- Volksaufstand in Ungarn
-
Mit dem Ungarischen Volksaufstand versuchten die Ungarn im Oktober 1956, sich von der sowjetischen Unterdrückung zu befreien. Der Ungarische Volksaufstand wird heutzutage in Ungarn als Revolution (forradalom) bezeichnet. Die damaligen kommunistischen Machthaber nannten ihn Konterrevolution (ellenforradalom). Er begann am 23. Oktober 1956 mit einer Großdemonstration in Budapest und endete am 4. November 1956 durch den Einmarsch der Roten Armee. Die Kämpfe gegen die Armee dauerten allerdings noch einige Wochen, im Gebirge sogar bis Anfang 1957.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Als 1945 die Sowjetarmee Ungarn von der nationalsozialistischen Herrschaft befreite, entstand eine von den Kommunisten getragene demokratische Volksbewegung. Die Kommunisten wurden zu einer wesentlichen politischen Kraft und waren mit zwei Ministern an der Provisorischen Nationalregierung beteiligt, der außerdem drei Sozialdemokraten, zwei Minister der Partei der kleinen Landwirte sowie ein Minister der Bauernpartei angehörten. Ferner erhielten drei ehemalige Militärs und ein Adliger ein Ministeramt. Die wichtigsten Posten lagen dabei in den Händen der linken Parteien, während die anderen Parteien relativ unbedeutende erhielten. Der Außenminister etwa war ohne Bedeutung, da alle Beziehungen zum Ausland über die von der Sowjetunion dominierte Alliierte Kontrollkommission laufen mussten.
Da damals mehr als die Hälfte der Ungarn von der Landwirtschaft lebten, war eines der ersten Projekte 1945 die Durchführung einer Bodenreform, durch welche Großgrundbesitzer enteignet wurden und Kleinbauern eigenes Land erhielten. Die Großgrundbesitzer verloren dadurch auch politisch an Macht. Verantwortlich für die Bodenreform war der kommunistische Landwirtschaftsminister Imre Nagy.
Da Ungarn ohnehin von sowjetischen Truppen besetzt war und die Sowjets die Alliierte Kontrollkommission führten, während sich international zwei politische Lager herausbildeten, geriet Ungarn immer stärker in den sowjetischen Machtbereich.
Bei der Parlamentswahl vom 15. November 1945 kam die Partei der kleinen Landwirte auf 57 Prozent der Stimmen, die Kommunisten nur auf 17 Prozent. Auf Druck der Sowjets waren die Kommunisten dennoch an der neuen Koalitionsregierung beteiligt und stellten vier von 18 Ministern.
Die Sowjetischen Truppen blieben auch nach Abschluss des Friedensvertrags vom 10. Februar 1947 im Land, mit der Begründung, die Verbindung zu den in Österreich stationierten Truppen zu halten.
Der im März 1946 gegründete Linksblock aus Kommunisten und Sozialdemokraten, Mitgliedern der Nationalen Bauernpartei und Gewerkschaftern trat geschlossen gegen die Partei der Kleinen Landwirte an. Die Kommunisten übernahmen durch Anwendung der „Salami-Taktik“, des scheibchenweisen Reduzierens des demokratischen Systems, immer mehr die Macht im Staat. Sie sicherten sich den entscheidenden Einfluss im Innenministerium und den Sicherheitsorganen. Vermeintliche und tatsächliche politische Gegner wurden durch die politische Polizei eingeschüchtert und ausgeschaltet. Die Aufdeckung angeblicher Verschwörungen führte zu politischen Säuberungen und zur Ausschaltung des rechten Flügels der Partei der kleinen Landwirte. Am 30. Mai 1947 trat Ministerpräsident Ferenc Nagy zurück. Nachfolger wurde Lajos Dinnyés vom linken Flügel der Partei.
Bei den bereits unter Einschüchterung stattfindenden Neuwahlen des Parlaments am 31. August 1947 erhielt der Linksblock 61 Prozent. Die vom Linksblock gebildete Volksfrontregierung verfolgte ein kommunistisches Programm, obwohl sich der Stimmenanteil der Kommunisten nur auf 22 Prozent belaufen hatte. Die Regierung betrieb die Verstaatlichung der Banken, der Bergwerke, der Schwerindustrie und aller Industriebetriebe mit mehr als 100 Mitarbeitern.
