Vendor lock-in

Vendor lock-in

In den Wirtschaftswissenschaften werden als Lock-in-Effekt (von to lock in: einschließen, einsperren) Kosten bezeichnet, die eine Änderung der aktuellen Situation unwirtschaftlich machen. Problematisch werden Lock-in-Effekte, wenn sie zu verlustbehaftetem Verhalten zwingen, um noch größere Verluste abzuwenden.

Inhaltsverzeichnis

Lock-in-Effekte für Unternehmen

Es existieren Unternehmen, welche gezielt eine Lock-in-Strategie verfolgen, um Kunden an sich zu binden. Sie nutzen den Lock-in-Effekt, um sich gegenüber anderen Wettbewerbern Vorteile zu verschaffen und erschweren somit Kunden den Wechsel zu einem anderen Produkt. Als Kunden werden nicht nur die Endkunden gesehen. Unternehmen können ebenfalls Kunden darstellen, da sie häufig ihre Rohstoffe von anderen Unternehmen beziehen. Die Bildung eines Lock-in-Effektes stellt nicht die Regel dar. Strebt ein Kunde den Wechsel zu einem anderen Produkt an, entstehen dabei Wechselkosten, auch switching cost genannt. Diese setzen sich aus den Wechselkosten des Kunden und den Wechselkosten des Anbieters zusammen. Demnach ist ein Wechsel nur sinnvoll, wenn der aus dem Wechsel entstandene Nutzen größer bzw. gleich den Kosten des Wechsels ist.[1]

Lock-in-Effekte treten auch im Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern auf, sofern mindestens ein Vertragspartner im Vorfeld Kosten aufbringen musste, um den anderen Vertragspartner an sich zu binden (z. B. Kosten für das Erlernen betriebsspezifischer Fertigkeiten oder Einstellungs- und Screeningkosten).

Lock-in-Effekte für Verbraucher

Verbraucher werden durch finanzielle Investitionen in bestimmte Technologien (PC vs. Macintosh) oder durch zeitliche Investitionen (Versicherungsmakler, der persönliche Situation durch langjährige Zusammenarbeit kennt) an einen Anbieter oder an eine Anbietergruppe gebunden. Dies bewirkt eine oft als Vendor Lock-in bezeichnete Herstellerabhängigkeit.

Konsequenzen

Durch die Entstehung eines Lock-in-Effektes können für den Bindenden Vorteile entstehen. Durch die Bindung ist es ihm möglich den Preis für ein Produkt zu bestimmen.[2]

Künstliches Lock-in

Die Anbieter können einen künstlichen Lock-in-Effekt auch dort bewirken, wo normalerweise keiner existiert, indem sie Bonus- oder Loyalitäts-Punkte verschenken. Beispiele sind Rabattmarken, Bonus-Meilen für häufiges Fliegen, bestimmte Kreditkarten- und Telefonie-Angebote, die alle nur bei der ursprünglichen Firma verwendet werden können und beim Wechsel zu Konkurrenten Verluste verursachen.

Beispiele von Lock-in

Rasierklingen

Der erste große Erfolg nach diesem Modell war der Gillette-Rasierer von King C. Gillette. Statt der damals üblichen Rasiermesser, die nachgeschärft werden mussten, verkaufte Gillette einen patentierten Klingenhalter, zu dem wegwerfbare Sicherheitsklingen passten, die billig herzustellen waren und mit hoher Marge immer wieder an die Besitzer der Klingenhalter verkauft werden.

Kameras

Die Kamera-Industrie bietet ein gutes Beispiel für Lock-in. Bei vielen Kameras können die Objektive ausgewechselt werden. Die Objektive sind ein wichtiger Zusatz zur Kamera und kosten oft mehr als das Kameragehäuse selbst. Seit mindestens den 1930er Jahren haben die Hersteller die Befestigungs-Systeme der Wechsel-Objektive patentiert. Dies stellte sicher, dass der Kamerahersteller während der Dauer des Patents ein Monopol auf Objektivverkäufe hatte. Zusätzlich haben auswechselbare Objektive seit 1989 häufig Elektronik eingebaut. Die Hersteller bemühen sich um Lock-in auch außerhalb des Patents, indem sie notwendige Informationen nicht freigeben und Konkurrenten entweder dafür Lizenzgebühren entrichten oder die Informationen selber herausfinden müssen. Dasselbe wird mit anderen Kamera-Zubehörteilen getan, so dass ein Wechsel der Marke häufig eine komplizierte und kostspielige Angelegenheit ist.

