Visperad

Visperad

Visperad (Visparad, Avestische Sprache) ist der Name des vierten Buches des Avestas, der heiligen Schrift der auf den iranischen Religionsstifter Zarathustra zurückgehenden Lehre des Zoroastrismus.

Das WortVisparadbildet sich aus zwei Teilen: Vispa (Avestisch und Altpersisch; Pahlavi: Visp:alle“) und Ratu (Avestisch; Pahlavi und Neupersisch: Rad; „Geistiger Meister und HerroderGeistiges Vorbild“).

Der Visparad besteht nach verschiedenen Einteilungsschemata aus 22 bis 27 Abschnitten. Ein Abschnitt wird alsKardabezeichnet. Die weit bekannte Einteilung nach Geldner ergibt 24 Kardas.

Inhaltlich lässt sich der Visparad als ein Loblied auf die Schöpfung bezeichnen. Im Zoroastrismus findet der TerminusRatuoderRadauf jene Elemente des Seins Anwendung, welche als gut und von besonderem Wert, hierbei insbesondere als das Leben fördernd und die Freude vermehrend gelten.

So werden im Visparad neben den verschiedensten Teilen der Schöpfung, welchen jeweils eine hervorgehobene Unterart oder Untereinheit als besonders wertvoll und damit alsRatuzugeordnet wird, auch grundlegende Begrifflichkeiten alsRatubezeichnet, welche zugleich ein Gerüst zoroastrischer Weltsicht und Quellen der alt-iranischen Philosophie erkennen lassen. Hierzu zählen verschiedene Begriffe, die teils als alt-iranischeGottheiten“ (Avestisch: Yazata, Pahlavi: Yazd, Neupersisch: Izad bzw. die Amesha Spenta) zu finden sind, als Beispiel Vohumana („Gutes Denken“), Anahita (u. a. Yazat der Reinheit), „Tschisti“ („Wissen“) oderAdâ“ („Gute Belohnung“).

Im Visparad erscheint Zarathustra selbst alsRatu“, ebenso Frauen und Männer, welche glauben und mitgutem Denken, gutem Wort und guter Tatdurch das Leben schreiten.

Die Natur erscheint im Visparad als ein Ort vielfältiger Segen, welche genannt und deren jeweils höchste Art alsRatuhervorgehoben wird. So finden u. a. Tiere, Pflanzen, Berg und Meer einenHöchsten“. Konkret wird unter den Pflanzen Haoma und unter allen Bergen dem GipfelHokar“ (AvestischHukairyah“) dieser Rang zugesprochen, einem Berg, an dessen Hängen Anahita der Erde den Segen des Wassers schenkt.

Der Text verwandelt sich in eine Hymne des Dankes an Gott, Ahura Mazda, der - ebensowie an anderer Stelle die Person Zarathustras - als Ahu und Ratu bezeichnet wird, „Ahu“ (Avestisch) im Sinne desWeltlichen Herrnim Vergleich zumRatuals demGeistigen Herrn und Meister“.

Dem Element der Zeit werden sechsRatuszugesprochen. Diesen entsprechen die sechs alt-iranischenGâhânbârs“ (Pahlavi und Neupersisch), Freudenfeste, zu denen auch einige noch heute verbreitete gehören, hierunter das bekannteste und weit über die Grenzen der Zoroastrier und des heutigen Irans hinaus gefeierte Fest Nowruz. Der freudige Charakter dieserGâhânbârsund das Fehlen eines Trauerfestes an dieser Stelle wird auf dem Hintergrund des lebensbejahenden Charakters der Lehre Zarathustras gesehen.

Die Idee desHöchstenjeder Art des Seienden erscheint auch in späteren Werken, so im mittelpersischen BuchBundahischn“. Das Höchste, Ratu, erscheint zugleich als Bindeglied unter allen Seienden und als Hinweis auf Gott, Ahura Mazda. Entwicklungen und Charakteristika späterer Epochen der iranischen und insbesondere persischen Poesie und Philosophie u. a. der postislamischen Ära werden teils in diesem Zusammenhang betrachtet, so u. a. in Rumis und Saadis wiederkehrender Formel, dass durch einen klaren Blick auf jegliches Phänomen des Seins vom Ganzen bis zum einzelnen Detail Gottes Antlitz in erhabener Schönheit zu erkennen ist. Unter diesem Aspekt erscheinen Gott, Natur und Schöpfung vereint. Ethische Grundsätze zoroastrischen Denkens finden auf der Grundlage dieser Einheit und konkret in den im Visparad und im Buch Yasna des Avestas niedergelegten Beschreibungen besonderen Ausdruck.

Literatur

  • Encyclopaedia of Ancient Iran. Hashem-e Razi, Teheran, Sokhan, 2002.
  • Encyclopedia Iranica. Herausgegeben von Ehsan Yarshater
  • Übersetzungen: J. Darmesteter, L. H. Mills, F. Wolff. Siehe auch Avesta.org.
  • Old Avestan Glossary. P. Oktor Skjaervo, Harvard University.
  • Avesta. Übersetzung des Textes. Jalil Doostkhah. Morvarid, 1996.
  • A Concise Pahlavi Dictionary. D. N. MacKenzie. Routledge Curzon, 2005.

Siehe auch


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