Am 12. Juni 1948 wurde die Kommunistische Partei mit der Sozialdemokratischen Partei zur Magyar Dolgozók Pártja (MDP, deutsch Partei der Ungarischen Werktätigen) vereinigt. Die Oppositionsparteien im Parlament verschwanden durch Emigration ihrer führenden Vertreter und durch die Aberkennung von Mandaten.
Stalinistische Herrschaft unter Mátyás Rákosi
Die MDP konzentrierte sich darauf, den kommunistischen Machtapparat auszubauen. Bei der Wahl zur Nationalversammlung im Mai 1949 erreichte die Einheitsliste 95,6 % Ja-Stimmen. Am 20. August 1949 trat eine neue Verfassung in Kraft, die der sowjetischen Verfassung von 1936 nachempfunden war. Damit wurde aus Ungarn ein Arbeiter-und-Bauern-Staat, die Gewaltenteilung wurde aufgehoben und ein 21-köpfiger Präsidialrat als kollektives Staatsoberhaupt eingeführt, der zwischen den Sitzungen des Parlaments dessen Befugnisse hatte.
Der sich um Mátyás Rákosi herausbildende Personenkult wurde begründet mit der stalinistischen These der ständigen Verschärfung des nationalen und internationalen Klassenkampfes. Alle Macht in Staat und Partei befand sich in Rákosis Hand, der sich selbst auch als den besten Schüler Stalins bezeichnete. Der Personenkult führte zu einer Atmosphäre des Terrors durch die Staatssicherheitsbehörde. Es fanden eine große Zahl von Schauprozessen gegen vermeintliche politische Gegner statt. Diesen Prozessen fielen auch kommunistische Parteimitglieder und Mitglieder der Regierung zum Opfer, so etwa der 1949 hingerichtete frühere Außenminister László Rajk. Zu den Inhaftierten zählte auch der spätere Parteichef János Kádár. Insgesamt wurden Verfahren gegen mehr als eine Million Menschen, rund 10 % der Bevölkerung, eingeleitet. Viele Menschen wurden ohne Anklage und Gerichtsverfahren in Lager gesteckt und mussten Zwangsarbeit verrichten.
Mit der vorzeitigen Erfüllung des Drei-Jahres-Planes war die im Krieg zerstörte Infrastruktur Ungarns wieder hergestellt. Allerdings wurden in dem Plan mechanisch die ökonomischen Praktiken der Sowjetunion übernommen: So flossen Investitionen vor allem in die Schwerindustrie. Auch dies wurde mit der Verschärfung des Klassenkampfes und der darauf basierenden Angst vor einem neuen Krieg begründet. Dabei wurden die Bedürfnisse der Landwirtschaft und des Lebensstandards der Bevölkerung nicht berücksichtigt. In der Landwirtschaft verringerte die Zwangskollektivierung die Erträge, so dass Ungarn als ehemaliges Agrar-Exportland sogar Lebensmittel importieren musste.
Durch die sowjetische Besatzung befand sich Ungarn sowohl politisch als auch – vermittelt über die streng moskautreue Parteiführung – wirtschaftlich in völliger Abhängigkeit von der Sowjetunion. So bedurfte selbst nach Abschluss des Friedensvertrages jede außenpolitische Entscheidung der Zustimmung durch die Sowjetunion. Es galt als offenes Geheimnis, dass die ungarische Wirtschaft in erster Linie den Interessen der Sowjetunion dienen musste.
Reformen unter Imre Nagy, Restauration, innerparteiliche Opposition, der Posener Aufstand
Nach dem Tod Stalins am 5. März 1953 kam in der Sowjetunion Nikita Chruschtschow an die Macht. Im Rahmen der anti-stalinistischen Säuberungen musste auch Rákosi einen Teil seiner Macht abgegeben. Am 4. Juli 1953 wurde der frühere Landwirtschaftsminister Imre Nagy zum neuen Ministerpräsidenten. Parteichef blieb jedoch Rákosi.
Imre Nagy distanzierte sich deutlich von der Politik seines Vorgängers. Statt die Schwerindustrie weiter auszubauen, förderte Nagy die Landwirtschaft und die Konsumgüterindustrie. Bauern durften aus den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften wieder austreten. Der Lebensstandard stieg. Viele Opfer von Rákosis Personenkult wurden, wenn auch nur stillschweigend und ohne Entschädigung, rehabilitiert.
