- Vernunftreligion
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Natürliche Religion ist ein Begriff der Religionsphilosophie der Aufklärung. Er bezeichnet eine religiöse Weltanschauung, die unabhängig von den besonderen Spezifika konkreter geschichtlicher Religionen ist, die als Hinzukommnisse zu einer ursprünglich rein vernunftförmigen Religiosität verstanden wurden. Oftmals wird der Ausdruck als Gegenbegriff zu „Offenbarungsreligion“ verwendet, wobei teilweise eine Unterscheidung von „Natur“ gegen „Gnade“ zugrundeliegt. Andere Gegenbegriffe sind „geschichtliche Religion“ oder „positive Religion“ (im Sinne von: geschichtlich „gegebene“, vorgefundene Religion).
Inhaltsverzeichnis
Abgrenzung
Die Bezeichnungen Natürliche Religion und Natürliche Theologie werden von einigen Denkern synonym verwendet, bei anderen umfasst der Begriff „Natürliche Religion“ das gesamte Bedeutungsfeld der beiden Termini. Viele Theologen und Religionswissenschaftler unterscheiden indes zwischen „Natürlicher Religion“ als Bezeichnung einer Lebensform und „Natürlicher Theologie“ als Bezeichnung philosophisch-theologischer Theoriebildung.
„Naturreligion“ ist ein Ausdruck zur Kennzeichnung der Religionen schriftloser Völker. Diese Redeweise wird heute problematisch empfunden, weil sie, ähnlich wie „primitive Religionen“, oft mit wertenden Konnotationen einhergeht und klassifikatorisch ungenau ist.
Geschichte des Begriffs
Ursprung des Begriffs ist die historische These[1], dass die geschichtlichen Religionen Verfallsformen einer historisch ursprünglichen natürlichen Religion seien. Dagegen hatte sich bereits David Hume gewandt.
Die erste bewusste Verwendung des Begriffs findet sich bei Leibniz in seiner Theodizee 1710. Spätere Religionsphilosophen der Aufklärungszeit verstehen den Ausdruck hingegen teilweise im Sinne einer Art Meta-Religion, die explizit als nachträgliche Abstraktion gegebener Religionen verstanden wurde und nur als so konstruierter Maßstab an historische Religionen angelegt werden konnte. In grob diesem Sinne finden sich Auffassungen einer reinen Vernunftreligion auch in dem berühmten Werk von Immanuel Kant, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft.
Vor allem Schleiermacher hat mit erkenntnistheoretischen, historischen und religionsphilosophischen Gründen zu zeigen versucht, dass „natürliche Religion“ immer nur eine Abstraktion aus historisch vorausliegenden bestimmten Religionen sein kann; diese Auffassung ist heute weithin konsensfähig, stand ursprünglich allerdings weiten Teilen der thomistischen Schultheologie entgegen.
Auch die Evangelische Theologie des späteren 19. und 20. Jahrhunderts - vor allem Karl Barth - kritisierte im Allgemeinen den Begriff „natürliche Religion“. Für Barth ist dabei die Auffassung ausschlaggebend, dass alle Formen von Gotteserkenntnis ausschließlich aus der unverdienbaren Gnade Gottes möglich seien.
Die katholische Tradition ließ dagegen im Allgemeinen zumindest eine Gotteserkenntnis aus natürlicher menschlicher Vernunft selbst zu und verkündete diese Lehre auf dem Ersten Vatikanischen Konzil als Dogma. Eine philosophische Gotteserkenntnis aus reiner Vernunft führt aber auch dieser Auffassung nach noch nicht zu einer gelebten Religion. In diesem Sinne sind, wie eingangs skizziert, „natürliche Religion“ und „Natürliche Theologie“ zu unterscheiden. (Vgl. dazu ausführlicher den entsprechenden Artikel.)
Wichtige Nachkriegstheologen beider christlichen Konfessionen (z. B. Wolfhart Pannenberg, Karl Rahner, Bernard Lonergan) haben, anknüpfend an Vorgänger wie Blondel außerdem die im Neuthomismus vorherrschende Konzeption „natürlicher Theologie“ durch eine anthropologische Grundlagenreflexion ersetzt. Dabei geht es nicht mehr beispielsweise um klassische Gottesbeweise oder sogenannte extrinsezistische Argumente (welche dem Glaubensinhalt selbst „äußerliche“ Beweisgründe wie Wunder oder Autorität von Offenbarungszeugen anführten), sondern um eine grundlegende Fähigkeit, Gott zu erkennen, eine Offenheit für Transzendenz, die jedem Menschen als solchem (und damit unabhängig von seiner Zugehörigkeit zu konkreten Religionen) zukomme. Auch diese Theologen würden aber keine eigenständige „natürliche Religion“ unabhängig von geschichtlichen Religionen für möglich halten. Die Problematik der Verhältnisbestimmung von Natur bzw. natürlicher Vernunft und Gnade bzw. Offenbarung bildet sich bei Rahner aber beispielsweise in Begriffen wie „übernatürliches Existenzial“, „anonymes Christentum“ und ähnlichen ab, bei Pannenberg in Begriffsoppositionen wie „cognitia dei insita“ versus „acquisita“ (etwa als qua Natur „eingepflanzte“ versus qua Geschichte „erworbene“ Gotteserkenntnis wiederzugeben).
Literatur
- ↑ Belege bei Pannenberg 1989
- Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie, Band 1, Göttingen 1989, 83-122.
Siehe auch:
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