Visio Sancti Pauli

Visio Sancti Pauli

Die Visio Sancti Pauli (auch Paulusapokalypse oder Offenbarung des Paulus) ist eine Jenseitsvision und zählt zu den Apokryphen. Sie hatte großen Einfluss auf die Visionsliteratur des Mittelalters. Wegen des Zusammenhangs mit 2 Kor 12, 2ff. wurde sie dem Apostel Paulus zugeschrieben.[1]

Inhaltsverzeichnis

Rezeption

Die ursprüngliche griechische Fassung aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts ist nicht erhalten. Es könnte sein, dass sie auf eine ältere Quelle aus dem 1. Jahrhundert zurückgeht. Die Originalfassung wurde zunächst in zwei lateinische Versionen übersetzt:
L1, die sogenannte Langfassung, muss wohl im 5. Jahrhundert entstanden sein, erhalten sind Handschriften seit dem 8./9. Jahrhundert. L2 ist in drei Handschriften aus dem 14. und 15. Jahrhundert bekannt. Es könnte sein, dass L2 ins 12. Jahrhundert datiert. Die volkssprachlichen Übersetzungen, die mit einer altenglischen Handschrift aus dem 10. Jahrhundert einsetzen, gehen fast ausschließlich auf die Fassung L1 zurück. Im 12. Jahrhundert entsteht ein mittelhochdeutsches Gedicht auf Grundlage der Fassung L2.[2]
Im Bereich der Westkirche sind über 200 Handschriften in vielen Sprachen der Visio S. Pauli bekannt.[3]

Geschichte

Augustinus von Hippo verurteilte die Apokalypse des Paulus, da sie dem zweiten Korintherbrief widerspricht.

Inhalt

Paulus berichtet über seine Erlebnisse aus der Ich-Perspektive. Er schildert die Trennung von Leib und Seele, die Begegnung mit einem Engel und die verschiedenen Regionen des Jenseits, in denen die Seelen unter anderem Martern über sich ergehen lassen müssen. Der in der Fassung L1 beschriebene Besuch im Paradies [4] fällt in den meisten späteren Fassungen weg[5], die Höllenstrafen dagegen werden ausführlich geschildert. Interessant ist, dass den armen Seelen die Sonntagsruhe gewährt wird, nachdem der Erzengel Michael und Paulus Gott um diese Erleichterung der Qualen gebeten haben.

Gnostische Version

Unter den Schriften, die 1945 in Nag Hammadi gefunden wurden, war auch eine Version der Paulusapokalypse.

Einzelnachweise

  1. LexMa
  2. Palmer in VL, Sp.419ff.
  3. LexMa
  4. James §19-31, §44-50
  5. Ausnahmen sind die in karolingischen Handschriften erhaltenen Redaktionen VI und XI.

Siehe auch

Weblinks

  • Gerd Lüdemann/Martina Janßen (Hrsg.): Die gnostischen Schriften aus Nag Hammadi. Bibel der Häretiker. Mit einem Abschnitt zu Visio S. Pauli

Ausgaben

  • Montague Rhodes James (Hrsg.): Apocrypha anecdota. A collection of thirteen apocryphal books and fragments. (Contributions to biblical and patristic literature, texts and studies, 2/3) Bd. 1, Cambridge 1893 , S. 11-42
  • Theodore Silverstein (Hrsg.): Visio Sancti Pauli. The History of the Apocalypse in Latin together with nine Texts. London 1935

Literatur

  • Lenka Jiroušková: Die Visio Pauli. Wege und Wandlungen einer orientalischen Apokryphe im lateinischen Mittelalter unter Einschluß der alttschechischen und deutschsprachigen Textzeugen. Brill, Leiden u. a. 2006, ISBN 90-04-15055-2, (Mittellateinische Studien und Texte 34).
  • Peter Dinzelbacher: Visio Pauli. In: Lexikon des Mittelalters 8, Sp. 1733.
  • Hugo Duensing, Aurelio de Santos Otero: Apokalypse des Paulus. In: Wilhelm Schneemelcher (Hrsg.): Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. Band 2: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes. 5. Auflage. Mohr, Tübingen 1989, ISBN 3-16-145181-3, S. 644–675.
  • Volker Mertens: Visio Sancti Pauli II. In: Verfasserlexikon. Band 10. Sp. 423–425, Berlin 1999.
  • Nigel F. Palmer: Visio Sancti Pauli I. In: Verfasserlexikon. Band 10. Sp. 418–423, Berlin 1999.

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