Venus vor dem Spiegel

Venus vor dem Spiegel
 
Venus vor dem Spiegel
Diego Velázquez, 1648–1651
Öl auf Leinwand, 122,5 cm × 177 cm
National Gallery (London)

Venus vor dem Spiegel, spanisch La Venus del Espejo, auch bekannt als die Venus von Rokeby, ist ein Gemälde von Diego Velázquez aus den Jahren 1648–1651, das heute in der National Gallery in London hängt. Die Farbskala beinhaltet nur drei Grundtöne – rot, weiß und grau.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Velázquez stellt die Göttin Venus dar, die mit dem Rücken zum Betrachter auf einem Bett liegt. Sie blickt in einen Spiegel, der von Amor gehalten wird. Ihr Gesicht, das der Spiegel dem Betrachter zeigt, ist leicht verschwommen und nicht im Detail zu erkennen. Die Unschärfe der Gesichtszüge lässt den Blick des Betrachters auf dem zentralen Bildmotiv ruhen – Venus Körper. Blickt er auf, sieht er ihr Gesicht im Spiegel, ihn direkt anblickend – der Voyeur ist ertappt. Die Darstellung von Venus Gesicht war lange Gegenstand von Diskussionen: technisch eher schlampig gemalt, mehr angedeutet als im Detail ausgeführt, scheint es schlecht zum Rest der Leinwand zu passen. Es ist ein wenig größer als es bei ‚korrekter‘ perspektivischer Wiedergabe sein sollte, und eigentlich sollte der Betrachter es gar nicht sehen können – Amor hält den Spiegel so, dass nicht Venus Gesicht, sondern ihre Scham dort reflektiert werden müsste.[1]

Man nahm an, dass Velázquez ursprünglich ein – erkennbares – deutlicheres Gesicht gemalt hatte, das übermalt worden war. Das ist inzwischen durch Röntgenaufnahmen der National Gallery widerlegt, es gibt nur eine Farbschicht im Bereich des Spiegels. Auch die geometrische Position des Spiegels wurde in einem Experiment nachgestellt, um zu zeigen, dass man nicht das Gesicht sähe.[2]

Geschichte

Das Bild ist urkundlich das erste Mal 1651 erwähnt, als es Gaspar Méndez de Haro (1629–1687) gehörte. Es war als Gegenstück zu einem venezianischen Gemälde gedacht, das eine liegende Nymphe darstellt.[3] Sie ist dem Betrachter zugewandt, ihr Kanapee steht im Freien, eine Umkehrung des Venus Bildes. 1800 ging die Venus in den Besitz von Manuel de Godoy, erster Minister von Karl IV. von Spanien, über. Er war in der Position, es zwischen die (wahrscheinlich von ihm selber kommissionierten) Goya Werke Die nackte Maja und Die bekleidete Maja hängen zu können.

1813 kam das Gemälde nach England und wurde vom Abgeordneten John Morritt gekauft, der es in seinem Landhaus Rokeby Hall in Yorkshire, das der Venus ihren zweiten Namen geben sollte, aufhängte. 1906 musste es unter dem Druck von Erbschaftssteuern verkauft werden. Die National Gallery versuchte, es mit Mitteln aus ihrem neu gegründeten National Art Collections Fund (Nationaler Kunstsammlungs Fond) zu kaufen. Es gelang nicht sofort, die geforderte Summe von 45.000 Pfund durch Spenden der Bevölkerung aufzubringen, aber König Edward VII. spendete 8.000 Pfund, was eine weitere Spendenwelle der Engländer auslöste. Die Summe war bald erreicht, der König wurde zum Schutzpatron des National Art Collections Fund.

Beschädigung

Am 10. März 1914 verübte die militante Suffragette Mary Richardson in der National Gallery ein Attentat auf das Gemälde, obwohl ein Sicherheitsbeamter nur für dieses eine Bild abgestellt worden war. Mit einem Fleischerbeil zerschlug sie das Glas und brachte dem freiliegenden Bild dann mehrere Schnitte bei. Anlass für den Anschlag war die tags zuvor erfolgte Verhaftung von Emmeline Pankhurst.[4] In einer Erklärung an die Women's Social and Political Union (WSPU) sagte sie später: „I have tried to destroy the picture of the most beautiful woman in mythological history as a protest against the Government for destroying Mrs Pankhurst, who is the most beautiful character in modern history“ (Übersetzung: „Ich habe versucht, das Bild der schönsten Frau in der Mythologie zu zerstören, als Protest gegen die Regierung, die Mrs. Pankhurst zerstört hat, die schönste Gestalt der modernen Geschichte“). In einem Interview 1951 fügte sie hinzu: „[I] didn't like the way men visitors gaped at it all day long“ (Übersetzung: „[Ich] mochte die Art nicht, wie männliche Besucher den ganzen Tag draufglotzten“). Das Gemälde wurde restauriert und wieder ausgestellt.

Weitere Gemälde

Anmerkungen

  1. Private Life of a Masterpiece – The Rokeby Venus. BBC Wales. IMDB: [1]
  2. Private Life of a Masterpiece – The Rokeby Venus. BBC Wales.
  3. [2] Website der National Gallery (englisch)
  4. [3] Helena Wojtczak: English Women’s History. The 19th and 20th Centuries.

Literatur

  • Rose-Marie und Rainer Hagen: Augenweide für den frommen König. Diego Velázquez: Die Venus mit dem Spiegel, um 1646, in: Rose-Marie und Rainer Hagen, Meisterwerke im Detail, Band 2, Köln 2005, Seite 404–409
  • José López-Rey: The artist as a maker. With a catalogue raisonné of his extant works, Lausanne [usw.] 1979; Seite 451–452

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