Innerhalb der Partei versuchte die dogmatische Gruppe um Rákosi, die Reformpolitik zu unterminieren. Imre Nagy verlor diesen Machtkampf und wurde im April 1955 wieder abgesetzt und einige Monate später aus der Partei ausgeschlossen. Es folgte eine Phase der Restauration. Im Februar 1956 hielt der sowjetische Parteichef Nikita Chruschtschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU seine sogenannte Geheimrede über die Wirkung des Personenkults und über die stalinistischen Verbrechen. In Ungarn kamen daher in der Partei Forderungen nach Überprüfung der Parteilinie und Bestrafung der Schuldigen auf. Der Parteivorsitz ging von Matyás Rákosi auf seinen Stellvertreter Ernő Gerő über, der jedoch kaum beliebter als Rákosi war. Der Unzufriedenheit insbesondere unter Intellektuellen war damit nicht beizukommen.
Im Laufe des Herbstes entstanden in fast allen Universitätsstädten Diskussionsforen nach dem Vorbild des Petöfi-Kreises, eines Diskussionszirkels junger Literaten, die sich ab Anfang 1956 zunehmend politischen Themen gewidmet hatten. Aus diesen parteiinternen Diskussionskreisen ging dann der Studentenprotest hervor.
Die Witwe des unter Rákosi hingerichteten früheren Ministers László Rajk forderte gemeinsam mit der parteiinternen Opposition, die Neubestattung ihres Mannes und Rehabilitierung der Kommunisten unter den Opfern des Rákosi-Systems. Die Regierung gab schließlich nach. Am 6. Oktober 1956 wurde László Rajk neu bestattet. An dem Trauermarsch beteiligten sich Hunderttausende und setzten damit ein deutliches politisches Zeichen.
Studenten forderten die Autonomie ihrer Organisationen. In der Stadt Szeged fand am 16. Oktober die Neugründung des ehemaligen unabhängigen Hochschulverbandes MEFESZ statt.
In Polen wurde nach dem Arbeiteraufstand von Posen im Juli 1956 am 21. Oktober 1956 der populäre, 1949 aus der Parteiführung verdrängte und dann drei Jahre lang inhaftierte Władysław Gomułka gegen den Willen der sowjetischen Führung zum ersten Sekretär des ZK der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) gewählt. Verhandlungen mit den angereisten sowjetischen Führern konnte diese von einer militärischen Intervention in Polen abbringen. Im Gegenzug versprach Gomułka, die enge Bindung Polens an die Sowjetunion beizubehalten. Gomułkas Parteitagsrede wurde in der ungarischen Parteizeitung Szabad Nép abgedruckt. Die innerparteiliche Opposition in Ungarn hoffte auf einen ähnlichen Ausgang der Krise in Ungarn.
Die Studenten gingen in ihren Forderungen weiter als die parteiinterne Opposition. In Anlehnung an die Revolution von 1848 verfassten Studenten der Technischen Universität Budapest (heute: Technische und Wirtschaftswissenschaftliche Universität Budapest) am 22. Oktober eine Erklärung, in der sie Bürgerliche Freiheitsrechte und Parlamentarismus sowie nationale Unabhängigkeit forderten.
Um ihren Forderungskatalog, der in unterschiedlichen Versionen zwischen 10 und 16 Punkten enthielt, bekannter zu machen, brachten gewählte Vertreter ihn in andere Hochschulen, in Betriebe und zu lokalen und zentralen Behörden und Institutionen. Nachdem der Ungarische Rundfunk sich geweigert hatte, die Forderungen bekanntzumachen, riefen die Studenten für den 23. Oktober zu einer Demonstration auf, um ihre Solidarität mit den Reformern in Polen zu zeigen und die eigenen Forderungen zu unterstreichen.
Im Zuge dieser Massendemonstration kam es zum Ungarischen Volksaufstand.
Verlauf
Als Ungarischer Volksaufstand werden eigentlich die Ereignisse in der Zeit vom 23. Oktober bis zum 4. November bezeichnet. Aber auch die Zeit danach war durchsetzt von Verfolgung und Niederschlagung der letzten Widerstand leistenden Gruppen.
