Volksrichter

Volksrichter

Als Volksrichter und -staatsanwälte wurden nach 1945 Juristen in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) bezeichnet, deren fachliche Ausbildung nicht an den Universitäten, sondern in mehrmonatigen Lehrgängen der ostdeutschen Landesjustizverwaltungen erfolgte. Formal stellte die Volksrichterausbildung ein Instrument dar, um der 1945 durch die alliierten Entnazifizierungsmaßnahmen hervorgerufenen Personalnot im staatlichen Verwaltungsapparat begegnen zu können. So hatten etwa 80 Prozent der deutschen Richter und Staatsanwälte der NSDAP oder einer ihrer Unterorganisationen angehört und mussten deshalb entlassen werden.

Ausbildungsstätten bestanden in Bad Schandau, Gera-Roschütz, Halle, Potsdam und Schwerin-Zippendorf, wobei in Bad Schandau zu Beginn der fünfziger Jahre eine zentrale Richterschule für die DDR eingerichtet wurde. Insgesamt wurden im Zeitraum von 1946 bis 1950 auf Landesebene fünf Lehrgänge durchgeführt, die Ausbildungsdauer verlängerte sich von zunächst sechs Monaten schrittweise bis auf schließlich zwei Jahre an der zentralen Richterschule. Parallel dazu wurde die Ausbildung von Juristen an den Hochschulen weiterbetrieben, doch erst als zu Beginn der fünfziger Jahre die Transformation der Juristischen Fakultäten im Sinne der SED abgeschlossen war, wurden hier wieder Richter und Staatsanwälte in nennenswerter Zahl rekrutiert. Dies bedeutete gleichzeitig den Abschluss des Volksrichterprogramms, eine zwischenzeitlich von prominenten SED-Vertretern geforderte grundsätzliche Entakademisierung der Juristenausbildung vermochte sich nicht durchzusetzen.

In der Praxis erfolgte die neuartige Juristenausbildung von Anfang an im Spannungsfeld divergierender fachlicher und politischer Ambitionen. Während die deutschen Justizverwaltungsbehörden nach anfänglichem Zögern bald dazu übergingen, das Volksrichterprogramm entsprechend den eigenen fachlichen Vorstellungen zu verändern und auszubauen, beabsichtigte die KPD/SED durch den Einsatz politisierter und nicht akademisch ausgebildeter Juristen den traditionell konservativ-autonomen Korpsgeist des Justizapparats zu zersetzen und entsprechend dem sowjetischen Vorbild eine Form sozialistischer Gesetzlichkeit zu schaffen.

Da die Sowjetische Militäradministration (SMAD) im Rahmen ihrer bis 1947 zurückhaltenden Deutschlandpolitik die KPD/SED in Justizangelegenheiten kaum unterstützte, stand bei den ersten Ausbildungslehrgängen eindeutig die fachliche Qualifizierung der Teilnehmer im Mittelpunkt. Erst im Verlauf des Jahres 1947 vermochte die SED-Führung - nun von der SMAD unterstützt - eine stärkere Politisierung der Unterrichtsinhalte durchzusetzen.

Dass die Volksrichter insgesamt ein wichtiges Instrument der einheitssozialistischen Machthaber zur a) Durchdringung des ostdeutschen Justizapparats und b) Durchsetzung ihres Herrschaftsanspruchs (z.B. in den Waldheimer Prozessen) darstellten, ist rückblickend nicht zu bestreiten. Daneben bleibt aber auch festzustellen, dass gerade in der Frühphase viele Beteiligte - Mitarbeiter der Justizverwaltungen, Dozenten und nicht wenige Teilnehmer der Lehrgänge - den überparteilich-antifaschistischen Reformansatz des Volksrichterprogramms in den Mittelpunkt stellten. Dies belegt nicht zuletzt der Verlauf zahlreicher Volksrichterkarrieren, die bereits nach wenigen Jahren im Streit mit den neuen Machthabern (und mitunter anschließender "West-Flucht") endeten.

Literatur

  • Hans Hattenhauer: Über Volksrichterkarrieren, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1995, ISBN 3-525-86287-3.
  • Julia Pfannkuch: Volksrichterausbildung in Sachsen 1945-1950, Lang, Frankfurt am Main u.a. 1993, ISBN 3-631-46320-0.
  • Hermann Wentker: Volksrichter in der SBZ-DDR 1945 bis 1952: eine Dokumentation, Oldenbourg, München 1997, ISBN 3-486-64574-9.

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