tradition der dâkinî) oder Nâ ro khecarî (Nâros Himmelsgeherin) genannt.

Eine weitere Erscheinungsform der Vajrayogini ist Troma Nakmo.

In der Nyingma-Schule geht die Tradition direkt auf Padmasambhava, 8. Jahrhundert n. Chr., zurück.

Darstellung

Vajrayogini Mandala der Naropa-Tradition, 19. Jahrhundert, Rubin Museum of Art

Übereinstimmende Kennzeichen aller Formen Vajrayoginîs: sie ist nackt, in der Blüte ihrer Jugend, zweibeinig, hat einen Kopf, der nicht von einem Buddha in der Krone geschmückt ist, drei Augen. Die meisten ihrer Formen sind rot (safranrot, zinnoberrot, leuchtend rot) und zweiarmig, in der Linken trägt sie eine Schädelschale (Sanskrit: kapâla). In der Rechten kann sie einen vajra oder ein Hackmesser (Sanskrit: kartri, kartrikâ) halten. In der Beuge des linken Armes einen Stab, der an seinem oberen Ende mit einem oder drei Schädeln sowie einem Doppelvajra geschmückt ist (Sanskrit: khatvânga). Ihr Leib ist unter anderem mit einer Kette aus Totenschädeln geschmückt.
Die Farbkomposition ist – mit Ausnahme von Troma Nakmo – vornehmlich rot und weiß.

Sie mag in der Tanzhaltung (Sanskrit: ardhaparyanka-âsana) dargestellt werden, bei der ein Bein an den Leib angezogen ist, oder auch in der âlîdha-Haltung, die jener beim Spannen eines Bogens ähnelt.

Vajrayoginî tritt auch als prajnâ (shakti, Gefährtin) von heruka auf, beide befinden sich dann in yab-yum. Ihre Formen und die von Vajravârâhî vermischen sich bisweilen ikonographisch.

Symbolik

Der Stab symbolisiert die Mittel, die zur Befreiung führen; das Hackmesser das Durchschneiden neurotischer Tendenzen; die Schädelschale transzendente Weisheit (Sanskrit: prajñâ); das nach oben gekämmte Haar den leidenschaftlichen Zorn; die Krone aus fünf Schädeln auf ihrem Haupt die fünf buddha-Familien und ihre Weisheiten; die drei Augen das Wissen um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; die Kette mit den frischen Totenschädeln die 51 samskâras, die im Nichtdenken geläutert werden; ihr anderer Schmuck wie Armringe u.s.w. die fünf Vollkommenheiten (Sanskrit: pâramitâ, Geben, Moral, Geduld, Ausdauer, Versenkung); ihre beiden Arme die Einheit von Weisheit und Mitteln (Sanskrit: prajñâ, upâya); der Leichnam, auf dem sie steht, den Tod der Egozentriertheit.

Gegenwart

Nirmanakaya-Dakinis werden nicht nur als Verkörperungen historischer Persönlichkeiten erkannt, auch in der heutigen Zeit leben Meisterinnen, die als Dakini-Verkörperung gelten, darunter

  • Khandro Rinpoche, eine Meisterin der Kagyü- und der Nyingma-Schule, Tochter des Mindrolling Tichen. Sie wurde vom 16. Karmapa als die Re-inkarnation der Großen Dakini von Tsurphu, Khandro Ugyen Tsomo, anerkannt.[2]
  • Jetsun Kushog Chimey Luding Dölkar [3], eine Meisterin der Sakya-Schule, die als Verkörperung Prajnaparamitas, Taras und Vajrayoginis angesehen wird.

Literatur

  • Elizabeth English: Vajrayoginî. Her Visualizations, Rituals, and Forms. A Study of the Cult of Vajrayoginî in India. Wisdom Publications, Boston 2001, ISBN 0-86171-329-X.
  • Chögyam Trungpa: The Vajrayoginî Shrine and Practice. In: Deborah E. Klimburg-Salter: The Silk Route and The Diamond Path. Esoteric Buddhist Art on the Trans-Himalayan Trade Routes. University of California, Los Angeles 1982.
  • Adelheid Herrmann-Pfandt: Dâkinîs. Zur Stellung und Symbolik des Weiblichen im tantrischen Buddhismus. 2., erweiterte Auflage. Indica et Tibetica Verlag, Marburg 2001, ISBN 3-923776-20-9.
  • Kelsang Gyatso: Führer ins Dakiniland - Die Praxis des Höchsten Yoga-Tantras von Buddha Vajrayogini. Tharpa-Verlag, Zürich, Berlin 2005, ISBN 3-908543-23-1.

Referenzen

  1. Bindende Praktiken im Mutter-Tantra Das Berzin-Archiv
  2. Buddhist Leaders, u.a. Kurzinfo über Khandro Rinpoche
  3. Kurze Information über Her Eminence Jetsun Kushok Chimey Luding am Fuß der Seite

Weblinks


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