Beginn - der 23. Oktober
Den Studenten der Technischen Universität Budapest wurde am 23. Oktober eine Demonstration zur Solidarität mit dem polnischen Arbeiteraufstand genehmigt. Sie wollten mit dieser Demonstration aber viel mehr erreichen und ihre politischen Interessen kundtun. Die Studenten trafen den Nerv der Ungarn, die sich zu Tausenden dem Demonstrationszug anschlossen. Der Zug endete zunächst am Josef-Bem-Platz auf der Budaer Donauseite, wo die Forderungen der Studenten verlesen wurden. Obwohl fast keine Verstärker verwendet wurden, strömten immer mehr Menschen zu dieser Massenkundgebung.
Während ein Teil der Demonstranten zum Parlament weiterzog, marschierte ein Großteil zum Rundfunkgebäude auf der Pester Donauseite. Dort wollten sie ihre Forderungen über den staatlichen Sender verbreiten. Jedoch wurde aus dem Rundfunkgebäude das Feuer auf die Demonstranten eröffnet. Durch ungarische Soldaten gelangten die Demonstranten an Waffen, so dass sie sich zur Wehr setzen konnten und das Gebäude stürmten. Am Abend versammelten sich ca. 200.000 Menschen vor dem Parlament und forderten Meinungs- und Pressefreiheit, freie Wahlen, mehr Unabhängigkeit von der Sowjetunion sowie die Ernennung des reformorientierten Kommunisten Imre Nagy zum Regierungschef. Nagy, der die Demonstranten aufforderte, nach Hause zu gehen, wurde überraschend noch in derselben Nacht vom Zentralkomitee der Partei der Ungarischen Werktätigen zum Ministerpräsidenten berufen. Unterdessen hatte die Sowjetunion begonnen, militärisch einzugreifen, noch bevor Parteichef Ernő Gerő darum ersucht hatte. Im Laufe des Nachmittags hatten Demonstranten das Stalin-Denkmal auf dem Heldenplatz gestürzt und mit einem Traktor vor das Parlamentsgebäude gezogen.
Vom 24. Oktober bis zum 4. November
Ab dem 24. Oktober weitete sich der Aufstand auf andere Städte aus. Es entstanden Arbeiter-, Revolutions- und Nationalräte. Ein landesweiter Generalstreik setzte ein. Die ersten unabhängigen Zeitungen erschienen.
Am 25. Oktober wurde Parteichef Ernő Gerő abgesetzt. Vor dem Parlamentsgebäude schossen Mitglieder des gefürchteten Staatssicherheitsdienstes ÁVH in die Menge, wobei mehr als 100 Menschen starben.
Am 27. Oktober gab Imre Nagy seine neue Regierung und die Auflösung des ÁVH bekannt, am darauf folgenden Tag die Anerkennung der Revolution.
Am 30. Oktober verkündete Nagy das Ende der Einparteienherrschaft und bildete eine Mehrparteienregierung. Die Sowjetunion ließ sich zunächst scheinbar auf Verhandlungen über einen Abzug ein, bereitete jedoch bereits einen Angriff vor (sowjetischer Botschafter in Budapest war übrigens Juri Andropow, der spätere KGB-Chef und Generalsekretär der KPdSU). Am gleichen Tag wurde einer der bekanntesten Regimekritiker, der ungarische Kardinal József Mindszenty, aus der Haft befreit.
Nachdem Nagy am 1. November die Neutralität Ungarns erklärte und das Land aus dem Warschauer Pakt austrat, begannen die Truppen der Sowjetunion mit der Niederschlagung des Volksaufstandes und besetzten u. a. das Parlamentsgebäude. Bewaffnete Gruppen nahmen den Widerstand wieder auf.
4. bis zum 15. November
Vom 4. bis zum 15. November tobten heftige Kämpfe im Land, speziell in der Hauptstadt Budapest. Die Zivilbevölkerung griff für die Regierung zu den Waffen, litt jedoch an Munitionsmangel und war den sowjetischen Streitkräften an Personal und Material hoffnungslos unterlegen, so dass die Niederlage vorbestimmt war. Die Kämpfe forderten auf ungarischer Seite etwa 2500 Tote, die sowjetischen Truppen verloren nach eigener Darstellung 720 Mann. Einzelne Schätzungen gehen von höheren Zahlen aus.
