Vertrag von Paris (1951)

Vertrag von Paris (1951)
Flagge der EGKS, 1986-2002

Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Abkürzung EGKS, oft auch Montanunion genannt, war ein europäischer Wirtschaftsverband und ein Vorläufer der EG. Er gab allen Mitgliedsländern Zugang zu Kohle und Stahl, ohne Zoll zahlen zu müssen. Die Gründerstaaten des Vertrages waren Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande. Der EGKS-Vertrag, der für eine Dauer von 50 Jahren geschlossen wurde, lief am 23. Juli 2002 aus. Er wurde nicht verlängert; seine Regelungsmaterie wurde fortan dem EG-Vertrag zugerechnet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die EGKS wurde am 18. April 1951 durch den Vertrag von Paris gegründet und trat am 23. Juli 1952 in Kraft. Der EGKS-Vertrag ging auf den Schuman-Plan, eine Initiative des französischen Außenministers Robert Schuman zurück, in der er dem deutschen Kanzler, Konrad Adenauer einen Vorschlag machte, dem dieser sofort zustimmte: gemeinsame Kontrolle der Montanindustrie der Mitgliedsländer ohne Zoll. Das bedeutete, dass das Ruhrgebiet, das damals unter der Kontrolle einer nicht-deutschen Kommission der Siegermächte und britischer Besatzung stand und deren Anlagen gerade weiter demontiert wurden, eine Chance für neues Wachstum bekam. Tatsächlich konnte sich die Montanunion in der Folge als „Schwungrad“ des wirtschaftlichen Neuaufbaus in Westdeutschland (Wirtschaftswunder) erweisen.

Hauptziel des Vertrages war in der Argumentation Schumans die Sicherung des innereuropäischen Friedens durch die „Vergemeinschaftung“, also die gegenseitige Kontrolle, der kriegswichtigen Güter Kohle und Stahl, sowie die Sicherstellung dieser für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidenden Produktionsfaktoren.

Gründungsmitglieder der EGKS

In der Bundesrepublik Deutschland lagen damals die reichsten Kohlevorkommen der sechs Länder. Frankreich erhielt damit vor allem Zugang zum Ruhrgebiet, welches in der vormals britischen Besatzungszone lag und dessen Rohstoffproduktion und wirtschaftliche Entwicklung bis dahin noch unter den Sanktionen der Siegermächte zu leiden hatte. Da Frankreich auch schon großen Einfluss im Saargebiet hatte, war dies eine weitere Möglichkeit, von Rohstofflagerstätten zu profitieren.

Organe der EGKS, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) wurden am 8. April 1965 durch den sog. Fusionsvertrag zusammengelegt. Die rechtliche Selbständigkeit der drei Gemeinschaften blieb hiervon jedoch unberührt.

Finanzierung

Die Finanzierung geschah ursprünglich über die EGKS-Umlage. Sie wurde später eingestellt.[1]

Organe

Die Organe der Gemeinschaft waren:

  • Hohe Behörde: Exekutive Gewalt mit neun unabhängigen Mitgliedern (legislatives Element, ging 1967 in der Europäischen Kommission auf)
  • Beratender Ausschuss: Interessenvertretung, 51 Mitglieder: Arbeitgeber-, Arbeitnehmer- und Verbrauchsorganisatoren, heute Wirtschafts- und Sozialausschuss
  • Ministerrat: Ressortminister der einzelnen Länder (Vorläufer des Rats der Europäischen Union)
  • Gemeinsame Versammlung: 78 Mitglieder, Vorläufer des Europäischen Parlaments, Kontrolle der Hohen Behörden
  • Gerichtshof: sieben Mitglieder mit supranationaler Rechtsprechung (judikatives Element, Vorläufer des Europäischen Gerichtshofes )
Europäische UnionGeschichte, Struktur und Verträge
1951 * 1957 1965 1986 1992 1997 2001 2007 **
Europäische Gemeinschaften (EG ***) E U R O P Ä I S C H E   U N I O N   ( E U )
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS bzw. Montanunion) (2002 ausgelaufen → EG)
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) Europäische Gemeinschaft (EG)
*** EG: EGKS, EWG (EG seit 1993), Euratom Justiz und Inneres (JI) (JZZ und Personenverkehr → EG)
Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS)
Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
Europäische Atomgemeinschaft (EAG bzw. Euratom)
Vertrag von
Paris
(* Jahr der Unterzeichnung)
Vertrag von
Rom
Fusions-
vertrag
EEA Vertrag von
Maastricht
Vertrag von
Amsterdam
Vertrag von
Nizza
Vertrag von
Lissabon
(** noch nicht in Kraft)

DREI SÄULEN – EG (EGKS, EWG / EG, Euratom), GASP, PJZS

Siehe auch

Literatur

  • Manfred Rasch, Kurt Düwell (Hrsg.): Anfänge und Auswirkungen der Montanunion auf Europa. Die Stahlindustrie in Politik und Wirtschaft. Essen 2007. ISBN 3-89861-806-4
  • Hans-Jürgen Schlochauer: Zur Frage der Rechtsnatur der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. in: Walter Schätzel, Hans-Jürgen Schlochauer (Hrsg.): Rechtsfragen der internationalen Organisation. Festschrift für Hans Wehberg zu seinem 70. Geburtstag. Frankfurt/M 1956, S. 361-373.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Montanunion-Vertrag läuft 2002 aus, Deutscher Bundestag (Archiv)

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