Computer

Vendor Lock-in ist bei den Computer- und Elektronikindustrien ausgeprägt. In der Computerindustrie wird sowohl bei Hardware als auch Software versucht, die Interoperabilität auf allen Stufen zu behindern: bei den Betriebssystemen, Anwendungsprogrammen und Dateiformaten. Bei Betriebssystemen und Mikroprozessoren gibt es jeweils einen deutlich dominanten Hersteller. Die Behinderung ist selten absolut, sondern gerade so hoch, dass der Kunde einen Vorteil hat, wenn er die Produktpalette des Anbieters bevorzugt. Dies führt häufig zu Monopolen und Antitrust-Prozessen.

Drucker

Vendor Lock-in ist bei Computerdruckern ebenfalls ausgeprägt. Verbrauchsmaterial (Tinte und Toner) werden oft nur von den Geräteherstellern angeboten. Andere Anbieter werden mit Hilfe von Patenten vom Markt ferngehalten und juristisch verfolgt, durch ständige Änderung der Patronen bzw. Kartuschen und durch Integrierung von Elektronik wird die Entwicklung behindert. Anwender verlieren Garantieansprüche bei Verwendung von Verbrauchsmaterial anderer Anbieter. Die Gerätepreise werden durch die zu erwartenden Gewinne durch den Verbrauchsmaterialverkauf subventioniert, ähnlich dem sprichwörtlichen "Lampen verschenken, um mehr Lampenöl verkaufen zu können."

Landwirtschaft

Komplett-Pakete für den landwirtschaftlichen Ackerbau mit aufeinander abgestimmten und voneinander abhängigen transgenetisch modifizierten und somit patentierbaren[3] Pflanzen, Schädlingsbekämpfungsmitteln, Unkrautvertilgern und Düngemitteln binden Landwirte an Hersteller agrarischer Vorprodukte. Mit der Terminator-Technologie (eine genetische Technologie zur Anwendungsbeschränkung) wird versucht, Bauern die Möglichkeit zur Produktion eigenen Saatgutes zu nehmen.

Krankenversicherungen

Private Krankenversicherungen versuchen, einen Teil der für den Versicherten angesparten Rücklagen für sich zu behalten, wenn er zu einer anderen Versicherung wechseln will. Es wird versucht, die Kosten des Versicherungsnehmers bei einem Wechsel der Versicherung für ihn prohibitiv hoch werden zu lassen. Der Wettbewerb der Versicherungen kann sich damit auf junge Menschen konzentrieren.

Kaffeemaschinen

Seit der Einführung von Kaffeepads haben Anbieter solcher Systeme die Möglichkeit einer „Community-Bildung“ durch den Lock-in eines Maschinen-Käufers in einen speziellen Pad-Standard.[4] Die Bindung der Maschine an einen Pad-Standard zwingt den Kunden dazu, die zugehörigen Pads beim selben Hersteller zu erwerben.[5] Er ist somit von der Preissetzung des Pad-Anbieters abhängig.

Lock-in-Effekte in der Spieltheorie

Der Lock-in-Effekt stellt in der Spieltheorie das Gefangensein eines Spielers in einem System dar. Dieser Artikel beschreibt die Situation aus spieltheoretischer Sicht, da es für ein Unternehmen von sehr hoher Wichtigkeit ist, Situationen im Vorfeld seiner strategischen Entscheidung durchzuspielen, um sich für sein Optimum zu entscheiden.[6]

Beschreibung

Der Lock-in-Effekt ist ein Szenario, bei dem ein Teilnehmer an ein System gebunden ist, obwohl bereits eine überlegene Entwicklung dieses Systems existiert.[7] Gebunden bedeutet dabei, dass der Wechsel von einem unterlegenen Standard in eine überlegene Form nur mit einem außerordentlich hohem Aufwand verbunden ist, so dass der Nutzen des Wechsels geringer sein kann, als die dabei entstehenden Wechselkosten. Eine Veränderung ist deshalb nur sinnvoll, wenn der Nutzen größer bzw. gleich den Kosten ist. Der Spielteilnehmer sollte vor der Bindung an ein System mögliche Alternativen recherchieren und die kritische Masse von möglichen Substitut in Betracht ziehen[8]