Vor und während des Aufstandes wurde den Aufständischen über Radio Free Europe militärische Unterstützung durch den Westen versprochen und so zum Aufstand angespornt; was aber der Westen nach US-amerikanischen Regierungsdokumenten zu keinem Zeitpunkt beabsichtigte. Die gleichzeitig stattfindende Suezkrise und die damit einhergehende Verstimmungen zwischen Frankreich/Großbritannien und den USA verhinderten zusätzlich eine einheitliche Reaktion der Westmächte.
Zeit nach dem 16. November
Trotz des Einmarsches der Roten Armee leisteten immer noch einzelne Gruppen Widerstand. Doch mit der Zeit begann eine Massenflucht über das seit 1955 nicht mehr besetzte Österreich in den Westen. Die meisten Flüchtlinge wurden im Raum Wien gesammelt und mit dem Notwendigsten versorgt. In Ost-Österreich entstanden eine Reihe von Flüchtlingslagern; zum Teil dort, wo ein Jahr zuvor erst die Sowjetarmee nach dem Staatsvertrag ausgezogen war, wie in Traiskirchen oder dem Schloss Liechtenstein in Maria Enzersdorf.
Da Österreich nicht alle Flüchtlinge aufnehmen konnte, wurden viele auf andere westliche Staaten verteilt. Die meisten Ungarn durften sich dabei ein Land und mitunter eine bestimmte Region in diesem Land aussuchen. Viele davon gingen nach Übersee, etwa 70.000 blieben dauerhaft in Österreich. Insgesamt flohen über 200.000 Ungarn ins westliche Ausland, mehr als 70.000 davon über die Brücke von Andau, die über den Einser-Kanal führt.
Um den Fluchtweg abzuschneiden wurde die alte Holzbrücke am Nachmittag des 21. November 1956 gesprengt. Zum Gedächtnis wurde 40 Jahre später die Brücke von Andau in Zusammenarbeit österreichischer und ungarischer Pioniere wieder errichtet und am 14. September 1996 feierlich eröffnet.
1957 gründeten geflüchtete Ungarn in Baden bei Wien das Orchester Philharmonia Hungarica, das seinen Sitz seit 1960 in Marl (Westfalen) hatte und den künstlerischen und faktischen Rang eines Staatsorchesters der Bundesrepublik Deutschland erreichte. Heute findet das Orchester seine Fortführung in der Neuen Philharmonia Hungarica.
Niederschlagung und "Säuberungen"
Imre Nagy wurde am 22. November verhaftet, obwohl man ihm Straffreiheit zugesichert hatte, und im Juni 1958 nach einem Schauprozess mit anderen Anführern des Volksaufstandes wie dem Verteidigungsminister Pál Maléter hingerichtet. 350 weitere Personen wurden hingerichtet, nach dem Erreichen seines 18. Geburtstages auch der Fachschüler Péter Mansfeld. Im Anschluss an den Aufstand kam es zu Säuberungswellen. Neuer Ministerpräsident wurde János Kádár, der außenpolitisch einen streng moskau-treuen Kurs verfolgte, nach einer Phase der Restauration innenpolitisch jedoch Reformen durchführte (siehe Gulaschkommunismus).
Ziele und Forderungen der Aufständischen
Der Aufstand hatte sowohl nationalen als auch anti-totalitären Charakter.
Nationale Unabhängigkeit
Die Studenten der Budapester Technischen Universität forderten, als notwendige Voraussetzung für Reformen, den Abzug der sowjetischen Truppen und darüber hinaus die Wiedereinführung der ungarischen Nationalfeiertage und Staatssymbole. Außerdem forderten sie die Entfernung der Stalin-Statue. Bezeichnenderweise begann ihre Demonstration am 23. Oktober am Denkmal des polnischen Generals Josef Bem, der 1849 als Befehlshaber für die Revolution und die nationale Unabhängigkeit kämpfte.
In Forderungskatalogen tauchte auch die Forderung auf, das Kossuth-Wappen, welches das Emblem der Revolution von 1848 und im Jahr 1946 Staatswappen war, wiedereinzuführen, ebenso den 15. März (Gedenktag der Revolution von 1848) als Nationalfeiertag, sowie die nach sowjetischem Vorbild gestalteten Uniformen abzuschaffen. Nach Ausbruch des Aufstandes wurde die Forderung erhoben, den 23. Oktober zum Nationalfeiertag zu erklären.
