Videothek

Videothek
Videothek auf dem Hamburger Kiez
Innenraum einer Videothek
Verleihhüllen

Eine Videothek ist, analog zu einer Bibliothek, ein Geschäftsbetrieb, in dem Filme bzw. Datenträger gesammelt, archiviert und dem Kunden zugänglich gemacht werden.

Da in einer Videothek nicht mehr wie ursprünglich einzig Videokassetten, sondern zunehmend auch andere Medien verliehen und verkauft werden, hat sich, zumindest bei der Industrie und im Handel selbst, längst der Begriff Mediathek etabliert, während der Volksmund eher weiter am gewohnten Begriff Videothek festhält. Videotheken sind fast ausschließlich gewerbliche Betriebe, in denen die Ausleihe von Spielfilmen, Musikfilmen, Spielen (PC und Konsole) usw. kostenpflichtig ist.

Inhaltsverzeichnis

Verleih von Medien

Als Medien-Verleih bezeichnet man die Vermietung (da juristisch kein echter Verleih) von Filmen auf Datenträgern. Er wird meist von Videotheken, Automatenvideotheken und Onlinevideotheken angeboten. Online- und Automatenvideotheken verleihen aus technischen und logistischen Gründen überwiegend DVD und Blu-ray. Der Vorteil besteht in einer längeren Lebensdauer und einer geringeren Größe.

Arten von Videotheken

In den Vereinigten Staaten sind Automatenvideotheken wie die Red Box weit verbreitet.

Traditionell unterscheidet man drei Arten von kommerziellen Videotheken:

  • die Familienvideothek mit unbeschränktem Zutritt, weil keine indizierten Medien dem Kunden zugänglich sind;
  • die Erwachsenenvideothek mit beschränktem Zutritt ab 18 Jahren, weil auch indizierte Medien dem Kunden zugänglich sind;
  • die Kombivideothek, eine Kombination aus Familienvideothek und Erwachsenenvideothek, mit voneinander getrennten Räumlichkeiten, getrennten Kassen und getrennten Eingängen, oder einer doppeltürigen „Schleuse“ zwischen den verschiedenen Bereichen.

Außerdem bestehen verschiedene neuere Arten von Videotheken:

  • die Versandvideotheken oder Onlinevideotheken, die sich mit der Verbreitung des Internets etablieren konnten. Dort werden Filme online bestellt und auf dem Postweg zugestellt;
  • die Automatenvideotheken, bei denen man, unabhängig von Öffnungszeiten, Filme aus einem Automaten entleihen kann;
  • die Programmvideothek (einige davon haben sich zu einem Arbeitskreis formiert und machen mit dem Begriff Cinethek-Videoarchiv auf sich aufmerksam), die sich durch ein besonders umfangreiches Sortiment an künstlerischen Filmen auszeichnet;
  • die Videotaxibetriebe, bei denen man telefonisch Filme bestellen kann, die durch einen Lieferservice zum Kunden gebracht werden;
  • die „virtuelle Videothek“ von Bezahlfernsehsendern oder IPTV-Anbietern, die den Filmzugriff durch so genanntes Video on Demand (VoD) oder Pay-per-View (PPV) realisieren.

Geschichte

Anfänge

Die wohl älteste Videothek der Welt gibt es in Kassel. Sie wurde 1975 von Eckhard Baum eröffnet. Als Gründungsvater der traditionellen Videothek gilt der US-Amerikaner George Atkinson. Er hat bereits 1977 in Los Angeles den weltweit ersten Videoverleih eröffnet, als die Filmstudios begannen, Videokopien ihrer Filme zu vermarkten. Ein Film kostete zu diesem Zeitpunkt etwa 50 Dollar und wurde von Atkinson für 10 Dollar verliehen.

Schnelle Etablierung

Die erste moderne Videothek der Bundesrepublik wurde 1979 in Nordrhein-Westfalen eröffnet. Ende 1980 waren es bereits etwa tausend. Im Frühjahr 1982 brachten die großen amerikanischen Filmverleihe auch ihre A- und B-Filme auf Kassette in den Handel, wodurch das Angebot erheblich vergrößert wurde. 1983 standen in der Bundesrepublik 3664 Kinos mit 125 Millionen Besuchern nicht weniger als 4850 Videotheken mit 128 Millionen entliehenen Videos gegenüber. Damit hatte sich der Videomarkt aus dem Nichts heraus im Mediengefüge etabliert. Es dominierte der Verleih, Kaufkassetten blieben in der ersten Hälfte der 1980er Jahre die Ausnahme.

Warnungen

Da die FSK bis dahin nur für öffentliche Filmvorführungen zuständig war, wurden Videokassetten, ehe sie in den Handel kamen, nicht kontrolliert, so dass auch Kinder und Jugendliche ohne größere Probleme an die Videos kamen.

Ab Ende 1981 mehrte sich die Kritik von Pädagogen am Umgang Jugendlicher mit Videos. Im März 1982 beantragte das Jugendamt Neuss bei der Bundesprüfstelle die Indizierung von 744 Videofilmen. Der Spiegel berichtete erstmals kritisch am 23. August 1982 unter dem Titel Bomben im Regal, nachdem zuvor positive Berichte über die Videotechnik dominiert hatten.