Der Lock-in-Effekt ist keine Erfindung der neuen Zeit. Er wurde bereits im Jahr 1870 von John D. Rockefeller angewandt. Er erwarb Ölraffinerien in den USA und brachte in China günstige Petroleumlampen unter das Volk. Die Reaktion von Millionen Chinesen war der Kauf von Rockefellers Petrol, um die Lampe auch nutzen zu können. So entstand eine große Nachfrage an Petrol und die Nachfrager waren an Rockefeller gebunden.[9]

Ursachen

  • vertragliche Bindung: Ein Teilnehmer wird durch eine Vertragsvereinbarung an ein Spiel gebunden und bei Nichteinhaltung droht eine Vertragsstrafe.
  • Training und Lernen: Spielteilnehmer sind an einen vordefinierten Standard gewöhnt und bei dessen Aufgabe entsteht ein zusätzlicher Aufwand zum Erlernen der überlegenen Form.
  • Suchkosten: Bei einer Flucht aus einem System entstehen Suchkosten, welche der Teilnehmer jedoch vermeiden will.
  • Loyality costs: Ein Spielteilnehmer kann Vergünstigungen aus einem Standard verlieren, wenn er diesen verlassen will.[10]

Beispiel

Früher hatten mechanische Schreibmaschinen das Problem, dass sich beim Schreiben die am häufigsten benutzten Buchstaben ineinander verhakten. 1873 wurde von Christopher Scholes eine Anordnung der Buchstaben auf der Schreibmaschine entwickelt, bei welcher das Verhaken selten auftrat. Es entstand die sogenannte QWERTY-Tastatur. Dieses damals bewährte Anordnungssystem wurde mittels der Massenproduktion von Schreibmaschinen im Jahre 1904 durch das Unternehmen Remington Sewing Machine Company weit verbreitet und wurde so zum Industriestandard. Mit der Entwicklung von elektrischen Schreibmaschinen war die QWERTY-Belegung nicht mehr notwendig. Ingenieure entwickelten Tastenanordnungen, welche für die Schreibkraft eine Zeitersparnis von 5 bis 10 Prozent ergeben hätten. Der Standard der QWERTY-Anordnung war jedoch bereits soweit verbreitet, dass sich der neue Standard nicht durchsetzte, da das Umlernen der Schreibkräfte mit einigem Aufwand verbunden gewesen wäre. Das verbesserte System hat sich demnach nicht durchgesetzt.[11]

Literatur

A. K. Dixit, B. J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1997

C. Rieck: Spieltheorie - Eine Einführung, Christian Rieck Verlag, 2007

Belege

  1. http://stefan.schleicher.wifo.at/down/da/DA_Lackner_2.pdf vom 10.12.2008
  2. http://stefan.schleicher.wifo.at/down/da/DA_Lackner_2.pdf vom 10.12.2008
  3. Patentinformationen, GENRES Informationssystem der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
  4. Urs Fueglistaller, Christoph Müller, Thierry Volery:Entrepreneurship: Modelle – Umsetzung – Perspektiven; mit Fallbeispielen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, S. 76
  5. Hans-Ulrich Hensche, Anke Schleyer, Christiane Wildraut: Möglichkeiten und Grenzen der nachhaltigen Kundenbindung bei der Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte in NRW, S. 9
  6. http://www.fluter.de/heftpdf/issue57/artikel5865/pdf_article5865.pdf vom 28.12.2008
  7. B. J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, 1997, Seite 246
  8. C. Rieck: Spieltheorie - Eine Einführung, 2007, Seite 64
  9. http://www.sf.tv/sf1/kassensturz/manual.php?catid=kassensturzsendungsartikel&docid=20030218_Erst-kodern-dann-kassieren vom 09.01.2009
  10. http://stefan.schleicher.wifo.at/down/da/DA_Lackner_2.pdf vom 10.12.2008
  11. A. K. Dixit, B. J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger – Strategisches Know-how für Gewinner, 1997, Seite 226

Weblinks


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