Die Forderung nach Überprüfung der internationalen Vereinbarungen und Außenhandelsverträge richtete sich gegen den Abhängigkeitsstatus gegenüber der Sowjetunion. Generell wurde die Beendigung der militärischen, politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeit gefordert.
Nach der sowjetischen Intervention am 24. Oktober hatte sich aus dem Aufstand gegen die stalinistische Diktatur ein nationaler Freiheitskampf entwickelt. Die wichtigste Forderung war nun der sofortige Abzug der gegen die Revolution eingesetzten sowjetischen Truppen. Ein Erfolg der demokratischen Umgestaltung schien nur ohne Präsenz sowjetischer Truppen möglich, da diese das alte System mit militärischer Gewalt verteidigten.
Um den 29. Oktober reichten die Entmachtung Ernő Gerős, des bisherigen Ministerpräsidenten András Hegedűs und die Auflösung des Staatssicherheitsdienstes für eine Stabilisierung der Lage jedoch nicht mehr aus. Die bewaffneten Aufständischen, die politischen Gruppierungen, Arbeiterräte und Revolutionskomitees forderten neben dem vollständigen Abzug der sowjetischen Truppen den Austritt Ungarns aus dem Warschauer Pakt und die Erklärung der Neutralität Ungarns.
Demokratie und politische Freiheiten
In ihrer Erklärung forderten die Studenten der Technischen Universität Budapest ein Mehrparteiensystem, freie Wahlen und bürgerliche Freiheitsrechte. Sie verlangten die Bestrafung der Schuldigen des Rákosi-Regimes, darunter Mátyás Rákosi und der ehemalige ZK-Sekretär Mihály Farkas, die Abschaffung der Ablieferungsquoten in der Landwirtschaft, das Streikrecht, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit.
Während der Demonstrationen am Nachmittag und Abend des 23. Oktober forderten die Massen u. a. die Verlesung der studentischen Forderungen im Rundfunk und die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Imre Nagy.
Die von den Studenten formulierten Forderungen wurden schnell Allgemeingut unter den Aufständischen. Die Arbeiterräte forderten ausnahmslos das Streikrecht. Der Arbeiterrat im Industrierevier Csepel forderte bereits am 24. Oktober ausdrücklich die Religionsfreiheit.
Nachdem am 25. Oktober Einheiten des Staatssicherheitsdienstes bei einer Demonstration vor dem Parlamentsgebäude durch Schüsse in die Menge mehr als 100 Menschen töteten, wurde überall die sofortige Auflösung des Sicherheitsdienstes gefordert.
Ferner erhoben die Arbeiterräte, die etwa anderthalb Millionen Menschen vertraten, Anspruch auf Beteiligung an der Macht.
Im Jahr 1991 wurde vom ungarischen Parlament die Verjährung der Verbrechen rund um den Volksaufstand aufgehoben, um noch lebende Personen dem Gericht zuführen zu können.
Siehe auch
- Geschichte Ungarns
- Warschauer Pakt
- Posener Aufstand
- Nikita Sergejewitsch Chruschtschow
- Siebzehnter Juni 1953
- Massaker von Tiflis 1956
Personen
- Mihály Farkas
- Ernő Gerő
- János Kádár
- Georg Lukács
- Pál Maléter
- Imre Nagy
- Mátyás Rákosi
- József Mindszenty
- Béla Király
Literatur
- Was in Ungarn geschah. Der Untersuchungsbericht der Vereinten Nationen. Herder-Bücherei Nr. 9, Freiburg 1957
- György Dalos: Ungarn in der Nußschale. Geschichte meines Landes. München, 2004, 199 Seiten. ISBN 3-406-51032-9
- György Dalos, Erich Lessing1956. Der Aufstand in Ungarn, 2006, ISBN 3-406-54973-X
- J.G.Farkas (Hrsg.): Die ungarische Revolution 1956. Rundfunk-Dokumente unter besonderer Berücksichtigung der studentischen Bewegung. Selbstverlag, München 1957.
