Von Stauseen überflutete Dörfer in der Schweiz

Von Stauseen überflutete Dörfer in der Schweiz

Um die Wasserkraft zu nutzen, wurden in der Schweiz Stauseen nicht nur in abgelegenen, unbewohnten Bergtälern errichtet, sondern auch in bewohnten Gegenden. Nach dem Bau der Talsperre wurde die örtliche Bevölkerung umgesiedelt und das jeweilige Gebiet überflutet. Die Umsiedelungen erfolgten entweder gezwungenermassen oder nachdem die meist nicht begüterten Bauern mit Geldzahlungen gefügig gemacht worden waren und der Umsiedlung in einer Volksabstimmung zustimmten. Der Verlust der Heimat erregte die Gemüter oft jahrzehntelang aufs Heftigste und spaltete die betroffene Bevölkerung in missionarische Befürworter und nicht minder leidenschaftliche Gegner.

  • Sihlsee: Mit der Anlage des grössten Stausees der Schweiz bei Einsiedeln im Kanton Schwyz wurde 1932 begonnen. Es wurden Strassen rund um den zukünftigen See, zwei Viadukte quer darüber, eine Staumauer und zwei Abschlussdämme erstellt, bevor das Tal 1937 geflutet wurde. Dadurch sind 55 Landwirtschaftsbetriebe sowie ertragreiche Torfstiche vollständig verschwunden. 1762 Menschen mussten dem See weichen; mehrere ihrer Erwerbsgrundlage beraubte Familien wanderten in die USA aus.
  • Wägitalersee: Durch den Bau einer 66 Meter hohen Staumauer von 1922 bis 1924 musste das Dorf Innerthal im Kanton Schwyz aufgegeben werden. Die Kirche wurde gesprengt. Das Badehotel, welches einen regen Bade- und Kurbetrieb ermöglichte, wurde geflutet. Das Dorf wurde am heutigen Standort neu aufgebaut.
  • Lago di Vogorno: Ein Teil des Dorfs Vogorno im Verzascatal musste dem 1965 in Betrieb genommenen Stausee weichen; die Häuser wurden am Hang oberhalb des Sees neu erbaut.
  • Marmorera: 1954 wurde im Kanton Graubünden der Marmorera-Stausee fertiggestellt, der das alte Dorf überflutete. Die Gebäude des alten Dorfes wurde vor der Flutung des Tals abgerissen oder gesprengt. Das neue Marmorera wurde oberhalb des Stausees und der Julierpass-Strasse gebaut, doch viele Einwohner zogen es aus wirtschaftlichen und emotionalen Beweggründen vor, in ein anderes Dorf zu ziehen.
  • Göscheneralpsee: Der Staudamm im Göschener Tal bei Göschenen im Kanton Uri wurde 1960 fertiggestellt. Der Aufstau begann 1962. Die Göscheneralp, eine auch Alpdörfli oder Hinteralp genannte Dauersiedlung mit mehreren Wohnhäusern und Kirche, versank 1963 für immer in den Fluten. Rund 100 Personen mussten umgesiedelt werden. Das Dorf wurde talabwärts mit der bereits bestehenden Siedlung Gwüest zusammengelegt.
  • Zervreilasee: Das Dorf Zervreila oberhalb von Vals im Kanton Graubünden wurde nach der Fertigstellung der Staumauer des Zervreilasees im Jahre 1957 überflutet. Das Dorf wurde nicht mehr neu aufgebaut, jedoch wurde das Zervreila Restaurant aus dem Holz der alten Häuser aufgebaut.

Nicht verwirklicht wurde hingegen der Plan, das Urserental zu einem einzigen Stausee zu machen und die Dörfer Andermatt, Hospental und Realp zu fluten. Die Stauseeprojekte wurden 1920 und 1946 von der Bevölkerung mit Erfolg bekämpft. 1946 wurden während eines Aufstands der Bevölkerung Armeetruppen eingesetzt (siehe Aktivdienst). Auch hätte der Sufnersee bei Sufers im Rheinwald höher sein sollen, so dass das ganze Tal bis nach Hinterrhein geflutet worden wäre. Die Dörfer Sufers, Splügen, Medels und Hinterrhein wären versunken. Durch heftige Proteste wurde der Bau der erhöhten Mauer verhindert und stattdessen mit dem Lago di Lei ein weiterer grosser Speichersee errichtet, der von den Kraftwerken Hinterrhein bewirtschaftet wird.

Dokumentarfilme

  • Karl Saurer: Der Traum vom grossen blauen Wasser, 1993 (zum Sihlsee)
  • Gieri Venzin: Strom für Zürich. Ein Requiem für Marmorera, 1997

Literatur

  • Erich Haag: Grenzen der Technik. Der Widerstand gegen das Kraftwerkprojekt Ursern, 2004
  • Karl Saurer (Hg.): Der Sihlsee. Eine Landschaft ändert ihr Gesicht, 2002
  • Marlis Schuler-Kälin: Das Sihl-Hochtal vor dem Bau des Stausees. Geschichten der Bewohner und Liegenschaften, 2004
  • Martin Steiner: Alte Göscheneralp. Erzählungen und Bilder zur Zeit vor dem Stausee (1920-1955), 2008
  • Meinrad Inglin: Urwang, Roman, 1954

Siehe auch: Liste der Speicherseen in der Schweiz, Talsperre, Reschenpass


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