Höhepunkt der Kritik

Am 1. März 1984 strahlte das ZDF unter Bezugnahme auf die Angaben einer Videothekarin eine 45-minütige Dokumentation unter dem Titel Mama Papa Zombie aus. Das war der Auftakt zu einer allgemeinen intensiven Videokritik. Schon zwei Tage danach erschien auf der Titelseite der Bild die Frage Video schuld?. Ein Mörder sollte ein Fan von Horrorfilmen, Kannibalenfilmen und Pornofilmen sein. Der Spiegel brachte am 12. März die Titel-Story Zum Frühstück einen Zombie am Glockenseil, und Die Zeit berichtete am 16. März unter dem Titel Das Blut auf der Kachel über einen grausamen Mord nach dem Vorbild eines Videos. Autor Michael Sontheimer fragte dabei, ob Horrorfilme eine Droge wären. Als Hauptschuldige wurden neben den Filmproduzenten vor allem die Betreiber von Videotheken ausgemacht, daneben auch unverantwortliche Eltern.

Renate Faerber-Husemann schrieb am 1. April 1984 im Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt: „Der Staat muß den Video-Terroristen das Handwerk legen.“ Hans Schueler forderte am 14. Dezember 1984 in der Zeit unter dem Titel Horror frei Haus. Gewalt-Videos müssen verboten werden: „Leute, die mit lustvollen Gewaltdarstellungen Geschäfte machen, sollten den Rauschgifthändlern gleichgestellt werden.“[1]

Abklingen der Kritik

Schon ab Juni 1983 reichten die großen Videovertriebe ihre Bänder freiwillig bei der FSK ein, deren Arbeitsausschuss von nun an der Ständige Vertreter der Landesjugendbehörden vorsaß. Von der FSK nicht geprüfte Videokassetten durften künftig weder verkauft noch verliehen werden. Ab 1985 wandten sich die Medien von der Videoproblematik wieder ab. Trotzdem wurde ein Wandel in der medialen Kompetenz ausgelöst, die sich mit Einführung des Videos drastisch veränderte. In einem komplexen Wechselspiel zwischen Technik, Konsumenten und Filmen bildete sich eine historisch neuartige Perspektive auf Filme, die den kritischen Diskurs unterlief und schließlich verstummen ließ.[2]

Ähnliche Entwicklungen hinsichtlich einer vermuteten Videogefahr zeigten sich in Schweden 1981, in Großbritannien 1982/83, in Neuseeland Mitte der 1980er Jahre und in Nigeria in den frühen 1990er Jahren.

Mit dem Videomarkt hat sich ein ökonomischer Faktor etabliert, der die Produktion und Distribution von Filmen entscheidend verändert hat. Zudem ist der Konsument hinsichtlich Filmauswahl, Zeit und Ort autonom geworden.

Probleme der Videotheken

Während die ersten lizenzierten Verleihkassetten in Deutschland noch bis zu 300 Mark kosteten, sind heutzutage rund 50 Euro für eine DVD mit Verleihrecht und einem so genannten Verleihfenster (das variiert je nach Verleihfirma von einer Woche bis maximal drei Monate vor dem regulären Verkaufsstart) die Obergrenze. Als Direktvermarktung bezeichnet man dagegen die Filme, deren Verkaufs- und Verleihversionen gleichzeitig (bzw. Day-in-Day) veröffentlicht werden, wobei dann die Verleihlizenzkosten mit einem Aufschlag von etwa 50 Prozent zu Buche schlagen.

Diverse neuartige Zugriffsmöglichkeiten und die steigende Zunahme von kursierenden illegalen Raubkopien haben seit Beginn des Jahres 2003 dazu geführt, dass die „Videothek um die Ecke“ vom „Aussterben“ bedroht ist. Als Konsequenz haben viele kleinere Videothekenbetriebe, vor allem auf dem Land, ihren Geschäftsbetrieb bereits eingestellt.

Die Zahl der Kunden, die Filme physisch ausleihen, hat sich nach Angaben der GfK in Deutschland von 14,5 Mio. im Jahr 2000 auf 6,9 Mio. im Jahr 2010 halbiert. Seit 2009 gibt es einen Zuwachs im digitalen Leihmarkt (VoD/PpV) auf 1,4 Mio. Kunden in 2010.

Literatur

  • Jürgen Kniep: „Keine Jugendfreigabe!“. Filmzensur in Westdeutschland 1949-1990, Wallstein Verlag Göttingen 2010 ISBN 978-3-8353-0638-7
  • Tobias Haupts: "Die Videothek als Schnittstelle zur Filmgeschichte. Ein Nachruf in Michel Gondrys Be kind rewind", in: Annika Richterich/Gabriele Schabacher (Hrsg.): Raum als Interface (=MuK 187/188), Siegen 2011.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jürgen Kniep: Keine Jugendfreigabe!, S. 304
  2. Hendrik Pletz: Diskursiver Wandel und technische Praxis. Differenzierende Wiederholung im medialen Dispositiv des Videorekorders, in: Achim Landwehr (Hg.): Diskursiver Wandel, Wiesbaden 2010, S.311-333.

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