- Johanna Granville (Der erste Domino) The First Domino: International Decision Making During the Hungarian Crisis of 1956, Texas A & M University Press, 2004. ISBN: 1585442984.
- Johanna Granville (auch bekannt als 'Volodya') "Imre Nagy aka 'Volodya' - A Dent in the Martyr's Halo?", Cold War International History Project Bulletin, no. 5 (Woodrow Wilson Center for International Scholars, Washington, DC), Spring, 1995, pp. 28, and 34-37.
- Johanna Granville: Radio Freies Europa und die ungarische Revolution von 1956 "Caught With Jam on Our Fingers”: Radio Free Europe and the Hungarian Revolution in 1956” Diplomatic History, vol. 29, no. 5 (2005): pp. 811-839.
- Johanna Granville: Dokumente aus dem sowjetischen Archiven über Ungarn "Soviet Archival Documents on the Hungarian Revolution, 24 October - 4 November 1956", Cold War International History Project Bulletin, no. 5 (Woodrow Wilson Center for International Scholars, Washington, DC), Spring, 1995, pp. 22-23, 29-34.
- György Litván, János M. Bak (Hrsg.): Die Ungarische Revolution 1956. Reform – Aufstand – Vergeltung. Wien 1994 ISBN 3-85165-123-5
- Paul Lendvai: Die Ungarn. Ein Jahrtausend Sieger in Niederlagen. München 1990 ISBN 3-570-00218-7
- Paul Lendvai: Der Ungarnaufstand 1956 – eine Revolution und ihre Folgen. C. Bertelsmann Verlag, München, 2006, 318 S. ISBN 3-570-00579-8. Rezensionen bei www.perlentaucher.de
- János Paál: Von Kobolden gejagt - 40 ungarische Jahre 1916-1956, Reinbek 2006. ISBN 3-8334-4341-3
- Ungarn 1956/2006. Themenheft der Schweizer Monatshefte, Ausgabe Februar 2006.
Primärquellen
- Johanna Granville, "Dokumente aus dem sowjetischen Archiven über Ungarn" "Soviet Archival Documents on the Hungarian Revolution, 24 October - 4 November 1956", Cold War International History Project Bulletin, no. 5 (Woodrow Wilson Center for International Scholars, Washington, DC), Spring, 1995, pp. 22-23, 29-34.
Weblinks
- 1956 Hungarian Revolution Portal Photos, Audio and Video files
- www.1956andhungary.hu – 1956 and Hungary: The Memory of Eyewitnesses – In Search of Freedom and Democracy
- Ungarn 1956, Audiovisuelles Archiv, Österreichische Mediathek, Technisches Museum Wien – eine multimediale Webausstellung
- Ungarn 1956 – Geschichte und Erinnerung – 50 Jahre Revolution und Freiheitskampf in Ungarn – Website / Veranstaltungen / Wissenschaftliche Konferenz – Gemeinschaftsprojekt des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam, der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und des Collegium Hungaricum Berlin
- Vergiss Ungarn nie!, Studienreise der Bundeszentrale für politische Bildung nach Ungarn, Begegnungsreise anlässlich des 50. Jahrestages des ungarischen Volksaufstands von 1956
- Der Volksaufstand in Ungarn 1956, Peter Möller – Marxistische Theorie und realsozialistische Praxis
- Hauptlose Revolution, Péter Nádas, Lettre International, LI 75
- Herbst der Freiheit, Paul Lendvai, Die Zeit 40/06 – Mutig erheben sich die Ungarn 1956 gegen die stalinistische Diktatur. Doch Moskau schlägt erbarmungslos zurück – und der Westen schaut zu.
- Das kurze Glück der Revolution, Rolf Steininger, Wiener Zeitung, Extra-Lexikon, 21. Oktober 2006
- Der ungarische Volksaufstand 1956 - «Sieg einer Niederlage», Andreas Oplatka, NZZ, 19. Oktober 2006 – Schwerwiegende Folgen für die gesamte kommunistische Bewegung – Der ungarische Volksaufstand, der am 23. Oktober 1956 begann und die sowjetische Macht im Land an den Abgrund brachte, gilt als eines der markantesten Ereignisse im Europa der unmittelbaren Nachkriegszeit. Trotz seinem Scheitern zeitigte der Aufstand langfristige Folgen.
Wikimedia Foundation.